Inklay: Ein DIY low-powered Display für mehr Bike to Work
Ratgeber

Inklay: Ein DIY low-powered Display für mehr Bike to Work

Ich pendle regelmässig mit dem Velo nach Zürich. Ob ich den Drahtesel nehme, entscheide ich jeweils morgens mit Blick aufs Wetter. Weil mir keine App zusagt und ich zusätzliche Motivation brauche, baue ich mir mein eigenes Display.

In den wärmeren Monaten fahre ich regelmässig mit dem Bike nach Zürich zur Arbeit. Der Entscheid, ob ich das Velo nehme, passiert in der Regel am frühen Morgen direkt nach dem Aufstehen. Ich prüfe die Wetter-App und entscheide je nach Wetter, Wind und Temperatur spontan. Den Blick in die Wetter-App finde ich jedoch uninspirierend. Es dauert mir ausserdem zu lange, bis ich die für mich wichtigen Daten zusammengesucht habe.

Da entsteht die Idee: Ich möchte die für mich relevanten Wetterinformationen am Morgen direkt sichtbar haben. Zudem sollen mich meine gefahrenen Wochen- und Jahreskilometer zusätzlich motivieren, möglichst häufig aufs Velo zu sitzen.

Eine Eigenbaulösung muss her

Okay, denke ich mir. Ich kaufe ein Tablet und stelle mir eine kleine Website als Dashboard zusammen. Doch mir wird schnell klar: Das möchte ich nicht. Keine weiteren Kabel und Netzstecker im Schlafzimmer. Ich will etwas Schlichtes. Etwas, das einfach da ist, das passiv läuft und um das ich mich nicht kümmern muss.

Irgendwann stosse ich bei meiner Recherche auf E-Ink Displays. E-Ink ist äusserst stromsparend und mir ist schnell klar, dass ich meine Idee damit ohne Kabel und Netzstecker realisieren kann.

Ich suche alle benötigten Komponenten zusammen, bestelle sie und konzipiere in mehreren Monaten ein für mich akzeptables Produkt, das ich auch selbst zusammenbauen werde.

Das fertige Display zeigt mir das Wetter an meinem Standort sowie meine gefahrenen Velokilometer pro Woche und pro Jahr an – Strava-Anbindung sei Dank. Es ist über WiFi mit dem Internet verbunden und holt sich einmal pro Stunde neue Daten, um die Batterie zu schonen. Das Display ist in einen Holzrahmen und ein speziell angefertigtes 3D-Druckgehäuse eingebettet.

Von der Idee zum fertigen Produkt

Nach einer ersten Recherche entdecke ich einige spannende E-Ink-Projekte im Internet. Ich finde Projekte zur Anzeige von Wetterdaten, persönlichen Kalendern und To-Do-Listen. Zu Beginn ist es schwierig, einen Überblick über die verwendete Hardware und Technologien zu bekommen. Mehr und mehr verstehe ich jedoch all die Möglichkeiten und auch deren Grenzen.

Komponenten

Ich entscheide mich für ein E-Ink Display von Waveshare. Zunächst soll es ein Schwarz-Weiss-Display sein. Später bestelle ich mir ein dreifarbiges Display. Das neue Display bietet eine Auflösung von 800 x 576 Pixeln. Ein Refresh des Displays dauert etwa 20 Sekunden.

Das Display kann ich über einen Raspberry Pi oder einen Arduino ansteuern. Waveshare verkauft jedoch ein kleines Entwicklerboard, das mit allen notwendigen Komponenten ausgestattet ist. Es bietet auch eine direkte Schnittstelle zum Display. Der Controller basiert auf dem ESP8266, hat WiFi integriert und kann direkt über die Arduino IDE programmiert werden.

Für die Stromversorgung des Displays und des Controllers verwende ich eine 3,7V-LiPo-Batterie. Diese Batterie bietet 2000 mAh und kann das System gemäss meiner Berechnungen knapp drei Monate lang mit Strom versorgen. Ob das tatsächlich so ist, wird sich in der Praxis zeigen. Den Akku kann ich über USB laden. Das entsprechende Lade-Modul finde ich im Adafruit Online Store.

Code

In der Zwischenzeit habe ich die Komponenten erhalten. Ich kann den ESP8266 Controller nun direkt über die Arduino IDE programmieren. Ich bin allerdings kein Fan davon und finde glücklicherweise eine Extension für VS Code. Es dauert nicht lange und ich zaubere mein erstes «Hello World» auf das Display.

Um Daten aus dem Internet zu empfangen, muss ich eine WiFi-Verbindung herstellen. Die entsprechende ESP8266-WiFi-Bibliothek stellt dafür alle notwendigen Funktionen zur Verfügung. Schnell ist mein Display bereit, Wetterdaten zu empfangen. OpenWeather bietet dafür eine einfache und kostenlose API an. Allerdings ist der Speicher auf dem ESP8266 sehr begrenzt. Die JSON Response von OpenWeather ist manchmal zu gross und das Programm stürzt ab. Die Arduino JSON Library bietet jedoch die Möglichkeit, die Ergebnisse im Voraus zu filtern und nur die benötigten Daten in den Speicher zu laden.

Um Strom zu sparen, kann ich den Controller in einen Tiefschlaf versetzen. Mit der sogenannten Deep-Sleep-Funktion reduziert der Controller alle Aktivitäten und hält nur die absolut notwendigen Prozesse aufrecht, um sich nach einer definierten Zeit selbst aufzuwecken. Ich entscheide mich, das Display nur einmal pro Stunde zu aktualisieren.

