Roger Federer – ein Phänomen, für das selbst Superlative nicht ausreichen
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Roger Federer – GOAT?

Ein liebender Familienvater, ein sportverrückter Ehemann und eine bewundernswerte Identifikationsfigur, die ihresgleichen sucht. Eine Legende, die ihr Vermächtnis Tag für Tag in noch höhere Sphären katapultiert. Ein Name, so bekannt wie Coca Cola, Nike oder Apple. Ein längst fälliges Portrait über den Maestro.

Selten habe ich einen Papa gesehen, der all seine vier Kinder umarmt, danach einen Dreisätzer in unter zwei Stunden gegen einen Top-Ten-Spieler spielt und den Court als überlegener Sieger verlässt. Nach jedem Sieg – und davon gibt es viele – folgt gleich zuerst der Blick in die Box zur Ehefrau. Eine ganze Nation vor den Fernsehern, wenn ihr Liebling auf dem Platz steht... die Uhrzeit spielt dabei keine Rolle. Jugendliche schauen zu ihm auf, seine Gegner lernen von ihm und selbst die Allergrössten verneigen sich vor ihm. Eine Ode an den König der Filzbälle.

Ruhe, bitte – das Genie bei der Arbeit.

«FedEx»

Sobald der Name des Schweizer Sympathieträgers auf dem Programm steht und aus den Lautsprechern hallt, füllen sich die Sitze der grössten Stadien dieser Welt in Windeseile. Ohrenbetäubender Lärm und eine schier endlose Auflistung seiner Erfolge machen selbst das Einspielen vor den Matches zum Genuss. Und auch wenn ihn seine Fans oft deutlich weniger lang bewundern dürfen – die Bezeichnung «Federer Express» kommt nicht von ungefähr – als seine ärgsten Kontrahenten, kommen sie dennoch in Scharen. Wenn der «GOAT» (nein, er ist keine Ziege: GOAT = Greatest Of All Times) zur Audienz bittet, sind seine Schäfchen zur Stelle. Die Faszination um den wohl bekanntesten Schweizer Sportler kann kaum in Zahlen gefasst werden. Ein «peRFekter» Sportler, dieser «Fedi», «Rotschi» oder «Bebeli» (wie ihn seine Frau Mirka liebevoll nennt). Und ein noch besserer Mensch.

(K)ein eingetragenes Markenzeichen: Die Kreativität seiner Fans kennt keine Grenzen.

Ein Herz aus Gold

Wie jedes Märchen beginnt auch dieses am Anfang. Der Name Peter Carter ist nur eingefleischten Tennis-Aficionados ein Begriff. Er war es, der aus dem ungeschliffenen, neunjährigen Diamanten eine lebende Legende formte. Als Dank für all die geleistete Arbeit lädt Federer Carters Eltern seit dessen Tod vor 15 Jahren jedes Jahr ans Australian Open ein, Kost und Logie inklusive. In der Arena fiebern sie mit dem Schweizer mit, als wäre er ihr eigen Fleisch und Blut. Doch was für Roger wirklich zählt, ist, dass er jede einzelne Saison mit der Erinnerung an seinen langjährigen Mentor beginnt. Roger Federer, ein zweischneidiges Schwert – im positiven Sinne: Vom begabtesten Tennisspieler der Welt zum geerdeten, menschlichen und warmherzigen Wunschschwiegersohn.

He's a real person. He's not an enigma. Off the court, he's not trying to be somebody. If you met him at McDonald's and you didn't know who he was, you would have no idea that he's one of the best athletes in the world.
Andy Roddick

Eine schrecklich nette Familie

Was passiert mit der Tennisnation Schweiz, wenn (oder falls) Federer zurücktritt? Von Trauer übermannt und durch Schmerzen gepeinigt, wage ich dennoch eine Prognose: Der dann 43jährige sechsfache Familienvater wird eine tiefe, blutende Narbe in jedem Sportlerherz hinterlassen. Denn auch Marathonmann Stan «the Man» Wawrinka wird nicht jünger und der talentierten «Bella» Belinda Bencic fehlt (noch) die Konstanz. Doch Roger Federer wäre nicht Roger Federer, wenn er nicht auch für diese Bredouille einen Schlachtplan auf die Beine gestellt hätte. Auf acht (beziehungsweise zwölf) kleine Beinchen, um zu präzisieren. Seine beiden Prinzessinnen und die Bad Boys werden 2039 die Weltnummern 1 und 2, sowohl im Frauen- als auch im Männer-Ranking. Folglich müssen wir uns auch bei den Damen-, Herren- und Mixed-Doppel-Partien vor nichts und niemandem fürchten. Alles Roger... wie immer.

