
Ratgeber
Glatt von der Achsel bis zum Südpol: So geht männliche Körperhaarentfernung
von Stephan Lamprecht
Beim Zwischenstopp mit dem Motorrad siehst du in der Regel aus wie ein explodiertes Schaf. Barber Sorin Dumitrica zeigt dir, wie du die Frisur auch unter dem Helm möglichst unter Kontrolle hast.
Die Sonne scheint. Du bist auf deinem Töff unterwegs. Da ist ein Restaurant. Oder ein Kiosk. Du blinkst. Die Wärme unter deinem Sattel steigt auf. Egal. Da ist ein Getränk. Du killst den Motor. Ständer runter. Steigst ab. Du ziehst den Helm aus. Wind weht dir um die Ohren.
Du siehst aus wie ein explodiertes Schaf.
Deine Haare stehen auf den Seiten wild ab, sind oben flachgedrückt. Die Frisur, die du dir am Morgen hergerichtet hast, ist zunichte.
Er kennt das Phänomen Helmet Hair nur zu gut. Und er hat ein Rezept dagegen. Es ist eine Mischung aus Kleidung und Styling. Und, wenn du magst, eine Frage des Haarschnitts.
«Socke», sagt Sorin während er mit geschwinden Handbewegungen einem jungen Mann einen Fade verpasst, unten kurz, dann gegen oben stetig länger. Kamm, Maschine, Kamm, Maschine.
Damit meint der Barber mit den schulterlangen Haaren und dem Bart aber nicht die Socke für die Füsse. Er spricht von dem Kleidungsstück, das Biker als «Socke» bezeichnen. Offiziell heisst das Ding «Schlauchschal» oder, etwas neudeutscher, «Neck Tube».
Die Socke kann vielseitig verwendet werden. Als Schal um den Hals. Als Mundschutz, wenn du dir das elastische Material über die Nase ziehst. Oder als Kopftuch, wenn du sie so trägst, als wenn du dir eine Kapuze überziehst.
«Bei langen Haaren ist das die einzige Chance, dass du einigermassen okay aus deinem Helm kommst», sagt Sorin, mittlerweile mit der Schere am Werk. Kamm, Schnipp, Kamm, Schnapp. Er scherzt mit dem jungen Mann, dessen schwarzes Haar im Eiltempo kürzer wird.
Er rät dazu, nach dem Haarstyling die Produkte etwas einwirken zu lassen, dann die Socke als Kapuze – «So wie ein Grosi-Kopftuch» – zu tragen.
Im Video des Herstellers des de facto Standards der Schlauchschals – ja, da gibt es einen de facto Standard, wer hätte das gedacht – wird die Tragevariante als «Balaclava»-Style beschrieben. Klingt wohl etwas hart-männlicher als «Grosi Style».
Unter der Socke muss die Frisur natürlich sitzen. Bei ganz langem oder ganz kurzem Haar ist das weniger das Problem, bei einem modischen Herrenhaarschnitt hingegen schon.
«Du weisst schon, die halblangen Haare, die du jeden Morgen stylen musst», sagt Sorin. Er scheint mit den Haaren des Mannes zufrieden zu sein. Ein paar letzte Anpassungen, ein paar letzte Härchen da und dort.
Natürlich hat Sorin Favoriten. Er macht schnell eine Runde Kaffee, serviert und geht zu einem Schrank, der aussieht, als ob er einem Western entsprungen ist. Altes Holz, dunkel, Glaspanels in den Türen. Darin sind Dosen und Fläschchen für jeden Haartyp und jede Haarlänge.
Sorin schaut mir auf meinen Haarschopf, gibt mir zwei Pomaden mit. «Probier die mal und sag mir, wie das für dich funktioniert.»
Sorin schwört auf das Schweizer Label Mootes aus Zürich. Er fasst sich kurz: «Gute Zutaten, guter Halt, guter Duft.» Er öffnet die Dose, der Duft von Kokosnuss mit einer leicht minzigen (?) Note strömt aus.
Bei Pflegeprodukten solltest du vor der Erstanwendung immer auf die Zutaten schauen. Denn jede Zutat kann Allergien auslösen oder birgt Gesundheitsrisiken. Egal wie klein diese Risiken sind, gerade bei Produkten, die eigentlich nur dazu da sind, dich schöner aussehen zu lassen, solltest du diesen Risiken gegenüber kritisch sein.
Heisst das, du sollst die Finger davon lassen? Nein, ja, vielleicht. Das kommt auf deine Risikobereitschaft an. Es gibt Leute, die spritzen sich Nervengifte, andere die sich nichts chemisches auf die Haut schmieren. Irgendwo dazwischen sind wir alle. Daher gebe ich dir Wissen und überlasse die Entscheidung dir. Eine kurze Nachfrage bei Mootes ergibt, dass die Dosierungen in allen Pomaden weit unter der gefährlichen Dosis liegen.
Die Pomade ist cremig, hat eine angenehme Konsistenz. Das macht die Dosierung leicht. Denn bei Pomade gilt: Weniger ist mehr. Wenn du mehr Pomade nimmst, dann kann sich ein Film auf deinem Haar bilden, der nicht so recht trocknen will. Daher beginne mit einer fingernagelgrossen Menge, massier sie in dein Haar ein und dann nimm mehr Pomade nach Bedarf.
