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Lady Eva. Beruf: Domina

Nähe, Wärme und raue Zärtlichkeit sind das Reich von Lady Eva. Die schwarzhaarige Domina erzählt aus Erfahrungen an der Grenze von Lust und Schmerz und verleitet zwei Journalisten zum Selbstversuch.

«Eigentlich erzähle ich Geschichten», sagt Lady Eva.

Sie ist Domina. Ihre Geschichten werden nicht geschrieben, erzählt oder gesungen. Die Geschichten, die Lady Eva schafft, werden gelebt. Sie sitzt auf einem Bock, auf den sie ihre Gäste – Lady Eva hat keine Kunden und schon gar keine Freier, sondern nur Gäste – festschnallt und sie dort etwas leiden lässt. Ihr Thron sei der Bock, sagt die Frau, die nicht so recht zierlich wirken will.

Die Schwarzhaarige mit dem knallroten Lippenstift beherrscht den Raum. Sie ist es, die hier den Ton angibt. Nicht durch Gewalt oder Androhung von selbiger. Im Gespräch hält sie den Blickkontakt, wenn sie von ihrer Tätigkeit als Domina redet. Ihr Blick lässt alles andere vergessen. Es gibt im Universum nichts ausser Lady Eva, die Domina, und ihren submissiven Gast, den Sub.

Kontrollverlust

Lady Eva sieht sich nicht als sexuelle Dienstleisterin. Sie schafft durch Blickkontakt und Aufmerksamkeit – sowohl geforderte wie auch gegebene – eine Welt, die mit der Realität vor der Haustür nichts gemein hat. Einen sicheren Raum mit seiner eigenen Story, Schmerz, Befriedigung und Erotik.

«Bei meiner Arbeit geht es um ganz andere Dinge, auch wenn sie klar eine sexuelle Komponente hat.»

Sie sieht sich als Befreierin, Befreite und Therapeutin. Sie gibt ihren Gästen eine Art Erlösung, sagt sie, die Befriedigung eines Bedürfnisses, das sie sonst nirgends befriedigen können. Eine Erlösung, die auf der feinen Linie zwischen Stimulation und Schmerz liegt. Es geht ums Loslassen, ums Vertrauen und ums Entspannen.

Die Frau in den schwarzen Leggings, den schwarzen Peeptoe-Schuhen mit den unwirklich hohen Absätzen auf denen sie sich fast schwebend bewegt und dem blauen Polizistenhut erzählt von der Praxis. Von Männern, denen sie beinahe ihren ganzen Arm einführen kann. Von Nadeln in Hodensäcken und von Gefesselten, die auf dem Bock ausharren müssen, während sie demonstrativ einen Kaffee trinken geht.

«Keine zwei Sessions mit einem Gast sollen gleich sein», sagt sie. Sie lasse sich immer etwas Neues einfallen. Neue Stimulierungen, neue Reize, neue Worte. Sie erzählt ihre Geschichte immer weiter und fragt nur ein einziges Mal nach den Vorlieben ihres Subs.

Sie zeigt Dildos aller Grössen, Metallstangen, die in den Penis eingeführt werden, Ketten, Handschellen und Sporen. Hier wird aus dem Frage-Antwort-Pingpong etwas anderes. Über etwas, über das Videoproduzentin Stephanie Tresch und ich keine Kontrolle mehr haben.

Tanz

Noch vor dreissig Minuten sah Lady Eva noch ganz anders aus. Sie ist in einen schwarzen Wintermantel eingemummt. Kappe auf dem Kopf, gefütterte Stiefel.

«Ich mag es einfach, das Bad Girl zu sein», sagt Lady Eva. Sie geniesse es, dominant zu sein. Denn in einer Liebesbeziehung sei sie eher die Submissive. Während sie von ihrem Privatleben erzählt, ist Lady Eva eine komplett andere. Weg ist der Blickkontakt, der die Welt verschwinden lässt. Weg ist die breitschultrige Pose und das neckische Spiel mit der neunschwänzigen Katze. Ihre Stimme wird etwas leiser, sie blickt eine Kerze in der Ecke des Zimmers an.

Wenn Lady Eva nicht Fäuste in Männer einführt oder mit Sporen gepunktete Linien auf der Haut ihrer Gäste hinterlässt, ist sie Tänzerin. Mit Ballet habe alles angefangen.

