Hintergrund

Kevins Kampf im Black Arete

Patrick Bardelli
22.5.2019
Mitarbeit: Luca Steiner

Wir sind im Tessin. Bei Brione im Verzascatal steht ein Boulder, den Kletterprofi Kevin Huser zum ersten Mal bezwingen will. Es wird ein langer Kampf werden.

Rückblende. Ich lerne Kevin letzten Herbst kennen. Er begleitet mich im Kletterzentrum Gaswerk in Schlieren bei meinen ersten Boulder-Versuchen. Nun, ein halbes Jahr später, treffe ich den Kletterprofi erneut. Diesmal auf dem Bahnhofsparkplatz in Arth-Goldau. Wir fahren Richtung Süden.

Den Kletter-Lifestyle im Herzen

Drei Stunden später stehen wir auf einem Parkplatz bei Brione. Das Dorf im Verzascatal liegt knapp 800 Meter über Meer oberhalb Locarnos. Einwohner pro Quadratkilometer laut Wikipedia: vier. Hier gibt es mehr Boulder als Menschen.

Und es ist der feuchte Traum jedes Minivan-Herstellers: Opel, VW, Renault und Ford stehen Stossstange an Stossstange. Jeder Bus gehört zu einem anderen Kletterer. Mal luxuriös mit Einbauküche und Etagenbetten in Teakholz ausgebaut, mal spartanisch mit einer Matratze hinten im Laderaum. Aber wie sagt Kevin? «Du musst diesen Lifestyle im Herzen haben. Wenn du einen Boulder machst, kommt es nicht darauf an, was du hast. Da bist du einfach nur am Klettern.»

Kein Lifestyle im Schlafsack

Der Boulder

Dieser Boulder ist einer der Klassiker in Brione. Trotzdem klettert ihn Kevin heute zum ersten Mal. Der Schwierigkeitsgrad wird auf der Fontainebleau-Skala mit 7C angegeben. Wie schwer das ist? Dazu komme ich noch. Es handelt sich um einen Highball. Das ist der Überbegriff für sehr hohe Boulder. Die effektive Höhe kann ich nur schätzen. Er ist beim Ausstieg etwa acht Meter und insgesamt wohl um die zwölf Meter hoch.

«Das Ding sieht geil aus. Da will ich rauf.»

Zwölf Meter in drei Stunden

Wie schwer ist diese Linie also zu klettern? Kevin Huser gewann als Mitglied der Nationalmannschaft an Schweizer Meisterschaften regelmässig Medaillen. An den Jugend-Weltmeisterschaften im Eisklettern holte er 2013 den WM-Titel im Lead und wurde in der Speed-Disziplin Dritter. Er klettert seit über zehn Jahren. Heute scheint er sich jedoch die Zähne an diesem Boulder auszubeissen. Immer wieder wirft ihn der Felsen ab. Und Kevin steht fluchend im Bachbett.

Den Lifestyle auf dem Teller

Abenddämmerung. Wir packen unsere Sachen und machen uns auf den Rückweg zum Parkplatz. Manu, Luca und ich sind müde. Und hungrig. Auf zur nächsten Pizzeria und dann nach Hause. Und Kevin? Der setzt sich mit Vladek in seinen Minivan und meint: «Wir fahren noch zu einem anderen Boulder. Den möchten wir auch schon lange mal probieren. Es gibt noch ein bisschen Tageslicht. Wollt Ihr nicht mitkommen?»

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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