Hintergrund

Mikroabenteuer statt Fernreise: Erlebe die Welt vor deiner Haustür

Vor deiner Haustüre warten jede Menge Abenteuer auf dich: Auch wenn sie im ersten Augenblick nicht so wirken. Ich stürze mich in mein erstes Mikroabenteuer.

Solche unverhofft aufregenden Momente erinnern einen an die Unplanbarkeit des Lebens. Doch im Hamsterrad des Alltags wird das Zeitfenster dafür immer kleiner. Gut, dass sich jemand alltagstaugliche Abenteuer überlegt hat: Mikroabenteuer. Das sind aufregende Fluchten aus der Normalität in leicht verdaulichen Dosen. Sie starten pünktlich nach Feierabend und sind kurz vor Arbeitsbeginn wieder abgeschlossen.

Mikroabenteuer: Was ist das?

Foerster hat das Konzept um seine eigenen Regeln erweitert: So darf das Mikroabenteuer bei ihm zwischen acht und 72 Stunden lang dauern, es sollte kein Auto (und erst recht kein Flugzeug) bestiegen werden und wenn du im Freien übernachtest, dann nur ohne Zelt. Möglichst ohne Hilfs- und Transportmittel auszukommen, leuchtet total ein und löst in mir schon in der Planungsphase ein leichtes Bauch-Kribbeln und Abenteuerdurst aus.

Finde dein Mikroabenteuer

Equipment: Was brauche ich für das Mikroabenteuer?

Nach Feierabend rüste ich mich mit Schlafsack, Isomatte, Campingkocher, Geschirr und einer akkubetriebenen Lampe aus – dafür muss ich nur alles aus meinem Kellerabteil holen. Dann kaufe ich noch ein One-Pot-freundliches Fertigessen, das ich auf meinem Gaskocher zubereiten kann. Es ist 18 Uhr und ich breite alles auf meiner Terrasse aus. Noch ein paar Kerzen dazu, ein Glas Rotwein und ein gutes Buch. Das Handy? Lasse ich in meiner Komfortzone zurück.

Staycation: Was uns die Pandemie über Mikroabenteuer gelehrt hat

Es dauert nicht lange, bis mich die ersten Nachbarn und Nachbarinnen über den Gartenzaun ansprechen. Kein Wunder, schließlich muss der Anblick wirklich ungewöhnlich sein: Eingewickelt in einen Schlafsack koche ich Fertignudeln über einer winzigen Gasflamme – und das, obwohl ich weder aus meiner Wohnung gesperrt bin, noch Lockdown-bedingt zu einer Staycation gezwungen werde.

Apropos Staycation: Tatsächlich gab die Pandemie zumindest kurzfristig Aufwind, Mikroabenteuer und ihre Wirkung auf uns zu erforschen. Unter anderen widmete Jasmine Goodnow, Wissenschaftlerin der Western Washington University, ihre Forschung während der Pandemiejahre dem Abenteuer vor der eigenen Haustüre. Kein Wunder, schließlich waren Ländergrenzen geschlossen und Reisemöglichkeiten endeten oft genug auf dem eigenen Balkon.

Und: Mikroabenteuer sind finanziell und zeitlich regelmäßiger möglich als Reisen in entfernte Länder. Darum tragen sie eher zu einem gesunden Verhältnis von Arbeits- und Privatleben bei, als ausgedehnte Urlaube ans andere Ende der Welt.

Mikroabenteuer im Gemeinschaftsgarten

Auf die irritierten Blicke meiner Nachbarn rechtfertige ich mich entschuldigend: «Ich probiere etwas aus.» Als wäre es ein Verbrechen, an einem Dienstagabend nicht vor dem Fernseher, sondern unter den Sternen einzuschlafen.

Vier meiner näheren Nachbarinnen und Nachbarn bleiben länger vor meiner Terrasse stehen. Wir plaudern, ich schenke Wein aus. Mit den Stunden beruhigt sich der nachbarschaftliche Trubel und die Dämmerung bricht herein. Der Abend ist kühl, der Wind wird leiser und die Stadtgeräusche treten weiter in den Hintergrund. Die Sterne sind durch das Licht der Stadt kaum zu sehen.

Fazit: Schmerzende Hüften und glückliches Herz

Der nächste Morgen gleicht dem Erwachen nach einem One-Night-Stand. Ich hieve mich neben meiner rauchenden Nachbarin, mit der ich die Gartenparzelle teile und die gerade ihren Morgenkaffee trinkt, in die Senkrechte. Wir grüßen uns schüchtern. Bevor wir uns noch peinlich berührt anschweigen, erlöse ich uns beide und gehe in meine Wohnung. Wie bei einem One-Night-Stand verliert auch der Mikroabenteuermoment bei Tageslicht seinen Glanz.

Nach der Nacht auf einer dünnen Isomatte schmerzen meine Hüften. Fast noch mehr weh tut allerdings, dass ich jetzt acht Stunden lang arbeiten muss. Ein nächtliches Mikroabenteuer unter der Woche ist eben weniger leicht zu verkraften als am Wochenende. Aber: Ich hatte einen ziemlich fantastischen Abend. Ich habe mich wie eine Leuchtreklame in den Nachbarschaftsgarten gelegt und mein Licht hat viele Nachbarinnen und Nachbarn und gute Gespräche angezogen.

Titelfoto: shutterstock

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Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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