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Konkurrenzdruck verändert den Charakter
von Spektrum der Wissenschaft
CEOs, die kurz vor der Entlassung stehen, drücken sich anders aus als die, die ihren Job behalten dürfen. Ihre Wortwahl offenbart, womit sie sich gerade gedanklich beschäftigen.
Wenn Chief Executive Officers (CEOs) kurz vor ihrer Entlassung stehen, zeigt ihr Sprachstil ein paar Auffälligkeiten: Sie sprechen zum Beispiel häufiger über die eigene Person. Das berichten der Ökonom Ali Akyol und seine Kollegin Sahar Shabani von der University of Ottawa auf der Plattform «S&P Global Market Intelligence» in einer Analyse von 45 000 Quartalskonferenzen von Unternehmen der Jahre 2010 bis 2018. Darin informieren CEOs die Öffentlichkeit alle Vierteljahr über die laufenden Geschäfte, stellen aktuelle Betriebsergebnisse vor und beantworten Fragen von Finanzanalysten. Diese Konferenztranskripte analysierten die Forschenden mit Hilfe einer bewährten Software, der Linguistic Inquiry and Word Count (LIWC): Sie durchsucht Texte auf rund 80 Merkmale, darunter vor allem die durchschnittlichen Häufigkeiten bestimmter Wortarten pro Satz – ein Indiz darauf, womit sich die Person gedanklich beschäftigt. Verglichen wurden die Äusserungen von CEOs, deren Tage gezählt waren, mit denen jener Firmenchefs, die ihren Job behalten durften.
Stand die Entlassung kurz bevor, drückten sich die CEOs analytischer aus, sprachen häufiger von sich und verwendeten mehr Wörter, die sich auf die Gegenwart und auf das Thema Macht beziehen. So lag die Wahrscheinlichkeit einer Entlassung um die Hälfte höher, wenn das Pronomen «ich» ein Prozent häufiger vorkam. Für den Verbleib des CEOs sprachen hingegen emotionsbezogene Wörter, eine authentische und entschlossene Ausdrucksweise sowie die vermehrte Verwendung von «sie» in der dritten Person Plural. Die gekündigten und ungekündigten CEOs unterschieden sich voneinander zwar nur geringfügig. Doch die Auffälligkeiten nahmen zu, je näher der Tag der Entlassung rückte. In der viertletzten Konferenz, fast ein Jahr vor der Entlassung, beobachteten die Forschenden noch keine sprachlichen Besonderheiten; in der drittletzten traten bereits «subtile» Veränderungen auf; in der vorletzten nahmen diese zu; und in der letzten Konferenz waren sie deutlich ausgeprägt.
Die Forschenden schliessen daraus, dass die Konzernbosse zunehmend ahnen, was ihnen bevorsteht. Ältere Forschung habe bereits gezeigt, dass die von CEOs verwendete Sprache Hinweise auf ihre Gedanken und Absichten gibt, erklären Akyol und Shabani. Sie interpretieren die veränderte Ausdrucksweise als Indiz dafür, dass die CEOs sich vor ihrem Abgang noch einmal in ein günstiges Licht rücken wollten.
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