
Nuggi: Treuer Tröster

Der Nuggi wird oft als lästiges Übel betrachtet. Dabei ist er für vier von fünf Kinder zumindest in den ersten Lebensjahren ein treuer Begleiter. Die Frage ist deshalb nicht, ob man überhaupt einen Schnuller geben soll, sondern, wie und wann man ihn am besten einsetzt.
Es gibt da dieses Gewächs, das Früchte in allen Farben des Regenbogens zu tragen scheint. Erst wenn man ihm näherkommt, fallen einem auch die unappetitlicheren Teile dazwischen auf. Verwitterte und gräuliche Silikonsauger in allen Grössen und Formen hängen da an den bunten Nuggischildern. Wind und Wetter sind ihnen gar nicht gut bekommen.
Viele Eltern stehen in ihrem Leben irgendwann vor einem Nuggibaum. Vielleicht sind dem grossen Tag diverse, mehr oder minder erfolgreiche Versuche der Schnullerentwöhnung vorausgegangen. Vielleicht hat aber auch der Ausblick auf ein Geschenk oder ein strenger Blick der Kinderärztin genügt, dass nun endgültig der Abschied vom geliebten Nuggi ansteht.

Ein berechtigtes Hilfsmittel
Es gibt verschiedene Wege, wie sich Babys und Kleinkinder zur Ruhe bringen oder etwas Trost verschaffen. Manche schaukeln hin und her oder vergraben ihr Gesicht in einem Nuscheli. Das Nuckeln aber ist die erste und häufigste Art und Weise: Vier von fünf Babys haben einen Schnuller; und wer keinen hat, behilft sich gerne mit dem Däumchen oder sonstigen Fingern. «Der Nuggi wird häufig als etwas Negatives angesehen», sagt Eveline Männel Fretz, Beraterin bei Pro Juventute. Dabei sei er ein absolut berechtigtes Hilfsmittel für die Kleinen. Er sollte aber bewusst eingesetzt werden, also eine klare Funktion und einen festen Platz haben – und besser nicht den ganzen Tag am Jäckli befestigt verfügbar sein.

Verwirrtes Saugen?
Nuggis haben dem Daumen gegenüber ein paar Vorteile: Sie führen viel weniger häufig zu einer Verformung des Kiefers beziehungsweise zu einem offenem Biss. Zudem fällt das Abgewöhnen des Schnullers normalerweise leichter und früher aus als beim Daumen. Doch mit dem Nuggi (und auch dem Schoppen) ist oftmals die Sorge verbunden, ob dieser wohl kleine Babys verwirren könnte, so dass sie danach die Brust verweigern. Ob dies tatsächlich der Fall ist, darüber sind sich Fachleute nicht wirklich einig. Mit etwas Geduld und Übung funktioniert aber häufig beides parallel. Konsens herrscht dafür, wenn es um Schoppen mit Fruchtsaft oder Milch als ständige Begleiter geht: Das Dauernuckeln an solchen Getränken richtet immensen Schaden an, insbesondere in der Nacht. Es zerstört nicht nur die Zähne, sondern gewöhnt Kleinkinder auch an ständigen Zuckerkonsum und erhöht das Risiko für Übergewicht.
Sauber, aber nicht steril
Jeder Nuggi sollte vor dem ersten Gebrauch erst einmal ausgekocht werden. Wie regelmässig man dies dann später tut, ob täglich, einmal in der Woche oder einmal im Monat, hängt stark davon ab, wie alt das Baby beziehungsweise Kind ist und wie intensiv und wo der Nuggi benutzt wird. Ebenso wissen Eltern selbst am besten, ob es schon nach drei Wochen oder erst nach zwei Monaten an der Zeit ist, einen neuen Nuggi zu kaufen. Ist übrigens gerade kein Wasser in Sicht, um den Schnuller zu reinigen, dürfen die Eltern ihn auch mal in den Mund nehmen. Solange man bei sich selbst auf gute Mundhygiene achtet, braucht man sich keine grossen Sorgen wegen Kariesbakterien zu machen. Kleinkinder nehmen von allen Familienmitgliedern schliesslich ständig Bakterien auf.

Adieu, Nuggi!
Die Hälfte aller Kinder in der Schweiz saugt im Alter von zwei oder drei Jahren noch am Nuggi oder am Daumen, wie der Kinderarzt Remo Largo in seinem Buch «Babyjahre» schreibt. Eveline Männel Fretz rät, das Abgewöhnen anzugehen, wenn Kinder etwa drei Jahre alt sind. Damit liessen sich nicht nur negative Auswirkungen auf Zahnstellung und Sprachentwicklung weitgehend vermeiden. Der anstehende Eintritt in den Kindergarten sei auch ein guter Zeitpunkt, um den Nuggiabschied als Ende der Kleinkindphase zu zelebrieren. Ob man den Schnuller dabei am besten sukzessive aus dem Verkehr zieht, oder mit der Tochter verabredet, dass nun bald die Nuggifee kommt und den heissgeliebten Begleiter mitnimmt, hängt ganz vom Kind ab. Was aber sicher ist: «Ein Ritual oder eine kleine Feier zeigt den Kindern, dass sie etwas vollbracht haben, worauf sie stolz sein können», sagt Männel Fretz. «Dass sie wieder einen Schritt grösser geworden sind.»


Journalistin und Mutter von zwei Söhnen, beides furchtbar gerne. Mit Mann und Kindern 2014 von Zürich nach Lissabon gezogen. Schreibt ihre Texte im Café und findet auch sonst, dass es das Leben ziemlich gut mit ihr meint.<br><a href="http://uemityoker.wordpress.com/" target="_blank">uemityoker.wordpress.com</a>