Meinung

«Guets Neus» in Dauerschleife: Muss ich das Spiel jedes Jahr mitmachen?

Das neue Jahr ist erst wenige Tage alt und ich kann «Es guets Neus» schon nicht mehr hören. Mein Vorsatz: weniger wünschen, mehr fragen.

Hab ich schon? Muss ich noch? Darf ich auch einfach nicht? Mein neues Jahr startet wie immer mit Fragezeichen. Und mit einer Erkenntnis: Eigentlich mag ich schon seit dem 3. Januar nicht mehr.

«Es guets Neus» wünschen, meine ich.

Liebe Freundinnen, Familienmitglieder und Teammitglieder, seid mir nicht böse. Ich wünsche euch allen nur das Allerbeste, wirklich. Aber sobald das neue Jahr – und wir selbst – nicht mehr nach leeren Sektflaschen riechen, sollten wir meiner Meinung nach wieder mit der «Frohes Neues»-Wünscherei aufhören.

Stattdessen spulen wir die Floskel jedes Jahr inflationär ab. Pünktlich ab Punkt Silvester-Mitternacht bis mindestens Mitte Januar. Und das nicht nur im engsten Umfeld: Wir wünschen dem alten Schulfreund, den wir zufälligerweise auf der Strasse treffen, «es guets Neus». Dem Arbeitskollegen, mit dem wir sonst nicht mal an der Kaffeemaschine ein paar Wortfetzen tauschen. Selbst dem Nachbarn, dessen Weg wir höchstens zweimal im Jahr im Treppenhaus kreuzen. Meistens nur, weil’s zum guten Ton gehört. Muss ich wirklich?

Das meint die Knigge-Expertin

«Nein», sagt mir die Knigge-Expertin auf Anfrage. Bei Personen, die ich nur flüchtig kenne, kann ich laut Susanne Abplanalp von «Knigge Today» getrost darauf verzichten. Trotzdem ist es in ihren Augen ein «schöner Brauch», den sie fortzuführen empfiehlt – «sofern er von Herzen kommt», wie sie anfügt.

Genau darin liegt aber der Hund begraben. Kommt er, ausser bei den engsten Mitmenschen und ausserhalb der ersten Neujahrsstunden, überhaupt jemals von Herzen? Ist der Neujahrsgruss nicht sowieso meistens eine dahingesagte Floskel?

«Manchmal leider ja», stimmt mir Susanne Abplanalp zumindest teilweise zu. Das falle ihr vor allem in Fachgeschäften, Hotels oder Restaurants vermehrt auf. «Ob der Gruss ernst gemeint ist, merkt man daran, ob die andere Person Blickkontakt aufnimmt oder Freude in der Stimme mitschwingt.»

Und trotzdem: Der Brauch habe seine positive Seite, wie sie betont. Nämlich auch als Türöffner und Smalltalk-Thema. Die guten Neujahrswünsche seien ausbaufähig für weitere Fragen. «Welche Ziele, Wünsche oder Projekte hast du fürs neue Jahr?», zählt sie auf.

«Bist du gut ins Jahr gestartet?»

Gesprächsstoff auf dem Silbertablett serviert quasi. Guter Punkt. Meinetwegen könnten wir die Startfloskel aber auch überspringen und gleich aufs Wesentliche kommen. Damit meine ich keine bedeutungsschwere Zukunftsfragen, die sich nach Vorstellungsgespräch anfühlen. Sondern ernst gemeintes und interessiertes Nachhaken – mit Fragen, die mitunter lapidar erscheinen.

Wie wär’s zum Beispiel simpel mit «Bist du gut ins neue Jahr gestartet?» Oder von mir aus auch einfach: «Wie mies war dein Kater am Neujahrsmorgen?» Hauptsache aufrichtig. Hauptsache ehrlich interessiert. Und wenn nicht: lieber gleich streichen.

Mein Neujahrsvorsatz: weniger wünschen, mehr nachfragen. Beim ersten Testlauf hat’s jedenfalls schon mal wunderbar funktioniert. In der Redaktionssitzung, bei der alle dem aus den Ferien zurückgekehrten Teammitglied «es guets Neus» wünschten, fragte ich ihn stattdessen, wie er denn den Jahreswechsel gefeiert habe. Seine Antwort resultierte in einem angeregten Gespräch über Kriminalspiele, Silvester im Alter und Alkohol. Und sogar eine Galaxus-Storyidee zogen wir aus der Unterhaltung.

Testen kann ich das Ganze übrigens noch bis Mitte Januar. Denn bis dahin dürfe man sich noch ein frohes Neues wünschen, sagt Knigge-Expertin Susanne Abplanalp. Das sei aber keine in Stein gemeisselte Regel, sondern eine Empfehlung.

Titelfoto: Katja Fischer

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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