Activision Blizzard
Meinung

Games brauchen keine Gesundheitsbalken

Wie zeigt man in Games das Wohlergehen eines Charakters an? Die bekannteste Lösung ist unkreativ und durchbricht die Immersion. Trotzdem hält sich der Gesundheitsbalken hartnäckig.

Gemächlich bröckelt der rote Gesundheitsbalken des Alien-Monsters dahin, während ich Magazin um Magazin in seinen Körper ballere. Mit einem Auge schiele ich auf meinen eigenen roten Balken, der mit jeder gegnerischen Attacke schrumpft. Wird er zu schmal, pausiere ich zähneknirschend das Spiel, verspeise fünf Sandwiches und spüle sie mit zwei Heiltränken hinunter.

Mit aufgefüllter Lebensanzeige widme ich mich wieder dem Alien. Wobei, nicht direkt. Denn mein eigentlicher Gegner ist nicht der Ausserirdische, sondern der Balken über seinem Kopf. Alles, was zählt, ist, dass sein roter Balken vor meinem leer ist. Vom Kampfgeschehen bekomme ich deshalb nicht viel mit.

Unterschätzt nicht die Intuition

Die Erfahrung zeigt, dass diese Ablenkung vom eigentlichen Spielinhalt unnötig ist. Verzichtet ein Spiel auf den In-Your-Face-Gesundheitsbalken, finde ich eigene Mittel, um herauszufinden, wie gut oder schlecht es meinem Gegner geht.

Eine schön umgesetzte Verstümmelungsmechanik besitzt auch «Cyberpunk 2077», zu sehen im unten eingebetteten Video. Besonders cool ist die Stelle bei Sekunde 50: Der Arm des Gegners wird verletzt und unbrauchbar. Er lässt die Maschinenpistole fallen und zückt mit dem noch intakten Arm seine Handfeuerwaffe.

Manche Explosionen sind nur heisse Luft

Fahrzeuge eignen sich besonders für eine demonstrative Statusanzeige. Die Skala übersetzt sich klassischerweise wie folgt: Mit schlechter werdendem Zustand gehen zuerst die Scheiben eines Autos kaputt. Danach fliegt die Motorhaube ab, es steigt Rauch aus dem Motor, er fängt Feuer und explodiert schliesslich. Dieses intuitive System lässt mich jederzeit spüren, wie es um mein Fahrzeug steht.

Die gleiche Funktionsweise liesse sich auf Schiffe übersetzen. In einer Seeschlacht sollten meine Kanonenkugeln Löcher in den feindlichen Rumpf reissen, die Reling zersplittern, Segel durchlöchern, Masten umkippen und Ruder zerstören. Bricht auf dem Schiff ein Feuer aus, weiss ich: Der Untergang steht bevor. Perfekt veranschaulicht das «Sea of Thieves».

Dem gegenüber steht als jüngstes Beispiel «Skull and Bones»: Ein Treffer löst auf dem gegnerischen Schiff zwar eine Explosions-Animation aus. Doch es fährt unbekümmert weiter, bis sich der Gesundheitsbalken geleert hat. Visuell verändert sich das feindliche Schiff kaum.

Wie auch bei der Minimap gilt: Manchmal ist weniger mehr. Wir Gamer müssen nicht ständig an der Hand gehalten werden. Wir finden einen Weg, Spiele zu meistern, selbst ohne Gesundheitsbalken.

Titelbild: Activision Blizzard

82 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Meine Rückzugsorte tragen Namen wie Mittelerde, Skyrim und Azeroth. Muss ich mich aufgrund von Reallife-Verpflichtungen von ihnen verabschieden, begleiten mich ihre epischen Soundtracks durch den Alltag, an die LAN-Party oder zur D&D-Session.


Gaming
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Meinung

Hier liest du eine subjektive Meinung der Redaktion. Sie entspricht nicht zwingend der Haltung des Unternehmens.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Meinung

    7 Videospiel-Gegner, die mir Albträume beschert haben

    von Domagoj Belancic

  • Meinung

    Früher war alles besser: Weshalb Fun Racer dringend wieder einen Story-Modus brauchen

    von Cassie Mammone

  • Meinung

    EA FC 26: Das Opfer kehrt zurück – und bereut es schon wieder

    von Luca Fontana