Stefanie Lechthaler
Hintergrund

Niedlich oder gruselig? Dieser Roboter formt mit deinen Daten seinen Charakter

Er quietscht, winkt und sucht deine Aufmerksamkeit: Dieser flauschige Roboter entwickelt eine eigene Persönlichkeit – und speichert dafür Videoaufnahmen von dir und deinen Liebsten.

Zwischen Saugerrobotern und Fernsehern auf der IFA in Berlin fällt mir ein Plüschtier ins Auge. Zwei grosse Augen auf Bildschirmen heften sich sofort an mich, als würden sie mir folgen. Darunter: Eine Stupsnase mit integrierter Kamera, die meine Mimik und Gestik registriert und die Bilddaten von der KI auswerten lässt. So soll der Plüsch-Roboter lernen, menschliche Emotionen zu erkennen und mit der passenden Interaktion darauf zu reagieren.

Mit einem Winken lässt er mich wissen, dass er mich bemerkt hat. Glaube ich zumindest. Ich streichel mit der Hand über seinen Kopf und bin überrascht. Er ist wirklich SEHR flauschig. Seine Augen leuchten auf, dann erscheint in seinen Pupillen das Akkusymbol. Jetzt bin ich verwirrt.

So sieht der Haustier-Roboter aus, wenn er in der Ladestation steht.
So sieht der Haustier-Roboter aus, wenn er in der Ladestation steht.

Der Produktpräsentator erklärt mir, dass der Roboter gerade in der Ladestation steht. Er nimmt ihn heraus und drückt ihn mir in die Hände. Zweite Überraschung: Er ist erstaunlich schwer. Und ja, irgendwie auch süss.

Persönlichkeitsentwicklung durch Interaktionen

Die «KATA Friends» – so heisst die Serie der Plüsch-Roboter – stammen vom Hersteller SwitchBot. Anders als die Haushaltsroboter des Unternehmens saugt er nicht Staub, sondern will durch seine verspielte und kindlich anmutende Art mit Trübsal aufräumen. Mit Hilfe von KI soll er Mimik und Gestik erkennen, Bilddaten auswerten und passende Reaktionen zeigen.

Der Herr am Messestand fährt begeistert fort und erzählt, dass sich der KATA-Freund verschiedene Räume, Menschen und Momente merken kann und daraus eine eigene Persönlichkeit entwickelt. So rollt er eher Familienmitgliedern hinterher, die ihn streicheln und mit ihm interagieren. Er soll aber auch unbekannte Personen erkennen und bei Eindringlingen seine Besitzer benachrichtigen können.

Während ich zuhöre, wackelt das Tierchen in meinen Armen mit dem Kopf, quietscht leise und wirft wieder seine Pinguin-Arme in die Luft. Auch eigene Emotionen soll der Roboter mit der Zeit entwickeln und Herrchen und Frauchen zum direkten Austausch auffordern, wenn er eifersüchtig, glücklich oder traurig ist.

Ich stelle das Plüschtier mit dem Schal, den der Hersteller ebenfalls zum Kauf anbietet, zurück. Es rollt davon. Ich wende mich noch ein letztes Mal an den Demonstrator mit der Frage, was die beiden Löcher am Bauch seien.

«Kameras», erwidert er kurz und knapp.

«Und wo werden die Videodaten gespeichert?», frage ich.

«Lokal.»

Kein Bauchnabel sondern zusätzliche Kameras.
Kein Bauchnabel sondern zusätzliche Kameras.

Augen die sehen

Wirklich überzeugt bin ich nicht. So niedlich der KATA-Freund wirkt – er bleibt ein Roboter mit Kameras im Bauch und einer KI im Kopf. Während der Hersteller betont, dass alle Daten lokal gespeichert und analysiert werden, bleibt ein schaler Beigeschmack: Müssen nun neben allen Haushaltsgeräten, sogar noch die Plüschtiere mit einer Kamera bestückt werden? Und will man wirklich, neben all den anderen Geräten, noch einen Roboter in den eigenen vier Wänden haben, der Personen erkennt, Gesichter analysiert und die Wohnung in- und auswendig kennt?

Die Grenzen zwischen Spielzeug, Begleiter und Überwachungsgerät verschwimmen.

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Titelbild: Stefanie Lechthaler

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Die Wände kurz vor der Wohnungsübergabe streichen? Kimchi selber machen? Einen kaputten Raclette-Ofen löten? Geht nicht – gibts nicht. Also manchmal schon. Aber ich probiere es auf jeden Fall aus.


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