Kinder brauchen Bewegung, Spass und Spiel, keine Schachmeisterschaften und Frühchinesisch.
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Fördern statt fordern: «Ich will doch nur spielen!»

Ümit Yoker
18.6.2018

Fördern bedeutet bei Kleinkindern zuallererst: Ihrem angeborenen Bedürfnis, die Welt zu entdecken, im Alltag genügend Raum geben. Dazu braucht es kein Frühchinesisch, sondern Platz zum Rennen, Spielen, Auskundschaften. Welche Folgen hingegen zu viel Druck und zu hohe Erwartungen haben können, zeigt nicht zuletzt ein Blick in die Vereinigten Staaten.

Manche Eltern treibt die Frage schon um, bevor sie ihrem Kind zum ersten Mal ins Gesicht blicken: Wie viel Förderung braucht es denn? Anders lässt es sich kaum erklären, dass für werdende Mütter heute Geräte existieren, die sie sich ab Schwangerschaftswoche sechzehn in die Vagina einführen können, um das ungeborene Baby mit Beethovens Fünfter zu stimulieren.

Steine, Stift und Spülmaschine

Das Frühchinesisch hingegen kann man sich getrost sparen, wenn die Tochter nicht von sich aus brennendes Interesse dafür bekundet. In einer mehrsprachigen Familie aufzuwachsen, kann zwar durchaus Vorteile haben. Aber von einer Sprache, die ein Kind in einem Kurs lernt und die für seinen Alltag gänzlich irrelevant ist, bleibt in der Regel wenig hängen. Im schlechtesten Fall riskiert man damit, dass Kindern schon früh die Freude an neuen Sprachen vergeht.

Geburt der «amerikanischen Frage»

Erwartungen hinterfragen

Das alles bedeutet keineswegs, dass man seinen Kindern etwa keine Bücher mehr vorlesen darf. Harkness stellte in ihren Studien zum Beispiel fest, dass italienische Mütter und Väter wie amerikanische Eltern das Ritual der Gutenachtgeschichte pflegen. Nur gehe es Ersteren nicht vorrangig darum, ein bestimmtes Lernziel zu erreichen und die Kinder auf die Schule vorzubereiten – sondern um einen Moment der Nähe und die Möglichkeit, Kinder zur Ruhe kommen zu lassen.

Ebenso soll die Tochter selbstverständlich einen Karatekurs belegen dürfen, wenn sie dies möchte, wie auch der Sohn seine Querflötenstunden. Aber Eltern tun gut daran, sich zwischendurch immer mal wieder zu hinterfragen, was sie sich davon erhoffen.

Titelbild: Kinder brauchen Bewegung, Spass und Spiel, keine Schachmeisterschaften und Frühchinesisch.

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Journalistin und Mutter von zwei Söhnen, beides furchtbar gerne. Mit Mann und Kindern 2014 von Zürich nach Lissabon gezogen. Schreibt ihre Texte im Café und findet auch sonst, dass es das Leben ziemlich gut mit ihr meint.<br><a href="http://uemityoker.wordpress.com/" target="_blank">uemityoker.wordpress.com</a> 


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