
Meinung
Das erwartet uns im Game-Jahr 2025 – behaupte ich
von Philipp Rüegg
Die Switch 2 bricht alle Verkaufsrekorde. Aufregend war der Launch deshalb nicht. Die Konsole unterscheidet sich wenig von der Vorgängerin. Das war bei früheren Generationen anders. Die fehlende Magie hat aber auch ihr Gutes.
Schrilles Gekreische, Freudentränen und in tausend Stücke zerfetztes Geschenkpapier. Ganz so ekstatisch wie es so manches Auspack-Video suggeriert, war ich bei keinem Konsolen-Launch. Doch die Freude über meinen ersten Nintendo 64, Gamecube oder die Wii war auch bei mir gigantisch.
Fast schon gleichgültig habe ich dagegen die Switch 2 in Betrieb genommen. Sie sieht zwar etwas schicker aus, Spiele laufen besser und «Mario Kart World» ist ganz spassig. Aber das war’s dann schon mit den Highlights. Die Switch 2 ist das jüngste Beispiel, das mir bestätigt, dass Konsolen-Launches langweilig geworden sind. Wo ist sie hin, die Magie?
Mein erstes eigenes Spielgerät war der Nintendo 64. Zusammen mit meinem besten Freund durchstöberten wir ein Gamemagazin nach dem anderen. Jedes noch so kleine Detail zum sagenumwobenen Super-Nintendo-Nachfolger, der bis dahin «Ultra 64» hiess, saugten wir auf. Kommende Spiele wie «Super Mario 64» oder «Waverace» sahen mit ihren 3D-Welten aus, wie aus der Zukunft.
Mit 15 Jahren erfüllte ich mir schliesslich einen lang ersehnten Traum und kaufte mir eine Konsole ganz für mich alleine – natürlich zusammen mit dem neuen «Super Mario 64». Und meine Güte, war das ein Erlebnis. Ich konnte mich in einer Super-Mario-Welt frei bewegen – in 3D. Goombas konnte ich umlaufen, statt jedem auf den Kopf springen zu müssen. Was anfangs auch die einfachere Lösung war, denn die 3D-Steuerung war äusserst gewöhnungsbedürftig. Die Reise durch das Pilzkönigreich war dennoch überwältigend. Es bot etwas nie Dagewesenes und jedes neue Level verzückte mich aufs Neue.
Ich weiss auch noch genau, wie ich für «Starfox 64», das bei uns unverständlicherweise «Lylat Wars 64» hiess, eine dreistündige Pilgerreise auf mich genommen habe. Im grossen Einkaufszentrum im Industriegebiet von Dietikon war das Spiel nämlich bereits zu haben. Als ich Zuhause meinem Vater stolz die krassen Effekte zeigte, wenn eine Bombe im Wasser explodierte, schüttelte er nur fragend den Kopf. Er wusste diese bahnbrechenden Polygon-Effekte leider nicht zu würdigen.
Auch auf dem PC waren die Entwicklungs-Sprünge damals gewaltig. Windows 95 erschien 1995 und läutete das Ende von MS-DOS ein. Eines der ersten Games, das auf Microsofts Betriebssystem glänzte, war «Mechwarrior 2» von Activision. Neue 3D-Beschleuniger schossen wie Pilze aus dem Boden. Firmen wie 3dfx, Ati oder Matrox lancierten neue Grafikkarten und jede kam mit ihrer eigenen Version des Sci-Fi-Mechsimulators. Das Spiel sah auf jeder Karte komplett anders aus. Mein Kumpel hatte eine Matrox Mystique. Damit gab es Wolken, die sich bewegten und sich im Cockpit spiegelten. Wow. Das sprengte unsere Teenager-Köpfe.
Genauso aufregend war der Launch des Gamecubes und der Playstation 2 ein paar Jahre später. Stundenlang fachsimpelte ich während meiner Automatiker-Lehre mit einem Arbeitskollegen, statt den nächsten Schaltschrank zu verdrahten. Beide Konsolen versprachen, revolutionär zu werden. Der Gamecube schloss erstmals leistungstechnisch zur Konkurrenz auf. Was das für Nintendo-Spiele bedeutete, wagte ich mir kaum auszudenken.
Die Playstation 2 versprach erwachsenere Games und ebenfalls einen riesigen Grafik-Sprung. Da ich damals stärker mit Nintendo verbunden war, lockte mich ein neues «Mario Kart», «Luigi's Mansion» und Co. schliesslich mehr als «Tekken Tag Tournament». Gezockt habe ich natürlich mit beiden Konsolen.
2007 folgte der nächste Meilenstein. Die Wii kam auf den Markt. Optisch unauffällig im Vergleich zur Playstation 3, die im selben Jahr erschien, dafür mit einer neuartigen Bewegungssteuerung. Niemand wusste genau, was davon zu halten war. Meine Neugier war so gross, dass ich sogar kurzzeitig meine «World of Warcraft»-Sucht verdrängen konnte. Ich kaufte die Konsole zum Launch und nahm sie in unserem Studentenwohnheim in Betrieb. Damit war der Tag gelaufen. Das Gerät lief bis spätabends im Dauerbetrieb. Jedes Mal, wenn eine neue Person dazu kam – das Wohnheim bestand aus 35 Studis – ging der Spass von vorne los. Dabei zockten wir nur ein einziges Spiel: «Wii Sports».