Die Integration der Daten aus Strava gestaltet sich etwas komplizierter. Die API ist im Gegensatz zu OpenWeather über HTTPS gesichert. Zudem kann ich persönliche Daten nur dann abrufen, wenn ich mich zuvor bei Strava authentifiziert habe. Dieses Verfahren wird als OAuth 2.0 bezeichnet. Irgendwann klappt auch das und ich habe Zugang zu meinen persönlichen Daten wie Velokilometer, Velotouren und so weiter. Leider gibt es in der API keine Wochenkilometer als API Endpoint. Die muss ich aus meinen letzten Velotouren selber berechnen.

Zum Schluss will ich alle Daten ansprechend auf dem Display anzeigen – soweit dies mit E-Ink möglich ist. Für die Schrift- und Bildanzeige verwende ich die GxEPD2 Library. Diese Bibliothek wird von einem Schweizer entwickelt. Da ich ein neueres Display von Waveshare gekauft habe, hat er freundlicherweise seine Library für mich erweitert.

Display Frame und Gehäuse

Ich bin Holz-Fan. In meiner Wohnung habe ich zahlreiche Holzmöbel. Für mich ist klar, dass ich das Display in einen Holzrahmen einbetten möchte. In einem früheren Projekt habe ich die Möglichkeiten von Laser Cutting und Laser-Gravur kennen gelernt. Diese Dienstleistung bietet das Laser-Atelier in Zürich an. Nach einigen Tests mit verschiedenen Hölzern und Gravurtechniken erteile ich den Auftrag. Das Ergebnis: Ein präzis geschnittener Holzrahmen mit Gravur und einem Sockel für den Controller sowie das USB-Ladegerät.

Etwas komplizierter ist die Herstellung des Gehäuses. Die Waveshare Displays sind nicht mittig zentriert. Ich will aber unbedingt einen gleichmässigen Rahmen haben. Diesen Versatz kann ich mit meinem Gehäuse ausgleichen. Ein Laser Cut ist hier nicht möglich. Ich entschiede mich deshalb für einen 3D-Druck. Hier bekomme ich Unterstützung von einem guten Freund bei Lauschsicht. Mindestens vier Iterationen sind notwendig, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden sind. Ich konstruiere das Gehäuse zunächst in Cinema 4D und wechsle später zu Fusion360. Letzteres eignet sich für solche Arbeiten viel besser.

Zusätzlich verbaue ich zwei Schalter. Der erste Schalter dient zum Ein- und Ausschalten des Displays. Und mit dem zweiten kann ich den Deep Sleep Mode unterbrechen. Denn während der Entwicklung oder beim Debugging will ich nicht, dass sich der Controller jeweils nach ein paar Sekunden wieder in den Tiefschlaf verabschiedet.

Für den Zusammenbau lege ich das Display ins Gehäuse und verklebe es mit dem Holzrahmen. Den Controller klebe ich ebenfalls auf dem Sockel fest. Den USB-Charger und die Schalter verlöte ich fest mit dem Controller. Der Zusammenbau eines einzelnen Displays dauert etwa eine Stunde.

Ein paar Statistiken zu meinem Projekt

  • Ein Laserschnitt inklusive Gravur dauert etwa 30 Sekunden – ja, das ist unglaublich schnell.
  • Die Code-Kompilierung dauert etwa 2 Minuten.
  • Ein 3D-Print des Gehäuses dauert etwa 4 Stunden.
  • Die Lieferung einer Adafruit-Batterie aus den USA dauert 2 Tage.
  • Die Lieferung eines Waveshare Displays aus China dauert 2 bis 3 Wochen.

Was habe ich gelernt?

Das Projekt ist in erster Linie ein persönliches Projekt. Die Idee entsteht während dem ersten Corona Lockdown im Frühling. Jetzt kann ich behaupten: Ich habe unglaublich viel gelernt. Ich habe mich mit Technologien beschäftigt, mit denen ich vorher kaum oder noch nie gearbeitet habe. Die Lernkurve ist steil und der Spassfaktor entsprechend hoch. Es fühlt sich zudem unglaublich gut an, etwas zu erschaffen, das ich selbst gemacht und in meinen eigenen Händen halten kann. Als Designer und Software-Entwickler mache ich das sonst nicht sehr oft. Und das Beste daran: Ich habe seither viel mehr Fahrradtouren gemacht.

Es reizt mich auf jeden Fall, das Projekt weiter voranzutreiben. Ich habe bereits einige spannende Ideen hierzu. Zum Beispiel eine Companion-App, mehr Integrationen, mehr Sportarten, Daten von Freunden, spannende und unterhaltsame Statistiken und vieles mehr.

Das Produkt eignet sich auch für andere Anwendungen. Ein Familienkalender im Wohnzimmer beispielsweise, oder ein Regenradarbild an der Garderobe. Was hast du für Ideen? Schreib's mir in die Kommentarspalte.

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Ich arbeite als selbständiger Designer und Entwickler. Ich bin zudem Gründer von Vision 11, einem kleinen Design-Studio für digitale Erlebnisse in Zürich. Vision 11 schafft herausragende, interaktive und immersive Erlebnisse für nationale und internationale Kunden.

www.vision11.ch
 


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