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Helm versus Haare: Der Style Guide für Biker

Beim Zwischenstopp mit dem Motorrad siehst du in der Regel aus wie ein explodiertes Schaf. Barber Sorin Dumitrica zeigt dir, wie du die Frisur auch unter dem Helm möglichst unter Kontrolle hast.

Die Sonne scheint. Du bist auf deinem Töff unterwegs. Da ist ein Restaurant. Oder ein Kiosk. Du blinkst. Die Wärme unter deinem Sattel steigt auf. Egal. Da ist ein Getränk. Du killst den Motor. Ständer runter. Steigst ab. Du ziehst den Helm aus. Wind weht dir um die Ohren.

Du siehst aus wie ein explodiertes Schaf.

Deine Haare stehen auf den Seiten wild ab, sind oben flachgedrückt. Die Frisur, die du dir am Morgen hergerichtet hast, ist zunichte.

Er kennt das Phänomen Helmet Hair nur zu gut. Und er hat ein Rezept dagegen. Es ist eine Mischung aus Kleidung und Styling. Und, wenn du magst, eine Frage des Haarschnitts.

Das eine Kleidungsstück, das du brauchst

«Socke», sagt Sorin während er mit geschwinden Handbewegungen einem jungen Mann einen Fade verpasst, unten kurz, dann gegen oben stetig länger. Kamm, Maschine, Kamm, Maschine.

Damit meint der Barber mit den schulterlangen Haaren und dem Bart aber nicht die Socke für die Füsse. Er spricht von dem Kleidungsstück, das Biker als «Socke» bezeichnen. Offiziell heisst das Ding «Schlauchschal» oder, etwas neudeutscher, «Neck Tube».

Die Socke kann vielseitig verwendet werden. Als Schal um den Hals. Als Mundschutz, wenn du dir das elastische Material über die Nase ziehst. Oder als Kopftuch, wenn du sie so trägst, als wenn du dir eine Kapuze überziehst.

«Bei langen Haaren ist das die einzige Chance, dass du einigermassen okay aus deinem Helm kommst», sagt Sorin, mittlerweile mit der Schere am Werk. Kamm, Schnipp, Kamm, Schnapp. Er scherzt mit dem jungen Mann, dessen schwarzes Haar im Eiltempo kürzer wird.

Er rät dazu, nach dem Haarstyling die Produkte etwas einwirken zu lassen, dann die Socke als Kapuze – «So wie ein Grosi-Kopftuch» – zu tragen.

Im Video des Herstellers des de facto Standards der Schlauchschals – ja, da gibt es einen de facto Standard, wer hätte das gedacht – wird die Tragevariante als «Balaclava»-Style beschrieben. Klingt wohl etwas hart-männlicher als «Grosi Style».

Pomade, kein Gel

Unter der Socke muss die Frisur natürlich sitzen. Bei ganz langem oder ganz kurzem Haar ist das weniger das Problem, bei einem modischen Herrenhaarschnitt hingegen schon.

«Du weisst schon, die halblangen Haare, die du jeden Morgen stylen musst», sagt Sorin. Er scheint mit den Haaren des Mannes zufrieden zu sein. Ein paar letzte Anpassungen, ein paar letzte Härchen da und dort.

Natürlich hat Sorin Favoriten. Er macht schnell eine Runde Kaffee, serviert und geht zu einem Schrank, der aussieht, als ob er einem Western entsprungen ist. Altes Holz, dunkel, Glaspanels in den Türen. Darin sind Dosen und Fläschchen für jeden Haartyp und jede Haarlänge.

Sorin schaut mir auf meinen Haarschopf, gibt mir zwei Pomaden mit. «Probier die mal und sag mir, wie das für dich funktioniert.»

Mootes 20 Pomade

Sorin schwört auf das Schweizer Label Mootes aus Zürich. Er fasst sich kurz: «Gute Zutaten, guter Halt, guter Duft.» Er öffnet die Dose, der Duft von Kokosnuss mit einer leicht minzigen (?) Note strömt aus.

Mootes 20: Die Zutaten

Bei Pflegeprodukten solltest du vor der Erstanwendung immer auf die Zutaten schauen. Denn jede Zutat kann Allergien auslösen oder birgt Gesundheitsrisiken. Egal wie klein diese Risiken sind, gerade bei Produkten, die eigentlich nur dazu da sind, dich schöner aussehen zu lassen, solltest du diesen Risiken gegenüber kritisch sein.

