Die Zürcher Innenarchitektin in ihrem Studio, das auf Corporate Architecture, Innenarchitektur und Design spezialisiert ist. Bild: ⓒ Catherine Gailloud
Hintergrund

Im Gespräch mit der Innenarchitektin Mia Kepenek

Pia Seidel
18.1.2019

Mia’s Auftreten weckt in mir den Wunsch, neben ihr stehen zu wollen, um von ihrer positiven Ausstrahlung was abzubekommen. Auch ihr Portfolio steht ihrer Erscheinung in nichts nach. Du wirst in Wohnungen, die die facettenreiche Innenarchitektin gestaltet hat, einziehen wollen.

Nachdem ich Mia Kepenek zum ersten Mal an der Mailänder Möbelmesse getroffen und ihre Arbeit betrachtet habe, konnte ich es kaum erwarten, sie zurück in Zürich zu besuchen und sie mit Fragen zu löchern. Denn die Liste ihrer Projekte ist lang und vielseitig. Sie umfasst Möbelierungskonzepte, Ausstellungsdesigns sowie Shop-, Büro-, Wohnungsgestaltung und Ausbau.

Ich treffe sie kurz vor dem Mittag in ihrem Büro in der Binz. Einem Zürcher Quartier, in dem sich viele kreative Studios niederlassen. Meine Erwartungen sind dementsprechend hoch und werden sogar übertroffen: Mia Kepeneks Gespür für Design und Wohnlichkeit überträgt sich selbst in einen Coworking Space, den sie mit anderen Architekten und Grafikern teilt. Mit Apothekerflaschen oder charmanten Flaschenöffnern, die als Skulpturen durchgehen, haucht sie dem Open Space Persönlichkeit ein.

Mia's Repertoire erstreckt sich von Restaurationskünsten... Bild: ⓒ Claudia Klein
Mia's Repertoire erstreckt sich von Restaurationskünsten... Bild: ⓒ Claudia Klein
...bis hin zur Bühnenbildgestaltung. Bild: ⓒ Catherine Gailloud
...bis hin zur Bühnenbildgestaltung. Bild: ⓒ Catherine Gailloud

Ursprünglich hast du eine Schreinerlehre gemacht. Was hat dich später dazu gebracht, Innenarchitektin zu werden?
Mia Kepeneks, Architektin: Eigentlich wollte ich nach der Schule in Stuttgart zu meinem Bruder nach Australien auswandern. Mit einer handwerklichen Ausbildung sollte man dort bessere Chancen haben. Deswegen habe ich mich zunächst für eine Schreinerlehre entschieden – zum Entsetzen meiner Eltern. Ich bin aber bis heute in Europa geblieben. Die Lehre hat mir äusserst gut gefallen und ich habe dabei alle Aspekte vom Möbelbau bis zur Montage gelernt. Das war der erste wichtige Grundbaustein meiner Laufbahn. Da ich schon immer ein vielfältiges Interesse an Räumen, ihren Bewohnern und deren Identitäten hatte, waren das Innenarchitektur- und Szenografiestudium die nächsten logischen Schritte für mich. Danach habe ich dann noch Architektur studiert. Meine Liebe zum Handwerk habe ich nebenher weiter ausüben können, indem ich zum Beispiel moderne und zeitgenössische Möbel restaurierte.

Glaubst du, dir würde heute etwas fehlen, wenn du den direkten Weg zur Innenarchitektur gegangen wärst?
Ich bin sehr froh über meinen Background und den individuellen Weg, den ich gegangen bin. Durch die Schreinerlehre habe ich heute ein besseres Verständnis fürs Handwerk und für echte Materialien. Das fliesst auch in meine Projekte mit ein. Die Lehre hat aber nicht nur meine Handschrift geprägt, sondern ist bei meiner heutigen Arbeit oft auch in der Kommunikation mit Dienstleistern von grossem Vorteil. Sie war eine Schule fürs Leben und bietet mir ein gutes Fundament. Durch meinen vielseitigen Background ist es mir möglich, unkonventionell an Projekte heranzugehen und das grosse Ganze im Auge zu behalten. Auch meine Ausbildung zur Szenografin und meine Erfahrungen im Bühnen- und Szenenbild spielen dabei eine grosse Rolle.

Immer griffbereit: Stoffmuster
Immer griffbereit: Stoffmuster
Gemeinsamer Essbereich inmitten aller Arbeitsräume.
Gemeinsamer Essbereich inmitten aller Arbeitsräume.

Welche Projekte interessieren dich zurzeit?
Ich interessiere mich besonders für Corporate Architecture und -Identities von Firmen aber auch von privatem Wohnraum. Heutzutage findet eine immer grössere Vermischung zwischen öffentlichem und privatem Raum statt. Grund hierfür ist der vor allem in den Städten immer knapper werdende Lebensraum und die immer flexibler werdenden Lebenskonzepte. Diese «neuen« Lebensräume zu bespielen, ist eine spannende Herausforderung für mich. Es stellt sich immer öfter die Frage, wo privater Raum anfängt, wo er aufhört und wo es Überschneidungen geben kann und soll.

