Patrick Vogt
Hintergrund

Filmsammlung ade: Wie ich meine DVDs und Blu-rays loswurde

Patrick Vogt
7.6.2025
Bilder: Patrick Vogt

In meiner Filmsammlung steckt viel Herzblut, Leidenschaft und ja, auch Geld. Jahrelang habe ich sie stolz im Wohnzimmer präsentiert. Inzwischen haben sowohl die Filme als auch meine Sammelleidenschaft ordentlich Staub angesetzt. Deshalb bin ich bereit, loszulassen.

200 Franken. Das ist alles, was am Ende von meiner DVD- und Blu-ray-Sammlung übrig bleibt. Oder blieb, steckt das Geld doch längst in einem unserer Wocheneinkäufe. Wie sagt man so schön: Wie gewonnen, so zerronnen.

Wie alles begann

Ich war schon immer ein Sammler. In der Kindheit und frühen Jugend waren noch ganz klassisch Briefmarken die Objekte meiner Begierde. Später wurden sie unter anderem durch NBA Trading Cards ersetzt. Pins oder Sticker, irgendwas zum Sammeln gabs immer – ausser Kafirahmdeckeli, die hab ich ausgelassen (im Gegensatz zu meiner Mutter).

Irgendwann jedoch war meine Liebe zu Filmen vollends entfacht. Das wirkte sich auch auf meine liebsten Sammlerobjekte aus, denen ich am längsten treu bleiben sollte. Ich fing an, mir bei jeder Gelegenheit Filme zu wünschen oder selbst zu kaufen. Auf VHS versteht sich. Schliesslich war die Videokassette bis weit in die 1990er-Jahre das am meisten verbreitete Medium für den Filmabend zu Hause.

So sahen sie aus, diese Videokassetten.
So sahen sie aus, diese Videokassetten.
Quelle: Wikimedia Commons / LoMit

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts brachte ich es so auf meine erste kleine, aber feine Filmsammlung: etwa 250 Original-VHS – über allfällige Raubkopien hülle ich den Mantel des Schweigens. Dann kam die DVD, die alles verändern sollte. Diese kleine Silberscheibe brachte den schwarzen Videokassettenturm ähnlich schnell zum Einsturz, wie das zuvor schon die CD bei den Musikkassetten getan hatte. Und so sammelte ich Filme ab sofort auf DVD. Was wurde aus meiner VHS-Sammlung? Ich verfrachtete sie in den Keller und vergass sie – bis ich sie Jahre später doch etwas reumütig entsorgt habe.

Haben, haben, haben!

Bei den DVDs war ich zu Beginn nicht wählerisch. Ich wollte einfach möglichst viele haben. Später fing ich an, mich zu spezialisieren und machte dabei verschiedene Phasen durch. Da gab es etwa die Zeit, in der ich mich intensiv dem Horror-Genre widmete und auch nur solche Filme kaufte. Oder ich scheute monatelang weder Kosten noch Mühen, um im Internet an die ungeschnittenen Versionen mit Originalton von asiatischen Filmen wie «Ichi the Killer» oder «Audition» zu kommen. Hoch im Kurs meiner Sammelwut standen auch jederzeit Mediabooks und Sammlerboxen – einfach möglichst alles, was exklusiv, limitiert und finanziell machbar war.

Blick- und Staubfang in der Stube

So bin ich auf 841 Filme gekommen – 674 DVDs und 167 Blu-rays. Zugegeben, das ist jetzt nicht die Riesensammlung; für mich war’s genug. Auch für staunende Blicke von Besucherinnen und Besuchern hat’s jeweils gereicht. Zudem wären es noch etwa 100 Filme mehr gewesen, wäre der eine Umzugskarton damals nicht versehentlich in der Entsorgungsstelle gelandet … Shame on me!

