
Hintergrund
Elina fragt Unicef: Was macht ihr und wie geht «Cycling for children»?
von Michael Restin
Ski-Ass Tina Weirather hat ihren ersten Einsatz als Unicef-Botschafterin, die neunjährige Elina fährt erstmals bei «Cycling for children» mit. Was Elina gefragt und Tina bewegt hat, siehst du oben im Video. Der Text nimmt dich mit auf eine Tour am Greifensee, die um die halbe Welt führt – wozu das «Digitec Galaxus Racing Team» ein gutes Stück beigetragen hat.
«Es geht noch ein kleines Stück weiter bergauf», sagt Beatrice, als sich Elina schon am Ende der sanften Steigung wähnt. Die Neunjährige atmet durch und greift nach einem Becher Orangensaft, der neben Äpfeln, Bananen und Müsliriegeln für die Teilnehmer von «Cycling for children» an der Verpflegungsstation bereitsteht.
Beatrice und ihre Mitstreiter im blauen Unicef T-Shirt tragen das Motto «Gib alles.» auf der Brust und nehmen es wörtlich. Sie kümmern sich um alle, die frische Energie brauchen. Ein Lächeln und freundliche Worte gibt es dazu, im Hintergrund liegt glitzernd der Greifensee. Die 20 Kilometer lange Runde ist idyllisch und weitestgehend flach, was sie zum idealen Ort für einen Event wie diesen macht. Velofahren, Spenden sammeln und am Ziel im Strandbad Uster eine gute Zeit haben. Ganz ungezwungen.
Jeder fährt soviel er will und das Elend der Welt bekommen die Teilnehmer auch nicht offensiv unter die Nase gerieben. «Mehr Schweiss. Weniger Tränen.» steht auf einigen der in Unicef-Blau gehaltenen Tafeln, die den Weg säumen. Oder «Du strampelst. Babys überleben.» Wenn die dritte Welt mal Gesicht zeigt, dann in Form von lächelnden Kindern auf Plakaten. Zu sehen ist das Glück, das möglich wäre. Die Not, die mit dieser Aktion bekämpft werden soll, darf im Hinterkopf sein, soll sich aber nicht in den Vordergrund drängen.
Es herrscht Wohlfühlatmosphäre, während fürs nackte Überleben von Kindern in aller Welt gesammelt wird. Hier der Event, dort das Elend. Unicef hat viele Facetten. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen ist global aktiv, um Minderjährige zu schützen und ihre Rechte durchzusetzen. Was das genau bedeutet, hat Elina bei einem Besuch im für die Schweiz und Liechtenstein zuständigen Zürcher Büro in Erfahrung gebracht.
«Bisher ist es mega cool», sagt Elina, die ihren Becher geleert hat und sich frisch gestärkt des Pullis mit der Startnummer entledigt. Inzwischen hat sich die Sonne durch die Wolken geschoben, es ist kurz nach 13 Uhr und der Schweiss fliesst. Gut fünf Kilometer hat es gedauert bis zu spüren war, dass sie hier nicht alleine for children cyclet. Jetzt rauschen regelmässig ganze Gruppen vorbei, die Ambitioniertesten sind seit acht Uhr morgens unterwegs und spulen Runde um Runde ab.
Gemeinsam 40 000 Kilometer schaffen, einmal symbolisch um die Welt, das hat Unicef als Ziel ausgegeben. Elina treibt nicht der sportliche Ehrgeiz, sondern die Neugier. Sie fährt nicht mit Tunnelblick, sondern ist offen für Begegnungen am Wegesrand, an dem immer wieder freiwillige Helferinnen und Helfer stehen. Es ist eine Fahrt ins Blaue, die Unicef-Farbe ist heute überall.
Thanita gehört zu den Volunteers. Sie sorgt als Streckenposten dafür, dass alle die Kurve kriegen und Richtung Ziel im Strandbad Uster abbiegen. Ob das nicht etwas eintönig sei, will Elina wissen. «Streckenposten zu sein ist nur ein Teil des Jobs», sagt Thanita. Schon am Vortag habe sie geholfen.