Wie würdest du das Corporate Design deines Studios und deine persönliche Handschrift beschreiben?
Das Corporate Design meines Büros habe ich bewusst schlicht und zeitlos gehalten, es sind die individuellen Projekte die hier zur Geltung kommen sollen. Ein zu auffälliges CD würde nur ablenken. Bei den Portraits von mir und meinem Team war es mir aber wichtig, nicht zu uniformieren, sondern Authentizität zu zeigen. Diese zeichnet auch die in meinen Projekten sichtbare Handschrift aus.

Musterloft 1.03. «Feinspinnerei», Windisch (2017), Möblierungskonzept, Umsetzung «Kepenek GmbH»  , Auftraggeber: HIAG Immobilien Schweiz AG. Bild: ©Luca Zanier
Musterloft 1.03. «Feinspinnerei», Windisch (2017), Möblierungskonzept, Umsetzung «Kepenek GmbH» , Auftraggeber: HIAG Immobilien Schweiz AG. Bild: ©Luca Zanier
Der Beistelltisch «Trace» für Strasserthun. Bild: ⓒ Strasserthun
Der Beistelltisch «Trace» für Strasserthun. Bild: ⓒ Strasserthun

Zuletzt hast du gemeinsam mit dem Materialhersteller «Strasserthun» einen Tisch entwickelt und damit den German Design Award 2018 in der Rubrik «Excellent Product Design» gewonnen. Inwiefern sind für dich Produktdesign und Innenarchitektur verbunden?
Für mich gibt es eine sehr starke Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen. Bei einem Innenarchitekturprojekt steht immer die spätere Nutzung des Raumes im Vordergrund. Deswegen denken wir Produkte von vornherein mit. Da heutzutage Räume oft mehrfach bespielt werden, löst man sich mehr und mehr von festen Einbauten und die flexiblen, veränderbaren Elemente gewinnen an Bedeutung. Für gewisse Projekte entwickeln wir massgeschneiderte Produkte selber. Manchmal entstehen aber auch Produkte, die später in Serie produziert werden wie der Tisch in Zusammenarbeit mit «Strasserthun».

Ein Moodboard für ein aktuelles Projekt.
Ein Moodboard für ein aktuelles Projekt.
Gewusst wie: Pläne sind das Mittel zum Zweck.
Gewusst wie: Pläne sind das Mittel zum Zweck.

Wie gelingt es dir auf Kunden einzugehen, auch wenn sie eigenwillige Vorstellungen haben?
Jedes Projekt ist einzigartig für mich und so auch meine Herangehensweise. Ich versuche die richtigen Elemente so zu kombinieren, dass die Individualität und die Bedürfnisse meiner Kunden optimal zur Geltung kommen. Eigenwillige Vorstellungen sind da mehr als willkommen, werden aufgegriffen und dürfen mit einfliessen. Natürlich gibt es auch solche, die nicht umsetzbar sind, da sie nicht funktional oder technisch nicht machbar sind beziehungsweise den finanziellen Rahmen sprengen. Hier helfen mir dann mein handwerkliches und technisches Wissen und viele Jahre Erfahrung bei der Überzeugung meiner Kunden.

Stellst du heute im Vergleich zum Beginn deiner Karriere einen Wandel bei den Ansprüchen deiner Kunden fest?
Unsere Lebensräume spiegeln immer den sozialen und kulturellen Zustand unserer Gesellschaft wieder. Meine Projekte sind heute mehr denn je von Wandlung, Individualisierung und Komplexität geprägt. Im Vergleich zum Beginn meiner Karriere gewinnen neue Wohnformen an Bedeutung. Hybride Orte, ganzheitliche Raumerlebnisse, Smart Living und gesundes Wohnen sind Aspekte, die wir heutzutage bei unserer Arbeit miteinbeziehen müssen. Dadurch sind die Aufgaben vielschichtiger und komplexer geworden. Aber auch wirtschaftliche Aspekte und Abhängigkeiten haben an Bedeutung gewonnen.

Du bist bereits seit sechs Jahren selbstständig. Was schätzt du am meisten daran, deine eigene Chefin zu sein?
Als selbstständige Innenarchitektin kann ich meine Aufgabenfelder selber definieren und entscheiden, wo ich mein Spezialwissen einbringen möchte. Ich habe eine grössere Verantwortung aber gleichzeitig auch mehr Entscheidungsfreiheit und Spielraum für individuelle Projekte. Ich arbeite sehr vernetzt und auf spezifischen Projekten mit verschiedenen Spezialisten zusammen – diese kann ich selber aussuchen, eigene Impulse geben und die Projekte so lenken, wie ich es möchte und sinnvoll finde.

Ein Flaschenöffner mit Charme.
Ein Flaschenöffner mit Charme.
Selbst Stifte werden bei Mia gekonnt in Szene gesetzt.
Selbst Stifte werden bei Mia gekonnt in Szene gesetzt.

Mia Kepenek ist um ihre berufliche Freiheit zu beneiden – und die, die sich in den Projekten, die sie gestaltet hat, bewegen dürfen. Folge ihr auf Instagram für Einblicke in ihre Arbeit oder stelle ihr deine Einrichtungsfragen in der Kommentarspalte.

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Titelbild: Die Zürcher Innenarchitektin in ihrem Studio, das auf Corporate Architecture, Innenarchitektur und Design spezialisiert ist. Bild: ⓒ Catherine Gailloud

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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