Stefanie Lechthaler
Produkttest

Untalentiert im Zeichnen? Blödsinn! Dieses Büchlein zeigt dir, wies geht

Ob grobe Skizzen oder kleinere Visualisierungen für Konzepte: Das Sketchnote Journal unterstützt dich mit hilfreichen Tricks und einfachen Übungen. Keine Ausreden – ran an die Stifte!

In jeder Schulklasse gibt es ein Kind, das während des Zeichenunterrichts mit verschränkten Armen und lethargischem Blick auf das weisse Blatt Papier starrt und der Lehrperson damit zu verstehen gibt: «Ich kann und will nicht zeichnen.»

Wenn du dich grad auf frischer Tat ertappt fühlst, solltest du jetzt auf keinen Fall die Flucht ergreifen. Ganz im Gegenteil. Das ist ein Zeichen: Nimm den verstaubten Skizzenblock hervor und überprüfe, ob deine Filzstifte noch malen!

Nicht nur für Zeichenmuffel und Einsteigerinnen

Das Buch richtet sich an scheue Zeichenlehrlinge und die, die ihre Texte und Präsentationen mit verständlichen, persönlichen Skizzen untermalen wollen.

Lektion 1: Das visuelle ABC

«Das Ziel ist nicht, ein Kunstwerk zu erschaffen», meinen die Autorinnen Sabine Wein und Anna Frank zu Beginn ihres Übungsbuches und legen damit die Erwartungen an das Journal fest. Hauptsache zeichnen. Denn wie beim Lernen einer neuen Sprache, ist der Schlüssel zum Erfolg das Üben – und die richtigen Grundlagen. Dafür greift das Buch, das visuelle ABC auf, das Zeichnungen und Symbole auf die Grundformen Kreis, Dreieck und Viereck herunterbricht.

Kreis, Dreieck, Viereck: Mit diesen einfachen Grundformen kann ich fast alles zeichnen.
Kreis, Dreieck, Viereck: Mit diesen einfachen Grundformen kann ich fast alles zeichnen.

Fingerdehnen

Nach der Einführung geht es gleich weiter mit Aufwärmübungen. Wildes Gekritzel und repetitive Formen bringen mich dazu, in Schwung zu kommen und meine Finger zu entrosten. Die Übungen sollen zudem helfen, mich von perfektionistischen Ansprüchen zu befreien. Klappt gut – sollte ich öfters machen.

Üben, bis mir übel wird

Haben sich meine Finger erstmal eingegroovt, führt mich das Journal in die Grundlagen der Symbole ein. In graue Einzelteile heruntergebrochen, baue ich die Icons Schritt für Schritt auf, bis das Symbol komplett ist. Eigentlich genau so, wie ich schreiben gelernt habe.

Zuerst fahre ich der grau vorgezeichneten Vorlage mit dem Stift entlang, danach versuche ich sie ohne Hilfe selbst umzusetzen.
Zuerst fahre ich der grau vorgezeichneten Vorlage mit dem Stift entlang, danach versuche ich sie ohne Hilfe selbst umzusetzen.

Leider hat das ganze einen Haken. Der kartonierte Bucheinband sorgt auf den ersten Seiten dafür, dass das Journal nicht flach auf dem Tisch liegt und die Zeichenfläche dadurch schräg ist. Mir fällt es teilweise schwer, die Übungen richtig auszuführen – entweder muss ich das Buch fest auf den Tisch drücken oder in einer unbequemen Schräglage zeichnen. Der Profi-Tipp meiner Kollegin Michelle Brändle : Ein zweites Buch darunter legen. So klappt es.

Auf fast fünfzig Seiten finde ich Übungen zu unterschiedlichen Symbolen. Das Ziel: Daraus kann ich mir eine Sammlung von Icons zusammenstellen, die ich im Alltag brauche. Im Journal wird empfohlen, dass ich mir eine «Icon-Bibliothek» anlege, die ich bei Bedarf beiziehen kann.

Aus allen Vorlagen lege ich mir eine persönliche «Icon-Bibliothek» an, mit den wichtigsten Symbolen meines Alltags.
Aus allen Vorlagen lege ich mir eine persönliche «Icon-Bibliothek» an, mit den wichtigsten Symbolen meines Alltags.

Schon nach ein paar Wiederholungen fällt es mir leichter, die Symbole zu zeichnen. Aber eigentlich geht es darum, den Zeichenstil erst zu verstehen und dann selbst einen zu finden. Also lege ich die Vorlage beiseite, schaue mich auf meinem chaotischen Schreibtisch um und lasse mich von ein paar Gegenständen inspirieren. Und siehe da, der Schlüssel liegt nicht darin, sie möglichst realistisch oder dreidimensional zu zeichnen, sondern sie auf die Grundformen des visuellen ABCs zurückzuführen.

