Hinter den Kulissen

Unsere Mini-Computer leisten grosse Arbeit

Unsere Entwickler haben ein Betriebssystem für Mini-Computer geschaffen, die herkömmliche Rechner in unseren Lagern und Shops überflüssig machen. Damit vermeiden sie Elektroschrott, blanke Nerven – und Kosten in Millionenhöhe.

Auch wenn der Tag doppelt so viele Stunden hätte, wären Thomas Gfeller und sein Team nicht unbeschadet durch das Jahr gekommen. Die Arbeitslast hätte die Entwickler aus dem Team Planet Express schlicht erdrückt. Denn bei Digitec Galaxus sind sie zusammen mit dem IT-Support verantwortlich dafür, alle neuen Arbeitsstationen mit Computern auszustatten und zu vernetzen – und diese schiessen zurzeit wie Pilze aus dem Boden.

«Digitec Galaxus hat in kürzester Zeit einen gigantischen Wachstumssprung gemacht», erklärt Thomas. Das, weil die globale Corona-Pandemie den Online-Handel angekurbelt hat. «Wir mussten die Logistik rasant aufstocken», sagt er.

Mehr Menschen, mehr Maschinen

«Natürlich hätten wir auch einfach zwei bis drei zusätzliche Teams aufstellen können, um den ganzen Tag neue Windows-Computer aufzusetzen und zu betreuen», sagt Thomas stirnrunzelnd. «Das hätte uns dann ein paar Hunderttausend Franken pro Jahr pro Team gekostet.» Doch dazu ist es nicht gekommen. Planet Express hat die Hürde eleganter übersprungen. Anstatt Entwickler aufgestockt, haben sie Maschinen abgespeckt.

Die Idee: Nicht alle Mitarbeiter:innen von Digitec Galaxus sind in ihrem Alltag auf vollständige PCs angewiesen. Im Zentrallager in Wohlen oder in den Shops von St. Gallen bis Genf brauchen Mitarbeiter:innen ihre Geräte hauptsächlich für drei Aktivitäten: um auf Microsoft Teams zu kommunizieren, im Backend des Shops zu surfen sowie die Arbeitszeit zu loggen. Das geht alles in Firefox oder einem anderen Webbrowser.

Herkömmliche Rechner können mittlerweile viel mehr als früher. Es ist daher sinnvoll, Geräte mit weniger Rechen-Power für spezifische Aufgaben wie den Browser-Zugang einzusetzen. Solche Geräte heissen Thin Clients. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rechnern – auch Fat Clients genannt – funktionieren sie wartungsfrei, speichern lokal keine Daten und können direkt über das Netzwerk gestartet werden.

Ein solches Thin Client-System haben Thomas und sein Team für den Einsatz bei Digitec Galaxus geschaffen. Dieses formten sie aus verschiedenen Open Source-Komponenten – also quelloffenem Code – aus dem Internet. Das Ergebnis lässt sich sehen. Dank dieser Software-Basis kann die Firma jetzt in allen Lagern und Shops Geräte verwenden, die schneller aufgesetzt, einfacher transportierbar, sicherer und viel günstiger sind als herkömmliche Rechner.

So funktionieren die Thin Clients

Das Aufstarten ist wie gewohnt, dafür sind die «Zahnräder» der Lösung etwas sichtbarer: Thomas drückt einen Knopf und sofort laufen Zeilen voller Code den Screen herunter. «Das Gerät hat ein Betriebssystem vom Netzwerk geladen und lokal gestartet», erklärt mir Thomas als er vom Bildschirm hochschaut.

Und jetzt kommt der spezielle Teil: «Der Thin Client lädt das Betriebssystem in den Arbeitsspeicher – es gibt keine Harddisk da drin», sagt Thomas. Diese wurde bei unseren NUCs bewusst nicht verbaut – weil diese oft als Erstes ausfällt und das Ganze so billiger kommt.

