Hintergrund

Gary Kildall: Der Beinahe-Gates

Kevin Hofer
19.5.2022

Gary Kildall war ein Pionier der Computer-Software. Er entwickelte das Betriebssystem CP/M. Obwohl eher unbekannt, sollte eine Variante von CP/M die PC-Industrie befeuern: DOS.


Dieser Artikel wurde bereits am 7. April 2020 veröffentlicht. Aus aktuellem Anlass, Kildall wäre heute 80 geworden, wird er erneut publiziert.


Die Spiele demonstrierten nicht nur die Leistungsfähigkeit der Mikrocomputer. Sie überzeugten auch nicht-hobbyisten und Unternehmer, dass sie einen Computer bedienen können. So wurde ein Markt für Software geschaffen. Damit diese lief, brauchte es ein Betriebssystem.

Gary Kildall entwickelt das erste Betriebssystem für Mikrocomputer.

Gary Kildall und CP/M

Kildall wird 1942 als Nachfahre norwegischer Einwanderer geboren. Eigentlich will er Mathematiklehrer in seiner Heimatstadt Seattle werden. Aber er ist besessen von Computern. So sehr, dass er seinen Doktortitel in Computerwissenschaften macht.

Als Kildall für Vietnam einberufen wird, beginnt er die Ausbildung zum Marineoffizier. Im Jahr 1969 wirbt ihn die Marine an, um an der Naval Postgraduate School in Monterey, Kalifornien, Informatik zu unterrichten. Dort kommt er mit dem ersten programmierbaren Mikroprozessor in Kontakt, dem 4004. Bald darauf arbeitet er für dessen Hersteller: Intel.

Kildall entwickelt als erstes die Programmiersprache PL/M für Mikroprozessoren. 1973 folgt das Betriebssystem CP/M. Damit ist es möglich, Dateien auf einer 8-Zoll-Diskette zu lesen und zu schreiben – das erste Diskettenbetriebssystem für einen Mikrocomputer ist geboren.

Der geplatzte Deal

IBM tritt 1980 auf Vorschlag von Bill Gates an Digital Research heran, um über den Kauf einer Version von CP/M namens CP/M-86 für den IBM-PC zu verhandeln. Gary überlässt die Verhandlungen wie üblich seiner Frau Dorothy. Er liefert derweil mit seinem Privatflugzeug Software aus.

Bevor die IBM-Vertreter den Zweck ihres Besuchs erläutern, bestehen sie darauf, dass Dorothy eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreibt. Auf Anraten des Anwalts weigert sie sich, die Vereinbarung ohne Garys Zustimmung zu unterzeichnen. Gary kehrt am Nachmittag zurück und versucht, die Diskussion mit IBM voranzutreiben.

Ohne Erfolg.

Digital Research, das nur über einige wenige Produkte verfügt, ist möglicherweise nicht bereit, sein Hauptprodukt gegen eine einmalige Zahlung an IBM zu verkaufen. Üblicherweise besteht das Unternehmen auf Lizenzgebühren.

Dorothy glaubt, dass das Unternehmen CP/M-86 nicht nach dem von IBM vorgeschlagenen Zeitplan liefern kann. Digital Research ist zu jenem Zeitpunkt mit der Implementierung der Programmiersprache PL/I für Data General beschäftigt.

Die verpasste Chance

Als der IBM-PC eingeführt wird, verkauft IBM PC-DOS separat als Option. Es kostet lediglich 40 US-Dollar. Obwohl PC-DOS optional ist, braucht es für die meisten Softwares das Betriebssysstem. CP/M-86 wird einige Monate später zu einem sechsmal höheren Preis optional angeboten. Mit dem Preis von 240 US-Dollar kann es sich nicht gegen PC-DOS durchsetzen und wird auch von weniger Software unterstützt.

Tragisches Ende

In späteren Jahren wird er immer verbitterter über die verpasste Chance mit IBM und darüber, dass Gates ein Vermögen mit DOS scheffelte. So schreibt er in seinem Manuskript «Computer Connections» über Bill Gates:

I have grown up in the industry with Gates. He is divisive. He is manipulative. He is a user. He has taken much from me and the industry.

Gates ist laut Gary manipulativ, sät Zwietracht und nutzt Menschen aus. Er habe der PC-Industrie und ihm viel genommen. Starker Tobak dafür, dass die beiden bis zum IBM-Deal Freunde waren.

Kildall stirbt am 8. Juli 1994. Die Todesursache kann nicht abschliessend herausgefunden werden. Gary Kildall sei ein paar Tage früher auf den Kopf gefallen und habe eine Behandlung verweigert. Die Ärzte gehen davon aus, dass er an den Folgen des Sturzes starb.

Er wurde nur 52 Jahre alt.

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