Auch wenn die Konsole technisch im Hintertreffen war und gerade Wii Sports schon damals hässlich aussah, begeisterte das Konzept. Es war aufregend, neu, innovativ. Etwas, das ich danach nur noch einmal empfinden sollte und auch dann nicht mehr im gleichen Ausmass.
Das war 2017 bei der ersten Nintendo Switch. Eine Hybrid-Konsole, die das Beste aus zwei Welten vereint. Das portable Spielgefühl des 3DS, aber die Spieltiefe echter Konsolentitel, die ich sonst nur auf dem Fernseher spielen konnte. Das Konzept ging auf. Im Zug zur Arbeit zockte ich «The Legend of Zelda Breath of the Wild». Zuhause steckte ich die Switch ins Dock und spielte nahtlos weiter.
Wenn ich wollte, konnte ich das Gerät dank integriertem Ständer sogar aufstellen und als kleinen Fernseher verwenden. So habe ich zwar nur selten gezockt, aber alleine die Möglichkeit verzückte mich. Mit der Switch bewies Nintendo ein weiteres Mal ein goldenes Händchen. Das Unternehmen kreierte einen neuen Markt, der heute durch Steam Deck, Playstation Portal und Co. rasant wächst.
Mit der Playstation 4 und der Xbox One begann die Zeit der Gentrifizierung. Beide Konsolen wechselten auf die x86-Architektur und wurden sich immer ähnlicher. Im Grunde waren sie damit kleine PCs. Innovation gab es kaum und auch das Launch-Lineup enttäuschte. «Knack», «Killzone Shadow Fall» und «Resogun» hauten auf der Playstation 4 niemanden vom Hocker. Mit «Dead Rising 3», «Ryse: Son of Rome» und «Forza Motorsport 5» sah es im Xbox-Camp nicht besser aus. Dort gab es immerhin die neue Version von Kinect. Die Bewegungssteuerung wurde mit der Xbox 360 als Antwort auf die Wii entwickelt. Ausser mit einer Fitness-App habe ich Kinect aber kaum benutzt. Und Microsofts Versuch, die Konsole zum Home Entertainment Hub mit TV-Integration zu machen, scheiterte katastrophal.
Die aktuelle Generation aus Playstation 5 und Xbox Series X/S erschien während der Corona-Pandemie. Ein wirklicher Lichtblick während der Isolationszeit war der Launch im Herbst 2020 aber nicht. Das Aufregendste war das Design. Die PS5 gleicht einem UFO und die Xbox Series X/S einem kleinen Kühlschrank. Spielerisch sah es einmal mehr düster aus. «Spider-Man Miles Morales» und das Remake von «Demon's Souls» sind erwähnenswert für die PS5. Begeisterungsstürme ernteten die aber auch nicht. Für die Xbox gab es überhaupt keine nennenswerten Exklusiv-Titel. Der Dualsense-Controller der PS5 liess ein bisschen Aufregung aufkommen, aber mehr als ein Gimmick war er auch nicht. So verkamen die Konsolen zu puren Leistungsupgrades, wie eine neue Grafikkarte bei einem PC.
Das Gleiche gilt für die Switch 2. Nintendos neueste Konsole kann alles etwas besser als die Vorgängerin. Das war’s. Mit «Mario Kart World» gibt es immerhin ein exklusives Spiel, das nicht bloss ein Füller ist. Einen Hauch Innovation bringen die Joy-Cons, die als Maus verwendet werden können. Und auch die GameChat-Funktion, die mir meine Freunde dank Kamera im Spiel einblendet, ist witzig. Alles in allem habe ich trotzdem nicht mehr als ein müdes Lächeln für den Switch-2-Launch übrig. Mir fehlen ein paar richtige Knaller-Games.
Aber genau dort ist die mangelnde Innovation von Vorteil. Wenn sich Game-Studios nicht jahrelang in neue Hardware und Systeme reinfuchsen müssen, haben sie mehr Zeit, sich aufs Wesentliche zu fokussieren: neue Spiele. Die besten Games erscheinen regelmässig am Ende eines Konsolenzyklus, wenn Entwicklerinnen und Entwickler vertraut mit der Hardware sind. Je ähnlicher die Plattformen und je kleiner die Alleinstellungsmerkmale, desto effizienter sind die Prozesse. Für uns bedeutet das mehr und bessere Spiele. Und darum geht es letztlich.
Natürlich ist es schade, dass die Entwicklung nicht mehr die gleichen Quantensprünge macht, wie beim Wechsel von 2D zu 3D. Die Fortschritte finden dafür im Storytelling, im Artdesign oder im Gameplay statt. Und wer weiss, ob uns Nintendo und Co. nicht doch mal wieder mit etwas völlig Neuem überraschen können. Ich bleibe jedenfalls gespannt.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.