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Zürich stellt erste KI-Schauspielerin vor – Hollywood reagiert entsetzt
von Luca Fontana
Spektakel trifft Systemkritik: «Tron: Ares» lässt die Neonlichter wieder leuchten. Der Film ist gross, laut und faszinierend. Doch leider steckt hinter der makellosen Oberfläche weniger Vision, als das Franchise einst versprach.
Keine Sorge: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist. «Tron: Ares» läuft ab dem 8. Oktober im Kino.
Stell dir eine Welt vor, die aus Licht gebaut ist. Aus kaltem Glas, vibrierenden Linien und unendlicher Energie. Ein Universum, in dem Information zu Materie wird, Programme leben und atmen wie Menschen. Über dir: ein Himmel aus Störrauschen, ein glitchender Sturm, der niemals zur Ruhe kommt. Unter dir: der Boden aus purem Code, durchzogen von Adern aus Neonlicht, die im Takt der Elektrizität pulsieren.
Das ist das Grid – die Welt von «Tron». Ein leuchtendes, digitales Paralleluniversum, präzise wie ein Algorithmus und doch chaotisch wie ein Traum. Alles hier ist Symmetrie und Ordnung, Bewegung und Klang, Schönheit und Gefahr zugleich.
Ein einziger Rausch.
Fünfzehn Jahre nach dem völlig unterschätzten «Tron: Legacy» – und 42 Jahre nach «Tron», dem Original – kehren wir genau dorthin zurück.
Oder auch nicht.
Denn «Tron: Ares» spielt in einer Gegenwart, in der das Digitale längst Teil unserer Realität geworden ist. Dieses Mal dringen die Programme aus dem Grid in unsere Welt vor, nachdem der Sprung ins Reale geglückt ist – zumindest fast. Noch überleben die digitalen Wesen nur 29 Minuten, bevor sie sich wieder auflösen. Darum entsteht ein Wettrennen um die Entdeckung des «Beständigkeitscodes», der die digitalen Schöpfungen permanent in unserer Welt verankern könnte.
Das Wettrennen läuft zwischen zwei Tech-Giganten: ENCOM, die Firma, die einst Kevin Flynn (Jeff Bridges) gegründet hat, will die Technologie nutzen, um Krankheiten zu heilen und wissenschaftliche Durchbrüche zu ermöglichen. Dagegen steht Dillinger Industries, ein Militärkonzern, der in der KI des Grids das perfekte militärische Werkzeug sieht.
Und irgendwo dazwischen: Ares, gespielt von Jared Leto. Ein Programm, das für den Krieg erschaffen wurde, aber anfängt, über sich selbst nachzudenken. Für ihn wird seine zunächst rein militärische Mission zur existenziellen Reise: Was bedeutet es, zu leben, wenn man aus Code besteht? Und was heisst Menschlichkeit, wenn sie sich programmieren lässt?
Spannende Fragen. In seinen besten Momenten entfaltet der Film daraus Bilder von fast biblischer Wucht: Nächtliche Strassen, durchzogen von roten Lichtbahnen, die wie Höllenadern über die Stadt kriechen. Explosionen, deren Glut an das Flackern des Grids erinnert. «Tron: Ares» ist visuell stark – ein Film, der im Kino gesehen werden will, weil er seine Welt auf der Leinwand grösser wirken lässt, als sie inhaltlich ist.
Viel grösser.
«Tron: Ares» will nämlich mehr, als er am Ende erreicht. Er philosophiert über Bewusstsein, Leben und Kontrolle, ja sogar über Risiken und Chancen künstlicher Intelligenz, wagt aber nie den Sprung ins Unbekannte. Die grossen Fragen sind da, nur greift der Film sie nicht. Nicht wirklich. Als fürchte er, grösser zu werden, als er eigentlich sein will.
Vielleicht liegt das an Joachim Rønning. Die Wahl des Norwegers als Regisseur hat mich von Anfang an skeptisch gestimmt. Rønning ist kein Visionär, der was zu sagen hat, sondern ein Studioregisseur. Einer, der weiss, wie man mit grossen Budgets und internen Disney-Prozessen umgeht. Aber genau das ist das Problem: «Tron» war nie ein Franchise, das sich durch Routine definiert. Es lebte von seiner Vision. Vom Rausch des Neuen. Vom Wagnis, digitale Welt und Philosophie miteinander kollidieren zu lassen. Wenn auch mit etwas zu viel Exposition, wenn wir an «Tron: Legacy» zurückdenken.
Rønning hat bisher weder mit «Pirates of the Caribbean: Dead Men Tell No Tales» noch mit «Maleficent: Mistress of Evil» bewiesen, dass er so etwas kann. Beide Filme sahen teuer aus, fühlten sich aber leer an. Wie perfekt polierte Hüllen ohne Seele. Und jetzt soll ausgerechnet er eine Geschichte inszenieren, die sich um künstliches Bewusstsein und um digitale Wesen dreht, die nach einer Seele suchen?
Irgendwie ist das poetischer als der Film selbst. Ein Regisseur, dem man Oberflächlichkeit vorwirft, erzählt einen Film über das Ringen um Echtheit. Über das Sehnen nach etwas, das menschlich wirkt, auch wenn es aus Code besteht.
Zu seiner Verteidigung: In Interviews hat Rønning stets betont, «Tron: Legacy» sei für ihn visuell brillant, aber emotional leer gewesen. Genau das wolle er ändern. Er wolle Herz und Gefühl in eine Welt bringen, die aus kaltem Licht besteht.