Heisst das, du sollst die Finger davon lassen? Nein, ja, vielleicht. Das kommt auf deine Risikobereitschaft an. Es gibt Leute, die spritzen sich Nervengifte, andere die sich nichts chemisches auf die Haut schmieren. Irgendwo dazwischen sind wir alle. Daher gebe ich dir Wissen und überlasse die Entscheidung dir. Eine kurze Nachfrage bei Mootes ergibt, dass die Dosierungen in allen Pomaden weit unter der gefährlichen Dosis liegen.

In der Anwendung

Die Pomade ist cremig, hat eine angenehme Konsistenz. Das macht die Dosierung leicht. Denn bei Pomade gilt: Weniger ist mehr. Wenn du mehr Pomade nimmst, dann kann sich ein Film auf deinem Haar bilden, der nicht so recht trocknen will. Daher beginne mit einer fingernagelgrossen Menge, massier sie in dein Haar ein und dann nimm mehr Pomade nach Bedarf.

Mootes 20 riecht aus der Dose etwas stark, der Duft setzt sich aber nur ganz wenig im Haar fest. Du riechst die Pomade zwar bei gewissen Bewegungen, aber es ist nicht so, dass du wie eine Import Parfümerie riechend durch den Tag gehst.

Mootes 20 ist helmtauglich, aber wenn du eine längere Töff-Tour machst, dann empfehle ich, eher ein bisschen mehr Pomade zu verwenden als an einem helmlosen Tag. Allerdings ist mein Haar eher auf der widerspenstigen Seite des Lebens. Doch nach etwa fünf Zwischenhalten mit Helm an- und ausziehen ist es dann auch mit der Frisur vorbei.

Im Helm selbst bleiben länger keine spürbaren Rückstände, aber ein Geruch kann haften bleiben. Das bedeutet zwangsläufig, dass Rückstände im Helm bleiben. Verklebt oder so werden die Innenpolster aber nicht. Auch auf dem Schutzmaterial, das im Helm offen ist, bleibt nichts zurück.

Es ist möglich, dass die Polster mit längerer Benutzung in Kombination mit Mootes 20 verkleben, aber da fehlen mir die Langzeitdaten.

Reuzel Clay Matte

Wenn du dich nur ansatzweise mit Pomaden beschäftigst, dann triffst du schnell auf den Namen Reuzel, ausgesprochen «Ruhtsel». Zwei Barber aus Holland haben mit ihren Bart- und Haarpflegeprodukten mehr oder weniger den de facto Standard der Szene geschaffen. Kein Wunder also empfiehlt Sorin eine Reuzel-Pomade.

Reuzel Clay Matte: Die Zutaten

In der Benutzung

Weniger ist bei Reuzel Clay Matte Pomade definitiv mehr. Fang mal mit etwas weniger als einer fingernagelgrossen Menge an, dann mehr nach Bedarf. Vor allem hinten oben am Kopf muss ich oft nachtragen, damit die Biker-Frisur sitzt. Anders als die Pomade von Mootes verklebt sie die Haare gerne etwas. Du bist also schnell so im Territorium eines Wet Look.

Der Halt aber ist gegeben, keine Frage. Reuzel wäre nicht Reuzel wenn die Pomade fertiger Chabis wäre. Nach einem langen und heissen Tag mit mehr als einer Handvoll Zwischenstopps aber streckt auch Reuzel die Waffen. Du siehst dann immer noch halbwegs okay aus, was sicherlich besser ist als komplett verzottelt, aber den 24 Stunden «Sittz bei Orkanböen und Meteoritenhagel»-Look kriegst du mit der Pomade nicht hin.

Dafür riecht sie herrlich minzig mit einem flüchtigen Duft. Also auch hier: Du wirst nicht zur Parfümerie dank Pomade.

Apropos Helm

Egal, wie gut die Pomade im Haar hält, du kannst davon ausgehen, dass irgendetwas in deinem Helm hängen bleibt. Früher oder später wird dein Helmpolster nicht nur voller Schweiss und toter Hautzellen sein – ja, das geschieht, machen wir uns nichts vor – sondern auch Pomade drin haben.

«Kein Problem», sagt Sorin, «Socke.»

Denn wenn es nur um den Helm geht, dann schützt du die Polster innen am besten, indem dass du dir einen Schlauchschal über den Kopf ziehst. Doch früher oder später musst du die Polster eh waschen.

Wenn du deinen Style schnell auffrischen willst, rät Sorin zu einem Kamm in der Tasche, ein bisschen Wasser und schnell restylen.

Sorin putzt dem jungen Mann die Härchen vom Nacken, zieht ihm den Umhang auf dem Friseurstuhl aus und sagt:

«Siehst gut aus, Helm ist sauber. Was willst du mehr?»

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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