Bloss kein Windows

Ist der Thin Client aufgestartet, können Nutzer:innen ihr gewohntes Firmen-Login eingeben. Ein Desktop erscheint. Auf den ersten Blick sieht es wie Windows aus – doch der Anblick täuscht. «Wir wussten, wenn wir Kosten und Komplexität reduzieren wollen, können wir uns nicht auf Windows als Betriebssystem verlassen», erklärt Thomas. «Windows hat im täglichen Betrieb seine Macken – deshalb haben wir schnell verstanden, dass wir Linux verwenden müssen.»

Linux hat Vorteile: Im Gegensatz zu Windows und MacOS ist es kostenlos und Open Source – das heisst, die «Bausteine» des Systems sind im Internet frei zugänglich. «Unsere Lösung besteht aus unzähligen Open Source-Komponenten, zum Beispiel aus Ubuntu, das Open Source-Linux-Betriebssystem, das jede:r nutzen kann. Das läuft auf den Thin Clients», erklärt Thomas.

Der kleine Nachteil dabei ist, dass sich die Begeisterung für das Betriebssystem und seine Perlen ausserhalb der Software-Entwicklung in Grenzen hält. «Natürlich gab es ein paar kritische Stimmen, die zurück zu Windows wollten – der Mensch ist schliesslich ein Gewohnheitstier», sagt Thomas.

Doch, dass ein Grossteil der Nutzer:innen wirklich dagegen war, verneint er. «Wir hatten auch viel Zuspruch, da wir aktiv auf Anfragen eingegangen sind», sagt Thomas. So haben sie zum Beispiel auf Wunsch der Shop-Mitarbeiter:innen die Desktopoberfläche komplett überarbeitet, um den Umstieg auf Linux für sie so reibungslos wie möglich zu machen.

Hundert neue Arbeitsplätze, null Stunden Arbeit

Von Anfang an Feuer und Flamme für die Mini-Computer war hingegen der IT-Support. «Sie haben jetzt viel weniger Bestellungen für PCs und Support-Anfragen», erklärt Thomas. «Um einen Thin Client in Betrieb zu nehmen, musst du schliesslich nur ein HDMI-, ein USB- und ein Netzwerkkabel einstecken», sagt er weiter.

Github: Das Sahnehäubchen

Dass Thomas und sein Team grosse Freude an ihrer Lösung haben, ist schwer zu überhören. Dieses Gefühl wollen sie nun weitergeben. Deshalb hat Planet Express den Code für ihre Lösung auf der Entwicklerplattform Github veröffentlicht.

Das heisst, interessierte Entwickler:innen haben jetzt freien Zugriff darauf. «Es war uns wichtig, etwas zurückzugeben, schliesslich haben wir viele Software-Teile aus der Open Source-Gemeinschaft verwendet», sagt Thomas. «So wollen wir Danke sagen und freuen uns sehr über weitere Ideen aus der Community.»

Mit der Veröffentlichung des Codes haben Thomas und sein Team ihrem Herzensprojekt ein letztes Sahnehäubchen aufgesetzt. Jetzt ist das Thema «Thin Client» vorerst abgehakt für sie. Dank der Lösung mit den Mini-Computern konnte das Team Planet Express das Jahr nun doch in Ruhe ausklingen lassen.

Auch du kannst dir das Herzensprojekt auf GitHub anschauen und auf deinem Gerät laufen lassen oder damit herumspielen. Vielleicht hilft dir die Lösung dabei, ein paar Arbeitsstunden einzusparen? Wir sind auf jeden Fall gespannt auf deine Meinung dazu.

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«Ich will alles! Die erschütternden Tiefs, die berauschenden Hochs und das Sahnige dazwischen» – diese Worte einer amerikanischen Kult-Figur aus dem TV sprechen mir aus der Seele. Deshalb praktiziere ich diese Lebensphilosophie auch in meinem Arbeitsalltag. Das heisst für mich: Grosse, kleine, spannende und alltägliche Geschichten haben alle ihren Reiz – besonders wenn sie in bunter Reihenfolge daherkommen. 


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