Ein paar Seiten weiter werde ich aufgefordert, Alltagsgegenstände in Symbole zu verwandeln. Ups. Da war ich dem Buch wohl einen Schritt voraus.

Normalerweise ist der Tisch aufgeräumt. Das alles sind nur Vorlagen für die Zeichenübungen. Chaos ist gar nicht mein Ding. Wirklich.
Normalerweise ist der Tisch aufgeräumt. Das alles sind nur Vorlagen für die Zeichenübungen. Chaos ist gar nicht mein Ding. Wirklich.

Emotionale Menschen und Objekte

Am faszinierendsten finde ich den Abschnitt im Buch, der sich mit der Darstellung von Emotionen befasst, um Skizzen lebendiger zu machen. So verwandelt sich ein Planet mit zwei Augen und einem Mund zu einer weinenden Erde. Und setze ich noch vier Striche für Arme und Beine dazu, macht sie Freudensprünge oder verschränkt wütend die Arme.

Im selben Kapitel steht, wie ich einfachen Strichmännchen so viel Charakter verleihen kann, dass sie realen Personen ähneln. Also zücke ich den Stift und zeichne, ohne lang zu überlegen, mein wunderbares Team.

Erkennst du sie alle wieder? Oben Links nach rechts: Luca Fontana, Lorenz Keller, Simon Balissat, Ramon Schneider. Von unten links nach rechts: Darina Schweizer, Patrick Vogt, Michael Restin und ich.
Erkennst du sie alle wieder? Oben Links nach rechts: Luca Fontana, Lorenz Keller, Simon Balissat, Ramon Schneider. Von unten links nach rechts: Darina Schweizer, Patrick Vogt, Michael Restin und ich.

Texten und Layouten

Um den Illustrationen eine Rahmen zu geben, schneidet das Buch zum Schluss die Grundlagen des Handlettering an. Hier finde ich Vorlagen, um Plakate und Präsentationen mit ausdrucksstarken Titeln zu schmücken. Weiter geht das Journal kurz auf die Methoden zur Anordnung und den Aufbau einer Präsentation ein und zeigt diverse Beispiele für solche Plakate. Das ist der Moment, an dem alles, was ich gelernt habe, zusammenkommt und ich aufgefordert werde, selbst einen Versuch zu wagen.

Beim ersten Versuch lande ich einen ziemlichen Reinfall. Die Seiten wirken überladen, zu viele Farben, unübersichtlich – so habe ich mir das nicht vorgestellt. Doch statt frustriert aufzugeben, blättere ich zurück, hole mir Tipps aus den vorherigen Kapiteln und lasse mich noch einmal inspirieren. Beim zweiten Anlauf läuft’s schon runder. Noch nicht perfekt, aber auf jeden Fall ein Fortschritt.

Und genau darum geht’s in diesem Journal: nicht gleich aufgeben, sondern ausprobieren, verbessern, dazulernen. Beim dritten Versuch klappt es und ich halte zufrieden ein Layout in der Hand, das sich sehen lassen kann. Ich bin bereit, das Whiteboard für den nächsten Teambuilding-Workshop zu gestalten.

Fazit

Einfacher Einstieg in das Skizzieren

Das Sketchnote Journal ist ein toller Einstieg für alle, die glauben, nicht zeichnen zu können. Gleichzeitig hilft es dabei, Notizen mit kleinen Skizzen verständlicher und ansprechender zu gestalten. Neben den zahlreichen praktischen Übungen bietet das Buch viel Platz zum selber ausprobieren. Wegen des Einbands ist es auf den ersten und den letzten Seiten des Buchs eher schwierig, die Übungen direkt im Buch zu machen. Trotzdem ist das Journal ein tolles Werkzeug für diejenigen, die handgefertigte Präsentationen und Templates vorbereiten und gestalten wollen.

Pro

  • einfacher Einstieg
  • viele praktische Übungen
  • leicht umsetzbar

Contra

  • zum Reinzeichnen unpraktisch auf den ersten und letzten Seiten
SketchnoteJournalVanilla (Deutsch, 2022)
Ratgeber

SketchnoteJournalVanilla

Deutsch, 2022

Titelbild: Stefanie Lechthaler

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Die Wände kurz vor der Wohnungsübergabe streichen? Kimchi selber machen? Einen kaputten Raclette-Ofen löten? Geht nicht – gibts nicht. Also manchmal schon. Aber ich probiere es auf jeden Fall aus.


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