
Hinter den Kulissen
Umfrage: Mehrheit der Europäer will US-Produkte boykottieren
von Tobias Billeter
Viele reden vom Boykott, aber kaum jemand handelt: Trotz Trumps Zollhammer greift Europa weiterhin zu US-Produkten – sei es aus Gewohnheit, Unwissen oder der Bindung zu ihren Lieblingsmarken. Das zeigen die Verkaufsdaten von Galaxus und Digitec.
Grosse Klappe, nichts dahinter. So könnte man den neusten Galaxus Report zum Boykott amerikanischer Produkte zusammenfassen. Laut der repräsentativen Umfrage will mehr als die Hälfte der Europäerinnen und Europäer auf US-Produkte und Dienstleistungen verzichten. Dies als Reaktion auf die Importzölle, die Donald Trump Anfang April angekündigt hat.
Doch die Verkaufsdaten von Galaxus und Digitec erzählen eine andere Geschichte: Der Anteil US-amerikanischer Marken lag im Mai bei 17,5 Prozent – nur minimal tiefer als im Vorjahr (18,3 Prozent). «Ein Boykott sieht anders aus», sagt Hendrik Blijdenstein, Chief Commercial Officer von Digitec Galaxus.
Auch demografisch zeigt sich kaum Widerstand: Am ehesten noch kaufen ältere Menschen und Männer weniger US-Produkte – doch auch hier bleiben die Unterschiede gering.
Grundlage der Auswertung war der Hauptsitz des Markeninhabers – unabhängig vom Produktionsort. Galaxus und Digitec verkauften 2024 Produkte von knapp 45'000 Marken. In die Analyse sind die 1000 meistverkauften Brands des vergangenen Jahres eingeflossen.
Waren Europas Boykott-Vorsätze also bloss heisse Luft? «Danach sieht es aus, und ich bin auch nicht überrascht», sagt Hendrik. Den Hauptgrund hinter der zögerlichen Reaktion sieht er in unseren Einkaufsgewohnheiten, gekoppelt mit dem Unwissen über die Herkunft der Marken. «Den meisten dürfte klar sein, dass Tesla, Barbie oder Microsoft amerikanische Marken sind. Danach ist aber schnell Schluss.»
Tatsächlich klingen viele US-Marken so gar nicht nach Yeehaw: Die Seifenmarke «Le Petit Marseillais» gehört beispielsweise zum US-Konzern Johnson & Johnson, Verkaufsgewinne der Milka-Schokolade fliessen zu Mondelez in Chicago, und Meister Proper putzt für Procter & Gamble in Cincinnati. «Wer wirklich US-Produkte meiden will, müsste Herkunft und Konzernstruktur recherchieren, was im Alltag kaum jemand macht», fasst Hendrik zusammen.
Ein weiterer Grund für die ausbleibende Konsumverweigerung ist die emotionale Bindung: Marken wie Apple, Nike oder Weber sind für viele Teil des persönlichen Lifestyles – und damit stärker als politische Haltungen. «Apple-Fans werden nicht plötzlich auf ein niederländisches Fairphone umsteigen, nur weil Trump Zölle verhängt», sagt Hendrik.
Gewohnheit ist also stärker als Gesinnung. Womöglich zögern manche aber auch deshalb, weil europäische Alternativen teurer sein könnten: In der repräsentativen Galaxus-Umfrage gaben nämlich bloss 9 von 100 an, dass sie «auf jeden Fall» bereit wären, für Produkte oder Dienstleistungen mehr zu bezahlen, wenn diese dafür nicht aus den USA kommen.
Fazit: Zollpolitik allein bringt Europas Konsumgewohnheiten nicht ins Wanken. Aber die öffentliche Debatte könnte ein erstes Warnsignal für US-Firmen sein – vor allem, wenn sich das politische Klima weiter zuspitzt.
Was war deine Reaktion auf Trumps Zollhammer? Hast du dich seither bewusst gegen US-Produkte entschieden? Oder hast du weiter geshoppt wie immer? Die Kommentarspalte gehört dir!
Ich bin bei Galaxus und Digitec zuständig für den Austausch mit Journalistinnen und Bloggern. Gute Geschichten sind meine Leidenschaft, deshalb bin ich immer auf dem neusten Stand.