Apropos Umzug: Als meine Frau und ich vor zehn Jahren zusammenzogen, war klar, dass meine Filmsammlung Teil der Inneneinrichtung sein würde. Ein halbes Jahr und fast ein Dutzend DVD-Regale später war es tatsächlich so weit: Mein ganzer Stolz zierte unser Wohnzimmer.

Gib’s zu, dieser Anblick macht schon was her.
Gib’s zu, dieser Anblick macht schon was her.

Doch dieser Stolz setzte schon bald Staub an – sowohl wortwörtlich als auch im übertragenen Sinne. Das Streaming wurde immer vielfältiger und wichtiger, physische Filmträger verloren zunehmend an Bedeutung. Der Griff ins Filmregal wurde immer seltener, andere Dinge im Leben immer wichtiger. Mein Sammelfeuer verkam mehr und mehr zur Sparflamme – bis es ganz erlosch. Was blieb, war ein immer noch eindrücklicher, verstaubender Blickfang.

In den obersten Fächern hatte es wunderbar Platz für Krimskrams wie Ladegeräte oder Kabel.
In den obersten Fächern hatte es wunderbar Platz für Krimskrams wie Ladegeräte oder Kabel.

Alles hat ein Ende

«Überleg dir doch mal, wie es in der Stube ohne die Filme aussehen könnte», schlägt meine Frau vor etwa einem halben Jahr vor. Ganz sachte und ohne Druck aufzusetzen. Sie weiss halt, wie sie mir Veränderungen beibringen muss. Die mag ich eigentlich nicht. Und tatsächlich setzt sie auch diesen Samen erfolgreich. Anfangs bin ich widerwillig, doch der Gedanke nimmt allmählich Form an. Bis ich – fast von ganz alleine – den Entschluss fasse: Ich trenne mich von meiner Filmsammlung.

Bloss, wie werde ich 841 Filme los? Soll ich sie einfach so entsorgen wie damals die VHS-Sammlung? Kommt nicht in Frage! Einzeln auf Flohmärkten verkaufen? Nope, zu mühsam und langwierig! Bei der Suche nach einer guten Lösung stosse ich auf einen Shop, dessen Inhaber Simon Freiermuth noch komplette Sammlungen ankauft. Viel könne er für gebrauchte Filme halt nicht mehr bezahlen, meint er. Wegen der Streamingdienste sei die Nachfrage in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Dass ich für meine Filmsammlung nicht mehr annähernd so viel kriegen werde, wie sie mir eigentlich wert ist, ist mir an diesem Punkt schon bewusst. Bei Simons Ankaufpreisen (etwa 10 Rappen pro DVD und 50 Rappen pro Blu-ray) rechne ich mit 150 Franken. Damit kann ich leben, zumal ich dafür auf einen Schlag meine Sammlung loswerde, von der ich mich innerlich bereits verabschiedet habe.

Alles muss weg … fast alles!
Alles muss weg … fast alles!

Und so räumen meine Frau und ich auch schon auf. Um die leeren Regale kümmert sich die Müllabfuhr, die Filme kommen in Umzugskartons. Insgesamt sieben Stück sind es. Ich schone weder die Sammlung noch mich und halte nichts zurück … Bis auf die Ultimate Collector’s Edition von Christopher Nolans «The Dark Knight»-Trilogie, die behalte ich für immer und ewig. Basta!

In einem Vierteljahrhundert angesammelt, an einem Morgen in Kisten verpackt.
In einem Vierteljahrhundert angesammelt, an einem Morgen in Kisten verpackt.

Dann ist es so weit: Tags darauf packe ich die Kisten ins Auto und mache mich auf den Weg nach Olten zu Simon Freiermuths Geschäft.

Erst warten die Filme zusammengepfercht im Kofferraum auf den Transport, …
Erst warten die Filme zusammengepfercht im Kofferraum auf den Transport, …
... um zwei Stunden später von Simon fachkundig begutachtet zu werden.
... um zwei Stunden später von Simon fachkundig begutachtet zu werden.