Ein schöner Wunsch, der leider nie wahr wird. Oder nur zum Teil. Denn Rønning ist ein Mann der Oberfläche. Und «Tron: Ares» muss mehr sein als das. Sonst wäre er nur ein weiteres perfekt gerendertes Nichts im digitalen Niemandsland.
Womöglich ist das der Grund, weshalb «Tron: Ares» so deutlich auf das Pinocchio-Motiv setzt. Das soll besagtes Herz in die kalte Welt bringen. Nur: Das ist kein neuer Gedanke. Es ist ein uraltes Echo, das sich durch Literatur und Kino zieht – von Mary Shelleys «Frankenstein» bis zu den Replikanten in «Blade Runner», von «A.I. Artificial Intelligence» über «Ex Machina» bis hin zu «Ghost in the Shell». Immer geht es um dasselbe: Die Frage, wo der Code endet und das Bewusstsein beginnt.
«Tron: Ares» erfindet diese Geschichte nicht neu. Will es vielleicht auch gar nicht. Vielleicht will er stattdessen einfach relevant sein und sich ein letztes Mal an eine echte Welt klammern, die immer künstlicher wird. Und ganz ehrlich? Daran ist nichts verkehrt.
Tatsächlich könnte der Film kaum aktueller sein. Denn während «Tron: Ares» davon erzählt, wie eine digitale Figur versucht, echt zu werden, geschieht draussen in der Welt gerade das Gegenteil: Künstliche Wesen lernen, uns immer überzeugender zu imitieren, bis wir selbst kaum mehr wissen, was echt ist. Die Realität hat den Film bereits eingeholt.
Am Zurich Film Festival zum Beispiel wurde gerade erst die erste KI-Schauspielerin vorgestellt: Tilly Norwood. Ein Avatar mit perfektem Hautton, makelloser Mimik und einer Stimme, die kein Mensch süsslicher sprechen könnte.
Genau das ist die Ironie: Während sich die Fiktion in «Tron» noch fragt, ob Programme eine Seele haben können, leben wir längst in einer Zeit, in der Maschinen anfangen, unsere zu spiegeln. «Tron: Ares» könnte so mit viel Goodwill weniger als Science-Fiction denn als Gegenwartsdiagnose interpretiert werden. Eine Geschichte über das Verschwimmen von Realität und Simulation – und darüber, wie leicht wir vergessen, wo die Grenze eigentlich verläuft.
Wie gesagt: Im Kino entfaltet das visuell durchaus Wucht. Vor allem nachts, wenn die Stadt im gleissenden Rot der Light Cycles aufgeht und die Strassen in leuchtenden Linien zerschnitten werden, die sich wie glühende Adern durch das Dunkel ziehen – als würde sich das Grid wie ein digitales Gitternetz langsam über unsere Welt ausbreiten. Das ist schon ein bisschen meta.
In diesen Momenten zeigt «Tron: Ares» auch, warum Kino immer noch seine Daseinsberechtigung hat: Weil es Welten erschafft, die nur auf der grossen Leinwand ihre volle Wirkung entfalten. Und dafür bin ich «Tron: Ares» trotz aller Kritik auch dankbar.
Dramaturgisch braucht der Film allerdings eine Weile, um in Gang zu kommen. Der erste Akt fühlt sich wie ein Systemstart an: Kühl, funktional und mit viel Exposition, um das Publikum in Stellung zu bringen. Doch sobald alles läuft, findet der Film seinen Rhythmus. Dann zieht er an, manchmal sogar zu sehr, als hätte er Angst, innezuhalten und seine eigenen Gedanken zu Ende zu denken.
Das ist schade, denn gerade die philosophischen Fragen – Was macht uns menschlich? Was unterscheidet Bewusstsein von Programmierung? Sollten wir wirklich nur Angst vor KI haben, oder birgt sie auch Chancen? – bleiben an der Oberfläche. Eben: «Tron: Ares» kratzt immer wieder an grossen Ideen, ohne sie zu beantworten, weil er zu schnell ins nächste opulente Action-Set-Piece eilt. Auf mich wirkt das alles etwas inkonsequent. Wenn man schon inhaltlich die Welt «Tron» in unsere bringt, dann auch thematisch. Und zwar richtig.
Immerhin klanglich hat der Film einen neuen Puls. Nine Inch Nails ersetzen Daft Punks gläserne Perfektion durch industrielle Härte – ein Sound, der weniger verführerisch, aber erdiger wirkt. Härter. Kraftvoller. Das passt perfekt zur Story, die «Tron: Ares» erzählen will. Eine Welt, in der alles künstlich geworden ist, braucht genau diesen dreckigen Ton.
Am Ende bleibt ein Film, der mich weder überwältigt noch enttäuscht. «Tron: Ares» ist kein Meilenstein, aber ein passabler Nachfolger. Einer, der verstanden hat, dass die digitale Welt längst keine Zukunftsvision mehr ist, sondern Spiegel unserer Gegenwart. Er sieht grossartig aus und klingt wuchtig, denkt allerdings selten über seine eigenen Bilder hinaus. Dafür gibt’s Abzüge.
Trotzdem: Ich war zwei Stunden lang zwar nicht gefordert, aber immerhin gut unterhalten und nie gelangweilt. Vielleicht ist das heute schon mehr, als man von einem Blockbuster erwarten darf. «Tron: Ares» ist halt ein Film, der lieber solide funktioniert, als radikal zu scheitern. Drei Sterne, leuchtend genug, um den Weg zu Teil vier zu weisen – dann aber hoffentlich mit einer mutiger gedachten Story.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»
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