Hintergrund

Im Abwechslungsreich

Michael Restin
1.11.2019
Bilder: Thomas Kunz

Ringsum das grosse Rauschen der Rheinschlucht, samtgrüne Wälder, schroffe Felswände und rundgespülte Steine. Unten ein Kajak in der Strömung. Und hinten ein singender Mann, der Wildwasserfahren mit Musizieren vergleicht. Na dann: Spiel mir das Lied vom Boot.

«Wir waren an Orten, von denen du genau weisst, dass ausser ein paar Paddlern noch nie ein Mensch vorbeigekommen ist.»

Im Paddel-Express

Und so ein RhB-Automat schafft, was kein Abgrund und kein Wasserfall kann: Er bringt Ruedi aus der Ruhe. In welchem Untermenü sich der Preis für unser Sportgepäck versteckt, ist schwieriger zu ergründen als jede Stomschnelle. Dafür ist schon die Fahrt ein Erlebnis. Wir wuchten die Kajaks in den Gepäckwagon und stehen auf dem Weg nach Ilanz am Fenster, während draussen der welliger werdende Rhein vorbei rauscht und die Vorfreude steigt.

Auf dem Trockenen

In der Strömung

Ein paar Paddelschläge nur, schon gleiten wir mitten im Strom. Er fliesst an dieser Stelle noch ruhig, aber der Sog nimmt zu und das Rauschen auch. Über Untiefen und Steine hinweg paddle ich mehr auf Verdacht als durchdacht und warte auf Kommandos, wissend, dass Ruedi uns mit druckvollen Schlägen rechtzeitig auf Kurs bringt.

Wir rumpeln über rundgespülte Steine und fahren diagonal zur Strömung, neigen uns und schnellen wieder zurück. Ich höre «Felsen!», «Kehrwasser!» und «paddeln, paddeln, paddeln!», dann glaube ich das erste Mal, dass wir kentern. Tun wir aber nicht. Ruedi hat uns lediglich aus der Strömung manövriert und ich spüre, dass hier ganz viel aus der Hüfte passiert, dass die Schräglage im Kajak keine Notlage, sondern notwendig ist.

«Das Kehrwasserfahren ist überlebenswichtig», trichtert Ruedi mir ein. Hinter Hindernissen, wo sich die Strömung verlangsamt oder umkehrt, tut sich ein natürlicher Zufluchtsort auf, den jeder Paddler erreichen können muss. Zum Ausruhen, flussaufwärts fahren und neu orientieren, bevor es wieder ins Wildwasser geht. Also üben wir.

Im Wildwasser

Wenn die Kajakspitze eintaucht, Wasser gegen die Brust klatscht und die Steine rundherum in weichen Wellen und Wirbeln umspült, ist es schwer, kein Lächeln im Gesicht zu haben. Alles beginnt zu rauschen, und die Sinne tanzen im Takt der Elemente. Der Sog fühlt sich lebendig an und verleitet dazu, sich weiter und immer weiter mitreissen lassen zu wollen.

Das Wasser wählt den Weg des geringsten Widerstands. Es hat nur diese eine Möglichkeit. Der Paddler dagegen viele, was fatale mit einschliesst. «Du lernst mit der Zeit, mit dem Wasser zu spielen», sagt Ruedi. «Es ist wie Flöte spielen.» Was in meinen Ohren ein grosses Rauschen ist, ist in seinen Musik.

Im Strömungslehre-Seminar

In ruhigen Gewässern

Wir lassen uns treiben. Das Wasser schäumt nicht mehr und nimmt sich zurück, als ob es der Schlucht nicht die Show stehlen wollte. Die Ruinaulta erhebt sich majestätisch und wir, die wir nicht lange zuvor von oben auf sie herabgeblickt haben, legen den Kopf in den Nacken. Vier Wassermänner geniessen die Froschperspektive, die ständigen Perspektivwechsel, die sich bieten, wenn alles im Fluss ist.

Unter Wasser

Selbst erleben

Unser Trip führte von Versam-Safien mit der Rhätischen Bahn nach Ilanz und von dort auf dem Wasserweg zurück zum Ausgangspunkt. Das ist der wildere Teil des Vorderrheins, die anschliessende Strecke von Versam nach Reichenau ist ruhiger. Wer selbst nicht sicher im Wildwasser unterwegs ist, holt sich fachkundige Begleitung ins Boot oder erlebt die Rheinschlucht beim Rafting.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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