Abschied

Dort angekommen, trifft mich fast der Schlag, im positiven Sinne. Simon betreibt ein regelrechtes Nerd-Paradies: Sein Laden ist vollgestopft mit Filmen, Games, Merch und Sammelkarten aller Art. Während er meine Filme oberflächlich kontrolliert, wandle ich begeistert durch die Gänge, bewundere alles und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Das ist in Simons Laden, nicht in seinem Lager.
Das ist in Simons Laden, nicht in seinem Lager.
Wenn man die Kasse vor lauter Sachen nicht sieht.
Wenn man die Kasse vor lauter Sachen nicht sieht.

Wie man so viel Material auf einer überschaubar grossen Fläche unterkriegt! Früher habe er fast nur mit Filmen gehandelt, sagt Simon. Als die Nachfrage sank, habe er sein Sortiment erweitert. Und so verkauft er heute mehrheitlich Games und Merchandise-Artikel wie Funko Pop Figuren. Den Laden betrachtet er als eine Art zweites Wohnzimmer. Aus seinem Nerd-Zimmer zu Hause sei ein Kinderzimmer geworden, so der zweifache Familienvater, der früher selbst leidenschaftlicher Filmsammler war. Heute sei alles, was noch nicht verkauft ist, irgendwie noch seine Sammlung.

Welche Sammelfigur hättest du gern?
Welche Sammelfigur hättest du gern?

Noch vor einigen Jahren hätte es für den kleinen Nerd in mir kein Halten gegeben und ich hätte mich in Simons Laden in einen regelrechten Kaufrausch gesteigert. Die Versuchung ist durchaus da («Komm schon, nur ein Plüschviech für die Tochter»), doch ich bleibe standhaft. Ich bin hier, um Ballast abzuwerfen und nicht, um mir neuen zuzulegen!

Auch Simon muss regelmässig Ballast abwerfen. Er schätzt, dass er etwa die Hälfte aller Film-Ankäufe gratis an Flohmarkthändler weitergibt. Geschäfte macht er am ehesten noch mit begehrten Exemplaren, längst vergriffenen Filmen, Sammler-Editionen, Mediabooks und speziellen Steelbooks.

Sollte ich jemals rückfällig werden, gehe ich zu Simon!
Sollte ich jemals rückfällig werden, gehe ich zu Simon!

Ob er auch bei mir die eine oder andere Trouvaille entdeckt hat? So genau kann Simon das nach einem knapp 30-minütigen Augenschein noch nicht beurteilen. Die eingehende Überprüfung macht er nach Ladenschluss. Schliesslich muss er immer wieder Laufkundschaft beraten und bedienen, die während meiner Anwesenheit ein und aus geht. Dennoch entgeht ihm nicht, dass meine Sammlung nicht nur aus 08/15-Ware besteht, sondern auch einige besondere Stücke darunter sind. Er bietet mir jedenfalls 200 Franken dafür und damit sogar noch etwas mehr, als ich erwartet habe. Ich schlage ein, ohne lange nachzudenken.

Einige Minuten später verlasse ich Simons Geschäft. Ich bin schon etwas wehmütig, fühle mich aber irgendwie auch erleichtert und befreit. Und ich habe die Gewissheit, dass meine Filme bei einem Sammelbruder im Geiste wie Simon in guten Händen sind.

Meine Karriere als Jäger und Sammler ist jedenfalls vorläufig beendet. Ich wüsste aktuell auch gar nicht, was ich sammeln soll. Ausser Cumulus-Punkte. Beim wöchentlichen Einkauf.

Der Vollständigkeit halber: So sieht’s in unserer Stube jetzt aus.
Der Vollständigkeit halber: So sieht’s in unserer Stube jetzt aus.

Was sammelst du? Wovon hast du dich schweren Herzens getrennt? Schreib’s in die Kommentare!

Titelbild: Patrick Vogt

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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen. 


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