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The Mandalorian im Review: Schlechter wird Screenwriting nicht

Das Star Wars Universe hat Zuwachs. Mit «The Mandalorian» will Disney+ die kleinen Bildschirme mit einem wortkargen Cowboy mit Helm erobern. Das fällt leider flach, denn der Drehbuchautor hat versagt.

Western in einer Galaxie weit, weit entfernt. Das klingt doch gut. Der neueste Eintrag im «Star Wars»-Universum heisst «The Mandalorian» und ist in der Nacht auf heute auf dem Disney Streaming Service Disney+ gestartet.

Nach den 38 Minuten der ersten Folge ist klar, Autor Jon Favreau hat versagt. Der Mann, der an der Serie auch als ausführender Produzent arbeitet, hat die erste grosse Regel des Screenwritings verletzt: «Show. Don't Tell».

Ein Cowboy in der Galaxie

Die erste Folge beginnt stark. In einer Bar – in der ersten Folge kommen aussergewöhnlich viele Bars oder Orte, an denen gesessen wird, vor – wird ein blauer Mann von einem Tentakelgesichtigen und einem Mann, der nicht Englisch spricht, belästigt. Die science-fiction-gerechte Iris-Türe öffnet sich. Im von draussen hereinströmenden Licht steht ein Mann in einem Helm: Der Mandalorianer.

Wortlos geht er am Blauen, am Fremdsprachigen und am Tentakligen vorbei, stellt sich an die Bar. Der Fremdsprachige folgt. Der Tentaklige auch. Sie suchen Streit. Der Mandalorianer ignoriert das. Scheinbar. Sobald ein Bierkrug auf der Bar steht, schlägt der Mandalorian zu. Ein kurzer Barfight, ein kurzes Feuergefecht, der Mandalorianer steht noch, die anderen beiden nicht. Der Blaue scheint gerettet.

Die Folge läuft seit drei Minuten und ist stark. Der Mandalorianer fühlt sich an wie Clint Eastwood in seiner Blütezeit als Westernheld. Er ist einer wie Dredd – die von Karl Urban gespielte 2012er-Version. Schweigsam, kompromisslos, unbesiegbar.

Nach drei Minuten und dreizehn Sekunden spricht der Mandalorianer. Zum ersten Mal. Die Worte richtet er an den Blauen. «I can bring you in warm. Or I can bring you in cold.»

Seine Hand wandert an den Holster. Der Blaue weiss genau, was ihm blüht. Wir als Zuschauer auch: Der Blaue ist der Auftrag des Mandalorianers – des Kopfgeldjägers.

Und es geht bergab

Nur Jon Favreau nicht. Jon Favreau macht einen Fehler.

Nach dem starken Einstieg in die Serie hört der Mandalorianer nicht auf, zu reden, entwickelt sogar einen Sinn für Slapstick-Humor. Dies, obwohl die Folge einfach hätte so umgeschrieben werden können, dass die titelgebende Rolle kein Wort sagen müsste. Eine schweigende Hauptfigur geht gut. Im Film «Dredd» aus dem Jahre 2012 reagiert die Welt auf den stoischen Titelheld, der nie eine Emotion zeigt und unaufhaltbar ist.

Der Mandalorianer aber kommentiert alles. Ein Reittier wirft ihn ab? Er hat einen witzigen Satz auf Lager. Ein Schmied macht ihm ein neues Stück für seine Rüstung? Er erzählt, wo er herkommt. Warum? Den Vogel schiesst Favreau in Punkto schlechtem Screenwriting dann ganz ab, als das grosse Feuergefecht gegen Ende der Folge ansteht. Da sind viele Heckenschützen und Mutige, die dem Mandalorianer und einem Roboter den Garaus machen wollen.

Es wird geschossen. Der Mandalorianer und der Droide sind hinter einer Säule versteckt, stehen unter Beschuss von einem Maschinengewehr. Mit ihren popeligen Blastern können die beiden da nichts ausrichten. Dann sagt der Mandalorianer: «There are too many.»

Wie wäre es, wenn Favreau das eine Maschinengewehr zu mehreren gemacht hätte? Einfach noch einmal 30 Statisten mehr, die auf unseren Helden schiessen? Die Szene 30 Sekunden länger? Zuschauer sind nicht dumm. Wenn ein Held 30 Sekunden lang beschossen wird, wird jedem klar, dass er gerade Probleme hat, die nur durch ausserordentliche Heldenarbeit gelöst werden können.

Der Mandalorian hätte schweigen können. Das Bild hätte für ihn gesprochen. Die Welt, die auf den stoischen Helden reagiert, übernimmt die Funktion der Worte, die in einer Billigproduktion gesagt würden. Denn dort fehlt das Budget und das Kaliber der Autoren. Bei «Star Wars» hingegen kostet eine Minute der ersten Folge 328 947 Dollar. Das sind 5482.46 Dollar pro Sekunde. Da liegt mehr drin.

Ein Vergleich mit dem Spielfilm Dredd aus dem Jahre 2012, in der eine ganz ähnliche Szene vorkommt.

Ich verstehe, warum Jon Favreau und damit auch Megakonzern und Star-Wars-Eigentümer Disney sich nichts getraut haben und den Mandalorianer zur Plaudertasche haben werden lassen. Denn immerhin könnte es da draussen irgendwo, irgendwann irgendwen geben, der eventuell nicht versteht, was auf dem Bildschirm gerade vor sich geht. Da muss eine Figur den Plot nacherzählen.

Disney spielt auf Nummer sicher.

Der Konzern will niemanden verwirren, selbst das hinterletzte Grosi, das gerade mit Kettensägen jongliert, während sie die Wäsche macht, soll alles mitkriegen. Die Kunst des Filmes geht zwar verloren, aber dafür kommt der kleinste gemeinsame Nenner, der da «hat einen Puls» zu sein scheint, draus.

Schade.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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