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Ich habe Vorurteile: Canon EOS R8 im Test

Als ich Daten und Bilder von Canons neuer Budget-Vollformatkamera sehe, bin ich skeptisch. Der Praxistest entkräftet einige meiner Vorurteile, erhärtet andere dafür.

Stattdessen prüfe ich meine drei Vorurteile und teste, wie schlimm die Abstriche der neuen Kamera in der Praxis sind.

1. Vorurteil: Schlechtere Bedienung

Ich habe in meinem Leben schon mit unzähligen Kameras von allen möglichen Herstellern fotografiert. Dabei habe ich gelernt: Art und Anordnung von Knöpfen sind zu einem grossen Teil Geschmacksache. Und man gewöhnt sich an vieles. Ich versuche deshalb zu unterscheiden zwischen Sachen, die ungewohnt sind und Sachen, die immer umständlich oder unbequem bleiben.

Zur Kategorie «ungewohnt, aber okay» gehört das Button-Layout der R8. Der AF-ON-Knopf befindet sich zum Beispiel rechts vom Daumen statt links wie bei anderen Canon-Kameras. Auf der Oberseite übernimmt die Kamera den dedizierten Switch zwischen Foto- und Videomodus von der R6 Mark II. Auch der Off-Lock-On-Schalter ist der gleiche. Durch Menüs klicke ich mich mit dem Steuerkreuz. Das finde ich für die Navigation sogar angenehmer als Joystick oder Daumenrad.

Das ändert sich schlagartig, wenn ich einen Fokuspunkt manuell verschieben muss. Auch das muss ich mit dem Steuerkreuz machen. Es hat aber nur 4 Richtungen und nicht 8 wie mein geliebter Joystick der R6 Mark II. Dieser ist zudem perfekt neben der Ruheposition meines Daumens platziert. Das Kreuz der R8 ist mit der Kamera am Auge viel schlechter erreichbar. Das nervt und landet in der Schublade «nachhaltig unpraktisch».

Wie stark würden mich diese Abstriche langfristig stören? Das ist schwer zu sagen. Das mangelnde Daumenrad könnte ich wohl verschmerzen, den fehlenden Joystick weniger. Allerdings ist Canons Autofokussystem so gut, dass ich immer seltener zum Einzelpunkt wechsle. Unter dem Strich hat sich mein Vorurteil deshalb zwar bestätigt, aber die Nachteile sind kleiner als befürchtet.

2. Vorurteil: Fehlende Features

Die R8 nutzt zudem den sehr kleinen LP-E17-Akku. Er hat nur knapp halb soviel Kapazität wie der Akku der R6 Mark II. Dementsprechend schlechter ist die Laufzeit. Die offizielle Angabe beträgt 150 Bilder mit dem elektronischen Sucher. Bei der grossen Schwester sind es 320.

Apropos Sucher: Auch der ist merklich schlechter als bei der R6 Mark II. Mit 2,36 Millionen Bildpunkten hat er über eine Million weniger. Und die Vergrösserung ist mit einem Faktor von 0,7 auch nicht das Gelbe vom Ei. So finde ich es schwieriger, die Schärfe richtig zu beurteilen. Viewfinder dieser Art erinnern mich an die frühen Zeiten spiegelloser Kameras und lassen mich die guten alten optischen Sucher vermissen.

Ich habe mich in den letzten Jahren so sehr an die omnipräsente Stabilisierung gewöhnt, dass die R8 in dieser Hinsicht altertümlich wirkt. Plötzlich kann ich mit einer Festbrennweite nicht mehr mit 1/10 Sekunde aus der Hand fotografieren. Ich muss an einem trüben Tag im Wald die ISO hochschrauben. Das geht mir total gegen den Strich und bestätigt deshalb zusammen mit den anderen Abstrichen mein Vorurteil der mangelnden Features.

3. Vorurteil: Unergonomisch

Das Material fühlt sich gewohnt hochwertig an. Für die Gummierung der Griffe muss ich Canon ein weiteres Kränzchen winden. Sie sind rutschfester als bei anderen Kameras. Insgesamt halte ich die R8 deshalb lieber in der Hand, als ich gedacht hätte. Erst mit grossen Objektiven würde sich das ziemlich sicher ändern.

Fazit: Schlechter, aber nicht schlecht

Dem gegenüber steht eine sehr gute Bildqualität für diese Preisklasse. Sowohl Fotos als auch Videos sehen genau gleich gut aus wie die der R6 Mark II. Vollformat-Qualität im Oversampling-Verfahren ohne Crop in 4K mit 60 FPS bekommst du nirgends sonst so günstig. Auch der Autofokus ist auf dem neuesten Stand der Technik.

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.


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