Die ganze Rasselbande versammelt sich, wenn der Papa spielt.

Nur das Beste ist gut genug

Doch den Teufel jetzt schon an die Wand zu malen, bringt nichts. Vor einiger Zeit kursierte in diversen Medien ein Video, das ein Federer-Fan zusammengestellt hat. Auf den ersten Blick keine aussergewöhnliche Leistung. Aber: Das Video kostete den Roger-Verehrer sage und schreibe 250 Stunden Arbeit. Darin zeigt er die in seinen Augen 1000 besten Shots in Federers Karriere. Aufgefallen ist mir dabei ein Satz aus der Beschreibung des Videos des Fans: «I have always felt that a top 10, top 50 or even a top 100 (I’ve done that before) wasn’t enough to showcase the otherworldly variety, quality and quantity in Roger Federer’s book of great shots.» PS: Auch dieses Video zeigt, wie der Ballkünstler Unmögliches möglich macht. Oder dieses. Und dieses sowieso.

Hail to the king

Aber auch die Konkurrenz findet nur lobende Worte für «King Roger». Eines der prägendsten Zitate, das ich je gehört oder gelesen habe, war dasjenige von Jo-Wilfried Tsonga, als gegen den Schweizer die Segel streichen musste. Der bullige Franzose meinte erschöpft und ungläubig, aber dennoch zufrieden: «Was du jeden Tag zeigst, Roger, ist nicht von dieser Welt. Es ist keine Schande, gegen dich zu verlieren. Es ist eine Ehre, gegen dich spielen zu dürfen. Und: Wenn du nicht mehr spielen wirst, habe ich vielleicht auch einmal die Chance, einen grossen Titel zu gewinnen.» Novak Djokovic sagte in einem Interview: «Roger ist Tennis und Tennis ist Roger. Viele sehen nur den Sportler auf dem Platz. Noch grösser ist aber der Mensch, der sich dahinter verbirgt.» John McEnroe schwärmte: «Federer is the most beautiful man to watch play tennis. The most beautiful I've ever seen play. His movement, combined with the artistry, his racquet, the look, he's got everything going.» Oder ein enttäuschter Andy Murray: «Ich kann weinen wie Roger. Schade, dass ich nicht auch so spielen kann wie er.» Und Rafael Nadal schliesslich: «Es ist das grösste Kompliment, wenn dich jemand mit Roger vergleicht.»

Applaus für den Meister: gut, besser, Federer.

Facts and Figures

  • Update: 115 050 482 Dollar erspieltes Preisgeld
  • Update: 14 581 701 Follower auf Facebook
  • Update: 11 438 188 Follower auf Twitter
  • Update: 4 487 602 Follower auf Instagram
  • 302 Wochen als Nummer 1
  • Update: 96 Karrieretitel
  • 36 Jahre jung
  • Update: 20 Grandslam-Titel
  • 4 Auszeichnungen zum Weltsportler des Jahres
  • 2 Olympia-Medaillen (Gold im Doppel und Silber im Einzel)
  • 1 Daviscup-Sieg
Bringt Statistiker zum Schwitzen und Kritiker zum Schweigen – der Tennisgott in Menschengestalt.

Was du nicht wusstest

Roger Federer wurde von der Universität Basel der Ehrendoktortitel verliehen. Seine Schwester Diana, die sich kaum in der Öffentlichkeit zeigt, hat ebenfalls Zwillinge – ein Mädchen und einen Jungen – auf die Welt gebracht. Federer isst Fleisch erst seit seinem 14. Lebensjahr, zuvor war er Vegetarier. Er lernte seine Ehefrau Mirka im Jahre 2000 an den olympischen Sommerspielen in Sydney kennen. Auch sie war eine begnadete Tennisspielerin. Und er lädt bei seiner Teilnahme an den Swiss Indoors in Basel jeweils alle Ballmädchen und -jungen nach dem Finalmatch am Sonntag zum Pizzaessen ein. Auf ebenjenem Platz stand der zwölfjährige Roger das erste Mal und erlebte die damaligen Tennisgrössen hautnah – als Balljunge.