Mootes 20 riecht aus der Dose etwas stark, der Duft setzt sich aber nur ganz wenig im Haar fest. Du riechst die Pomade zwar bei gewissen Bewegungen, aber es ist nicht so, dass du wie eine Import Parfümerie riechend durch den Tag gehst.
Mootes 20 ist helmtauglich, aber wenn du eine längere Töff-Tour machst, dann empfehle ich, eher ein bisschen mehr Pomade zu verwenden als an einem helmlosen Tag. Allerdings ist mein Haar eher auf der widerspenstigen Seite des Lebens. Doch nach etwa fünf Zwischenhalten mit Helm an- und ausziehen ist es dann auch mit der Frisur vorbei.
Im Helm selbst bleiben länger keine spürbaren Rückstände, aber ein Geruch kann haften bleiben. Das bedeutet zwangsläufig, dass Rückstände im Helm bleiben. Verklebt oder so werden die Innenpolster aber nicht. Auch auf dem Schutzmaterial, das im Helm offen ist, bleibt nichts zurück.
Es ist möglich, dass die Polster mit längerer Benutzung in Kombination mit Mootes 20 verkleben, aber da fehlen mir die Langzeitdaten.
Wenn du dich nur ansatzweise mit Pomaden beschäftigst, dann triffst du schnell auf den Namen Reuzel, ausgesprochen «Ruhtsel». Zwei Barber aus Holland haben mit ihren Bart- und Haarpflegeprodukten mehr oder weniger den de facto Standard der Szene geschaffen. Kein Wunder also empfiehlt Sorin eine Reuzel-Pomade.
Weniger ist bei Reuzel Clay Matte Pomade definitiv mehr. Fang mal mit etwas weniger als einer fingernagelgrossen Menge an, dann mehr nach Bedarf. Vor allem hinten oben am Kopf muss ich oft nachtragen, damit die Biker-Frisur sitzt. Anders als die Pomade von Mootes verklebt sie die Haare gerne etwas. Du bist also schnell so im Territorium eines Wet Look.
Der Halt aber ist gegeben, keine Frage. Reuzel wäre nicht Reuzel wenn die Pomade fertiger Chabis wäre. Nach einem langen und heissen Tag mit mehr als einer Handvoll Zwischenstopps aber streckt auch Reuzel die Waffen. Du siehst dann immer noch halbwegs okay aus, was sicherlich besser ist als komplett verzottelt, aber den 24 Stunden «Sittz bei Orkanböen und Meteoritenhagel»-Look kriegst du mit der Pomade nicht hin.
Dafür riecht sie herrlich minzig mit einem flüchtigen Duft. Also auch hier: Du wirst nicht zur Parfümerie dank Pomade.
Egal, wie gut die Pomade im Haar hält, du kannst davon ausgehen, dass irgendetwas in deinem Helm hängen bleibt. Früher oder später wird dein Helmpolster nicht nur voller Schweiss und toter Hautzellen sein – ja, das geschieht, machen wir uns nichts vor – sondern auch Pomade drin haben.
«Kein Problem», sagt Sorin, «Socke.»
Denn wenn es nur um den Helm geht, dann schützt du die Polster innen am besten, indem dass du dir einen Schlauchschal über den Kopf ziehst. Doch früher oder später musst du die Polster eh waschen.
Wenn du deinen Style schnell auffrischen willst, rät Sorin zu einem Kamm in der Tasche, ein bisschen Wasser und schnell restylen.
Sorin putzt dem jungen Mann die Härchen vom Nacken, zieht ihm den Umhang auf dem Friseurstuhl aus und sagt:
«Siehst gut aus, Helm ist sauber. Was willst du mehr?»
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.
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Sorin Dumitrica, als Barber unter dem Namen «Der Haarmetzger» bekannt, stellt sich dem entgegen. Der Rumäne lebt das, was er selbst als «Barber Hustle» bezeichnet. Und er ist Biker. Er besitzt eine Harley, eine Honda und neuerdings eine Yamaha. «Du brauchst eine Maschine für jeden Fall», sagt der Mann, der eine Schere und ein Rasiermesser auf seinen rechten Oberarm tätowiert hat.
Beim Styling rät Sorin vom Haargel ab, aber zur Pomade. Der Grund: Pomade erlaubt es dem Haar, sich zu bewegen. Im Gegensatz dazu kannst du dir Haargel wie einen verhärteten Belag für dein Haar vorstellen. Wenn du dir den Helm überziehst und das Haar runterdrückst, dann bricht dieser Belag auf und deine Frisur für den Tag ist unwiderbringlich dahin. Zudem zerfällt das Haargel, wenn es trocken ist, zu einer Art Staub und hinterlässt diesen im Helm. Pomade bleibt weich und trocken, erlaubt das Nach-Styling, wenn du den Helm ausziehst.
Eine Pomade sollte wasserbasiert sein, wenn du sie im Alltag brauchst. In vergangenen Jahrzehnten waren Pomaden ölbasiert und diese Pomaden existieren nach wie vor. Doch eine Ölpomade hält mehrere Tage im Haar und kann deinen Helm versauen. Einfaches Auswaschen ist nicht. Du brauchst bei Ölpomaden einen Degreaser, bei wasserbasierten Pomaden kannst den Kopf abends schnell unters Wasser halten und die Pomade verflüchtigt sich. Ölpomaden bieten sich in der Regel im Alltag nur dann an, wenn du spezifisch Bedarf an einer hast. Als Tänzer an einem Turnier zum Beispiel, hab ich mir sagen lassen.