Meinung

Nice try, Marie Kondo! So sollen Kinder das Aufräumen lernen

In einem neuen Interview sagt Aufräum-Profi Marie Kondo, wie sie ihren eigenen Kindern beibringt, Ordnung zu halten. Mit Methoden, die bei meinen Kids ganz bestimmt nicht funktionieren.

Sie ist die weltberühmte Profi-Entrümplerin. Die Mary Poppins unserer Generation. Was sie anfasst, steht schlagartig in Reih und Glied da. Perfekt gefaltet und nach Farben sortiert.

Alles Zuschauen nützt nichts

Sympathie, die sie jetzt wieder im Keim erstickt hat. Denn die 38-jährige Japanerin gab einem deutschen Portal vor wenigen Tagen erneut ein Interview – und zementierte dabei wieder ihre Makellosigkeit.

Ok, wow. Ich anerkenne neidvoll: Beim Wäsche zusammenlegen habe ich meine zwei Mädchen tatsächlich noch nie ertappt. Höchstens beim Süssigkeiten stibitzen. Immerhin: Den Esstisch haben sie auch schon freiwillig gedeckt. Zweimal, um genau zu sein.

Und ja, auch meine zwei Mädchen dürfen mir beim Aufräumen zusehen. Ich erledige das nicht hinter ihrem Rücken. Sie sollen sehen, dass das zur täglichen Routine gehört – und sie sollen mit anpacken. Nur laufen sämtliche Motivations- und Lockmethoden erst einmal ins Leere. Mitgemacht wird prinzipiell nur nach mehrmaligem Auffordern und auch dann nur mit Murren.

Mami beim Aufräumen zusehen – ohne mit der Wimper zu zucken beziehungsweise einen Finger zu rühren –, funktioniert dagegen weltmeisterlich.

Wo bleibt die Aufräum-Lust?

Dass die Kondo-Mädchen aus komplett anderem Holz geschnitzt sind als meine, unterstreicht eine weitere Aussage im Interview: «Ich habe meinen Kindern von klein auf beigebracht, dass sie die Dinge behalten sollen, die ihnen Freude bereiten», so Kondo. «Kinder können schon mit drei Jahren entscheiden, was ihnen Freude macht. Und der wichtigste Grundsatz ist, dass jeder Mensch für sich selbst Entscheidungen treffen sollte.»

Einverstanden. Aber bei allem Respekt: Liesse ich meine Siebenjährige immer selbst entscheiden, was sie behalten darf und was nicht – beziehungsweise, was ihr Freude macht und was nicht – ihr Kinderzimmer wäre schon mehrmals explodiert. Und das wäre dann auch nicht Kondo-Philosophie, nicht? Nur mit regelmässigen gemeinsamen Ausmist-Aktionen hält sich ihre Sammelwut in Zaum.

Nun gut, Vorleben ist halt nicht gleich Vorleben, höre ich Marie Kondo ermahnende Worte in meinem Ohr. Vielleicht sollte ich beim Aufräumen künftig vor Freude durchs Wohnzimmer tanzen, um meine Kinder mit meinem (spärlich vorhandenen) Ordnungseifer anzustecken? Fair. Vielleicht ist es tatsächlich das, was Kondo hat – und ich eben nicht: die Lust am Aufräumen. Für mich ist und bleibt es eine lästige Pflicht.

Entspannen à la Kondo

Zeit der Abrechnung

Kondo wollte uns also weismachen, dass es bei ihr plötzlich menschlich unordentlich sei? Gescheitert. Ganz so schleifen lässt sie’s zu Hause also doch nicht. Vielleicht sollte sie als Nächstes mal ihren Instagram-Account von seiner Makellosigkeit entrümpeln, ihrer Glaubwürdigkeit und unserem Selbstwertgefühl würde es jedenfalls guttun.

Unsere Wickelschublade hat höchstens fünf Minuten nach dem Einrichten so ausgesehen. Sowieso: Selbst wenn ich unser Zuhause – ob mit oder ohne Hilfe der Kinder – dreimal täglich aufräume, bleibt es nie länger als eine Stunde ordentlich. Weil ich die Kontrolle über mein Leben verloren habe? Nein. Weil ich zwei Kinder habe.

Irgendwann werde ich es ihnen aber heimzahlen. Dann trample ich in ihr Zuhause, werfe meine Kleider auf den Boden, bediene mich grosszügig am Kühlschrank und haue mich mit fettigen Chips aufs Sofa, um ihnen beim Aufräumen zuzusehen. Ha! Und diesen Spass wird Marie Kondo ganz bestimmt nie haben.

Titelfoto: Shutterstock

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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