«Ich muss mich einfach bewegen», sagt die Frau, die sich stolz als Dancehall Queen bezeichnet. Sie tanzt überall auf der Welt, von den Tanzhallen Jamaicas bis zu den Clubs Kanadas, sei es als Stripperin oder als Tänzerin in einer Freak Show. Sie spricht mindestens drei Sprachen fliessend und beherrscht das Jamaican Patois, einer Art Dialekt des Englischen, gibt Tanzkurse in Milan und London.

Wie ihr Umfeld auf ihren Nebenberuf der Domina reagiere, will sie sich gar nicht ausmalen.

Ihre Schultern gehen wieder nach hinten. Da ist der Blickkontakt.

Grenzerfahrung

Lady Eva nimmt die neunschwänzige Katze in die Hand. Sie vergleicht sie mit einer Rute.

«Ich mag die Katze besser. Da hinterlasse ich wenigstens Spuren auf der Haut.»

Ihre Gäste sollen sich an sie erinnern, auch nachdem die Session geendet hat. Rückblickend ist es dieser Punkt, an dem aus Journalisten Mitwirkende werden, denn ein Sporenrädchen fährt über meinen Arm. Zweimal. Einmal sanft um mich fühlen zu lassen, was da auf mich zukommt, einmal mit Druck. Stunden später noch fühle ich die Stellen, an denen mich die Nadeln gepiekst haben.

Stephanie und ich melden uns beide freiwillig. Wir suchen das Verständnis. Wir suchen die Erfahrung. Wir hoffen, nicht nur Zuschauer in der Welt der Domina zu sein sondern Mitwirkende.

«Bereit?»

Die Frage der Domina ist keine. Das Wachs auf meinem Rücken ist unausweichlich. Mit nacktem Oberkörper auf dem Bock kauernd bleibt mir keine Wahl mehr. Im Moment, in dem das heisse Wachs auf meinen Rücken tropft, spüre ich einen kurzen Augenblick lang einen heissen Schmerz, der schnell einer wohligen Wärme Platz macht und dann eine harte Schicht auf meiner Wirbelsäule bildet. Ich meine, etwas zu verstehen.

Ich gebe dieser Frau, die ich seit etwa einer Stunde kenne, Macht über mich und meine Unversehrtheit. Sie fügt mir Schmerzen zu, lotet meine Grenzen aus ohne aber mich in ernste Gefahr zu bringen. Das ist ihre Aufgabe. Ihre Aufmerksamkeit ist bei mir, wie auch meine bei ihr. Stephanie hinter der Kamera bemerke ich ausnahmsweise nicht.

«Das ist bei Asphyxionsspielen nicht anders», sagt Lady Eva später. Wenn sie einem Gast bewusst eine Plastiktüte über den Kopf zieht und ihm so die Luft abschnürt, dürfe sie sich keine Zehntelsekunde Unaufmerksamkeit erlauben. Sonst droht ihrem Gast ernste Gefahr, wenn nicht sogar der Tod.

Lady Eva wagt einen weiteren Schritt. Sie nimmt die neunschwänzige Katze und schlägt mich auf meinen Hintern. Ich trage zwar noch Jeans, bin mir aber der Kraft hinter dem Schlag bewusst. Sie verfehlt beim dritten Schlag meinen Hosenbund, trifft nackte Haut. Ein Blitz des Schmerzes zuckt in meinem Kopf, doch Panik oder Angst bleibt aus. Ich weiss, dass Lady Eva weiss, was sie tut. Ich vertraue ihr.

Jetzt hält Stephanie hin. Sie trägt nur BH und Jeans. Das habe ihr Sorgen gemacht.

«Doch die angekündigten schlimmen Schmerzen haben mir wirklich Sorgen gemacht», sagt die Videoproduzentin. Sie habe sich an den schlimmsten Schmerz ihres Lebens erinnert und gehofft, dass das Wachs nicht so schlimm werde. Sie kontrolliert ihre Atmung. Einatmen. Ausatmen. Nach dem ersten Tropfen aber sei die Angst verflogen.

«Ein leichtes Brennen auf der Haut, dann dachte ich "Schade, ist das schon vorbei".»

Die neunschwänzige Katze ist ihr aber neu.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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