
FHNW Design-Studierende konzipieren «Geldräume»
Letzte Woche haben Innenarchitektur- und Szenografie-Studierende ihre Abschlussprojekte ausgestellt. Vom Shop, in dem menschliche Körperteile erhältlich sind bis hin zu einer «unreligiösen» Kirche regen die Raumkonzepte zum Nachdenken an.
Die Diplomandinnen und Diplomanden des Instituts Innenarchitektur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel haben sich ein Semester lang mit der Aufgabe: «Geldräume, Geldträume – wie manifestiert sich der kulturelle Wert des Geldes in räumlicher Gestaltung» auseinandergesetzt. Die Ergebnisse sind Raumentwürfe, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Räume könnten dabei an realen Schweizer Schauplätzen stehen.
Luxusfragen
«Corpora – ein Store für Premium-Organe» – das Raumkonzept des Absolventen Fabiano Casale – dreht sich um den Organhandel und den Geldwert menschlicher Körperteile. Die Bilder visualisieren einen Showroom in der Basler Freie Strasse 105, in dem Kunden Organe begutachten und sich beraten lassen können. Das fiktive Handelskonzept läuft unter den Namen «Corpora» und zeigt, wie sich eine Marke, die Organhandel betreibt, im Luxussegment positionieren könnte.
«Grundsätzlich ist ein Menschenleben unbezahlbar, aber es gibt Orte, an denen der Mensch einen exakten Preis hat und als Ressource wahrgenommen wird», sagt Fabiano. Bei seinen Recherchen im Darknet ist er auf alle möglichen Körperteile gestossen, inklusive deren Preise. Wo die Organe herkommen und wie freiwillig sie Spender hergegeben haben sei ungewiss, meint der Absolvent.

Eine neutrale Farbpalette, Marmorelemente, simple Formen und wenig Möbel machen die Räume vom Shop nüchtern. Diese Gestaltung passt zur ernüchternden Tatsache, dass es heute eine geldgierige Gesellschaft gibt, die auch vor der Kommerzialisierung von Organen keinen Halt macht.
Ähnlich bedrückend ist das Thema, das sich die Diplomandin Nathalie Benz für ihre Arbeit ausgesucht hat. Sie macht mit ihrem Entwurf auf die menschenunwürdigen Bedingungen beim Gewinnen von Gold in Minen aufmerksam. Gold repräsentiert Geld wie kaum ein anderes Material. Die Modelle zeigen einen Kronleuchter, der im Lichthof des Messeneubaus in Basel hängt. Er setzt sich aus Mineuren zusammen, die von goldenen Uhren erwürgt werden. Im Dunkeln leuchten ihre Stirnlampen wie Kerzen eines klassischen Kronleuchters.


Die Transparenz der Mineure symbolisiert das unsichtbare Leid: «Bei einer Förderung von drei Tonnen Gold stirbt eine Person. Schätzungen des Beobachters gehen davon aus, dass alleine bei der Förderung eine Person pro 3 Tonnen stirbt», meint Nathalie. Da ein Grossteil des abgebauten Goldes in die Uhren- und Schmuckindustrie fliesst, würde die junge Innenarchitektin den Kronleuchter anlässlich der Baselworld 2020 installieren.


Zeitgenössische Rückzugsorte
In einem weiteren Projekt namens « VALYOO – Gelagerte Geschichten x der Wert der Werte» von Mareike Krautzig geht es um das Aufbewahren von Sachen sowie ungegenständlichen Dingen. Die Absolventin hat Menschen aus unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen befragt, was sie in einem Raum lagern würden, wenn es keine Grenzen gäbe. Aus den Antworten sind repräsentative Lagerboxen entstanden, die Besucherinnen und Besucher durch ein kleines Loch betrachten können.
Schnell wird klar, dass hier statt Geld persönliche Erinnerungen und Werte gelagert sind. In einer der Boxen befindet sich ein Mutterleib. Der Befragte – der 26-Jährige Raffael – möchte diesen manchmal am liebsten zur Verfügung haben, damit er sich wie ein Embryo hineinlegen und den «Reset»-Button drücken kann. «Wir verlieren uns ständig in der an uns vorbei rasenden Welt (...) und fühlen uns nicht immer stimmig alleine zu sein, obwohl das uns Kraft geben kann», sagt sie/er.

Auch bei der Arbeit von Figen Senpinar spielt das Innehalten eine Rolle: Öffentliche Rückzugsorte, bei denen es sich nicht um eine Kirche handelt, sind in der Schweiz ein seltenes Gut. Nach Angaben der «Basler Zeitung» ist dort aber jede zweite Person konfessionslos. Auch ist einer der grössten Stressfaktoren der Schweizer laut WHO die Sorge ums Geld. Das Konzept «Refugium» soll einen Ort darstellen, an dem jeder seine Sorgen vergessen kann.
Im Innern spielt die Natur eine wesentliche Rolle: Neben Bäumen beruhigen Wasseranlagen die Schutzsuchenden. Der Raum gibt dir das Gefühl einer Kirche, in der du spirituell sein kannst, ohne dabei religiös zu sein.

Kim Guttmann möchte ebenso die Sinne anregen. Ihr Raumkonzept widmet sich der Kaffeekultur. Ein Kaffee kostet heute viel Geld. Wer sich eine gute Bohne wünscht, bezahlt ungefähr sechs Schweizer Franken pro Tasse. Das Raumkonzept «Tank» steht im Basler Iselin-Quartier. Dabei handelt es sich um einen Automat, der dir nicht etwa einen Kaffee ausspuckt, sondern ein Zimmer nach deinem Gusto.
Dank unterschiedlicher Sinneskategorien bestimmen Besucherinnen und Besucher, wie der Ort für ihr kostspieliges Vergnügen aussehen soll. Für zwanzig Minuten können sie im Anschluss ihren Kaffee in der gewünschten Atmosphäre geniessen.


Das, was die letzten drei Abschlussarbeiten gemeinsam haben ist, dass sie «Geldräume und -träume» von den Innenarchitektinnen und -architekten mit Rückzugsorten gleichsetzen. Sie deuten auf einen aufkommenden Wertewandel in unserer Gesellschaft hin. Wo in den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts Geldträume noch mit Kaufhäusern assoziiert wurden, stehen sie heute für Räume, wo du zur Ruhe kommen kannst.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.