Die Roger Federer Foundation

Wer hat, der gebe auch. Und wie er gibt. Auf und neben dem Platz. Bestes Beispiel hierfür ist die durch ihn ins Leben gerufene «Roger Federer Foundation». Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, in Afrika «die Bildungsqualität an Kindergärten, Vorschulen und Primarschulen nachhaltig zu verbessern und deren Management effektiv und effizient zu gestalten.» Mit Showmatches – wie beispielsweise der «Match for Africa» – sammelt er nebst eigenen Spenden weitere Gelder, um diese Projekte zu finanzieren und unterstützen. Ein grossartiges Projekt, das weitere Wellen geschlagen hat. Denn dank seiner Hilfe hat beispielsweise Rafael Nadal dann auch die «Fundación Rafa Nadal» gründen und aufbauen können.

Das Glück des Tüchtigen

Von gröberen Verletzungen blieb der Ausnahmekönner trotz seines vergleichsweise hohen Sportleralters bisher verschont. Und falls Probleme auftauchen, steckte er sie weg wie ein wahrer Champion. Warf ihn 2008 zum Beispiel das pfeiffersche Drüsenfieber zurück, nahm er sich die notwendige Regenrationszeit und stand gesund und munter wieder auf dem Platz. 2016 hinderte ihn sein Knie daran, die Saison zu Ende zu spielen. Und 2017 stand ihm der Rücken im Wege. Doch auch da kam er zurück... und wie! Schon hatten ihn die Medien abgeschrieben und vermeintliche Kenner der Szene warteten nur noch auf seinen Rücktritt. Doch es kam alles anders: Seit seinem letzten Comeback spielt er besser Tennis denn je. Das mussten inzwischen Experten und Kritiker gleichermassen anerkennen.

Es geht nicht darum, wie hart du zuschlagen kannst. Sondern darum, wie viel du einstecken und danach wieder aufstehen kannst.

Funny Federer

Konzentriert, fokussiert und ambitioniert: Diese Adjektive passen zu Roger Federer wie der Tennisball auf sein Racket. Aber der sympathische Schweizer kann auch ganz anders, wie das untenstehende Video beweist. Es zeigt nicht nur, dass Roger eine von Grund auf freundliche, witzige und spannende Persönlichkeit hat, sondern auch, dass er seinen Sport liebt. Er freut sich auf den Exhibition Match gegen einen seiner härtesten Konkurrenten auf der Tour. Jedes Mal, wenn ich eines seiner Spiele vor dem Fernseher verfolge, habe ich das Gefühl, diese Spielfreude in jeder seiner Bewegungen, seinem Gesichtsausdruck und seiner Aura wiedererkennen zu können. Der filigrane Techniker verkörpert die Leichtigkeit, Eleganz und Geschwindigkeit des Tennissports wie kein anderer. Er spielt mit Köpfchen, nicht mit Muskeln. Er plant seine Spielzüge, er übertreibt nicht. Und er liest des Gegners Spiel wie ein offenes Buch. Diese Mischung macht ihn so gefährlich. Und zum besten Tennisspieler aller Zeiten.

Quo vadis?

Wohin der Weg des Vorzeigeathleten führt, ist ungewiss. Ich kann nur beten und hoffen, dass es ein sehr, sehr langer Weg wird. Ebenso wünschen seine Gegner insgeheim, ihn auch künftig jeden Tag mit seinem unverkennbaren Lachen auf dem Platz zu sehen. Denn Sieg oder Niederlage werden zur Nebensache, wenn einer der ganz, ganz Grossen auf dem Platz steht. Dies gilt selbst für trainierte, talentierte und zukünftige Hoffnungsträger – sie vergiessen mehr als eine Träne, wenn sie einmal in ihrem Leben gegen den Champion antreten müssen... nein, antreten dürfen. Und sie alle tragen eine Mitschuld an der Mensch gewordenen Gottheit, die sie geschaffen, geformt und geprägt haben. Daher: Danke, Rafa. Danke, Nole. Danke, Andy. Ihr habt ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Roger Federer... der Grösste aller Zeiten! #goat

Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter: Federer hat den Tennissport auf ein neues Level gehoben.
Titelbild: Roger Federer – ein Phänomen, für das selbst Superlative nicht ausreichen

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Wenn ich nicht gerade haufenweise Süsses futtere, triffst du mich in irgendeiner Turnhalle an: Ich spiele und coache leidenschaftlich gerne Unihockey. An Regentagen schraube ich an meinen selbst zusammengestellten PCs, Robotern oder sonstigem Elektro-Spielzeug, wobei die Musik mein stetiger Begleiter ist. Ohne hüglige Cyclocross-Touren und intensive Langlauf-Sessions könnte ich nur schwer leben. 


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