
Hintergrund
Wird Polyester zu Unrecht verteufelt? Eine Textilingenieurin klärt auf
von Stephanie Vinzens
Die sommerliche Reisesaison steht bevor und mit ihr die Frage: Was kommt in den Koffer?! Wenn du textil-technisch besonders sorglos unterwegs sein möchtest, rate ich dir, vorrangig diese drei Materialien einzupacken.
Immer dasselbe: Der Platz im Koffer ist knapp bemessen, auf den letzten Zentimetern muss doch wieder gestopft und gequetscht werden. Am Ferienziel angekommen, ziehst du dann in erster Linie Knitterfalten aus dem Gepäck.
Die gute Nachricht Nummer eins: Du bist im Urli – wen interessiert’s? Gute Nachricht Nummer zwei: Du kannst deine Feriengarderobe strategisch so wählen, dass Falten gar nicht erst entstehen oder ganz pfiffig als beabsichtigt durchgehen. Das gelingt am besten mit diesen drei Materialgruppen – die übrigens noch weitere Reisevorteile mit sich bringen:
Es ist kein Zufall, dass vor allem Funktions- und Sportbekleidung am liebsten aus diesen Kunstfasern hergestellt wird. Denn sie sind leicht, weich und knitterarm. Zudem transportieren sie Feuchtigkeit nach aussen, statt sich vollzusaugen und trocknen um ein Vielfaches schneller als beispielsweise (schwere) Baumwolle. Dank dieser smarten Eigenschaften sparst du also nicht nur Platz und Gewicht im Koffer, sondern auch Nerven in der täglichen Handhabung: Deine Teile aus Modal und recyceltem Polyester werden selbst Langstreckenreisen unbeschadet aka knitterfrei überstehen. Bei Bedarf kannst du sie bedenkenlos waschen und dann ruckzuck wieder tragen.
Es mag im ersten Moment etwas befremdlich klingen, das Sommer-Gepäck mit Wollkleidung zu bestücken. Bis dir bewusst wird, dass Merinowolle super atmungsaktiv ist und bei hohen Temperaturen sogar kühlend wirkt. Sie bildet keine unangenehmen Gerüche, trocknet schnell und noch dazu droht sie nicht zu zerknittern. Platz-technisch zeigt sich Merino dabei sehr bescheiden, lässt sich klitzeklein zusammenlegen und beansprucht im Koffer somit nicht viel Raum. Nenn’ mir ein Material mit besserem Sommerferienpotenzial – ich warte …
Apropos kühlend und atmungsaktiv: Kleidung aus Leinen ist im Grunde eine textile Klimaanlage to go. Ausserdem ist die Naturfaser luftdurchlässig, hypoallergen, antibakteriell und schmutzabweisend. Wird doch mal mit Glace gekleckert, kannst du Leinen gut und gerne bei bis zu 60 Grad (achte schön aufs Etikett!) in die Maschine werfen oder unkompliziert per Hand auswaschen. Und der Knitter-Faktor? Der ist bei Leinenteilen natürlich exorbitant hoch. Doch genau darin liegt ja ihr Charme. Egal ob sitzen, gehen oder stehen – jede Bewegung wird mit ihrer eigenen Falte dokumentiert. Da spielt auch das Knittern im Koffer keine Rolle mehr. Wird es dir optisch doch mal etwas zu wüst, kannst du das «Problem-Kleidungsstück» im feuchten Zustand wieder etwas glatter streichen oder – ebenfalls feucht – auf links bügeln.
Immer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.