Tische und Bänke aufstellen, Goodie-Bags befüllen. Was eben so anfällt, um auf mehrere hundert Teilnehmer vorbereitet zu sein. Und selbst gefahren, ja, das sei sie am Vormittag auch. Bei «Cycling for children» habe sie auch schon vor zwei Jahren in Crans Montana mitgeholfen. Warum? «Es ist einfach eine gute Sache!», sagt sie und winkt die nächste Gruppe um die kritische Kurve, bevor sie Elina weiterhin viel Spass wünscht.
Auf den letzen Kilometern wird es bunt, die Strecke in der Gemeinde Greifensee erinnert an eine Bergetappe bei der Tour de France. Nicht dass sie steil wäre. Vier Schulklassen haben den Veloweg kunterbunt bemalt. «Hopp, hopp, hopp!», «Happy Family» und eine Weltkugel voll glücklicher Kinder verschmelzen zu einem farbenfrohen Teppich, der dem Seeufer für ein paar hundert Meter die Show stiehlt. Bald darauf sind die ersten Ansagen aus dem Zielbereich zu hören, wo Bratwurst, Bands und Prominente locken. Die gute Sache soll sich gut anfühlen.
Elina zieht den Helm ab, stellt das Velo beiseite und schlendert über das Gelände. Es könnte voller sein, viele Teilnehmer haben sich bereits verabschiedet. Gefahren werden kann zwischen 8 und 16 Uhr, der Event geht dem Ende entgegen. Voll ist dafür die Wand mit guten Wünschen für Kinder in der Schweiz und im Rest der Welt, die den ganzen Tag über zusammengetragen wurden. «Freunde», «ganz, ganz viel Liebi», «z’trinke, z’esse» und «kein Krieg» – im Grunde wünschen die Schweizer Kinder dem Rest der Welt ein Leben, wie sie es führen dürfen. Ein «Sösläbä» für alle. Nur mit weniger Hausaufgaben.
Elina, deren T-Shirt ein goldenes Einhorn ziert, gefällt besonders der Wunsch «Einhörner für alle Kinder». Sie selbst schreibt «mehr ärztliche Hilfe» auf ihren Zettel. Die gibt es wohl eher als Einhörner, wenn bei «Cycling for children» eine ordentliche Spendensumme zusammenkommt. Während die Strecke schliesst und Musiker Crimer sich auf der Bühne verrenkt, steigt die Spannung. Was hat’s gebracht, wurde die Erdumrundung geschafft? Am Ende sind 84 Kinder und 701 Erwachsene gemeinsam 20 767 Kilometer gefahren. Die Welt war eine Nummer zu gross, aber auch halbe Sachen können viel bewirken. Rund 312 000 Franken sind durch Sponsoren und die Spenden der Teilnehmer in der Unicef-Kasse gelandet.
Und Elina? Ihr hat die Veranstaltung gefallen: «Wenn es das im nächsten Jahr wieder gibt, bin ich dabei!» Zum Abschluss trifft sie einen alten Bekannten: Jürg Keim, den Leiter der Medienstelle von Unicef Schweiz und Liechtenstein, der ihr vor ein paar Wochen die Unicef-Welt erklärt hat. Er ist zufrieden mit dem Tag, auch wenn aus der Weltumrundung nichts wurde. Die Spannung fällt ab, alles lief wie geplant und das drohende Gewitter hat den Event verschont. Es zieht erst am Abend übers Land und erinnert zum Ende des Tages donnergrollend daran, dass das Leben nicht nur Sonnenseiten kennt.
Während Elina auf ihrer Runde vor allem Eindrücke gesammelt hat, war das «Digitec Galaxus Racing Team» gut unterwegs und hat ein grosses Stück dazu beigetragen, dass die symbolische Weltumrundung zumindest zu einem virtuellen Trip um die halbe Welt wurde. Obwohl es an der Fotowand vor dem Start ziemlich eng war, hätte niemand erwartet, dass es am Abend sogar eine Auszeichnung für die meisten gefahrenen Runden geben würde.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.