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Auf dem Laufsteg ein Highlight – aber im Alltag? Die Glastasche im Test
von Laura Scholz
An Kreativität und Innovation mangelt es dem französischen Brand Coperni definitiv nicht. Im Rahmen der Paris Fashion Week legten sie ihre ikonische «Swipe Bag» neu auf. Aus einem Material, mit dem bisher die NASA arbeitete.
Sollte es bei dir beim Stichwort Coperni nicht gleich klingeln, helfe ich gern schnell auf die Sprünge. 2013 in Paris von Sébastien Meyer und Arnaud Vaillant gegründet, gelingt es Coperni immer wieder, sich aus der Masse der zahllosen Modehäuser abzuheben. Denn in ihrem Atelier wird nicht einfach nur geschneidert. So schickte das Duo bereits Taschen aus Glas und in Sony-CD-Player-Optik über den Laufsteg und liess Model Bella Hadid live vor den Augen der Zuschauenden ein Kleid auf den nackten Leib sprühen.
Während ihrer aktuellen Show für Herbst/Winter 24 gab es jetzt die nächste Sensation zu bestaunen. Eine Neuauflage der offensichtlich extrem wandelbaren «Swipe Bag». Auch die 2024er-Version beinhaltet wieder Glas, allerdings nur zu einem Prozent. Die restlichen 99 Prozent der Tasche bestehen aus … Luft. Kein Witz.
Für die «Air Swipe Bag» engagierte Coperni den Visual Artist sowie Kunst- und Nanotechnologie-Experten Ioannis Michalous. Und der bediente sich für seine Kreation nicht an einem x-beliebigen, sondern dem Nanomaterial Silica Aerogel – dem leichtesten Feststoff der Welt. Hauchzarte 33 Gramm wiegt die Tasche aus «gefrorenem Rauch», wie das Material wegen seiner Optik auch genannt wird.
Den Herstellungsprozess beschreibt Emma von Helden in einem Essay für die Bauhaus-Universität Weimar wie folgt: «Aerogele werden hergestellt, indem ein Gel, meist Kieselsäure, unter extremen Bedingungen getrocknet wird.» Die dabei entstehende Struktur lässt sich wahrscheinlich am einfachsten mit der eines Schwamms verbildlichen. Denn Aerogele bestehen im Grunde – genauer gesagt zu 99,98 Prozent – aus Poren. Und verdienen sich damit das Prädikat hochporös. Klingt erstmal ganz schön instabil und fragil. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die inneren Oberflächen der Poren befinden sich im Nanometerbereich und die Kontaktstellen der Verästelungen sind dermassen stabil, dass die Materie sich unter anderem eine extrem geringe Energieübertragung, hocheffiziente Schalldämpfung, Wärmedämmung und Feuerfestigkeit bis zu 1200 Grad Celsius auf die Fahne schreiben kann. Nebenbei hält sie ausserdem dem 4000-fachen Druck ihres Eigengewichts stand. Kein Wunder, dass Aerogel erstens gleich 14-mal im Guinness-Buch der Rekorde verewigt wurde und zweitens als Isolierung beim Haus- und Industriegebäudebau, für Unterwassersysteme, Ölraffinerien und Kühlschränke eingesetzt wird. Sogar in der Kosmetikindustrie kommen Aerogelpartikel zum Einsatz.
Was beinahe ausserirdisch gut klingt, ist selbstredend auch für die National Aeronautics and Space Administration aka NASA von hohem Interesse. Raketentreibstoff auf kryogenen, alsoTiefsttemperaturen halten? Ein potenzieller Baustoff für ein Gewächshaus auf dem Mars? Aerogel, Aerogel. Besonders romantisch klingt das Auffangen (und zur Erde Transportieren) von Sternenstaub, das 1999 dank Behältnissen aus Aerogel erstmals erfolgreich gelang.
Ob, wann und zu welchem Preis es die «Air Swipe Bag» zu kaufen geben wird, haben Sébastien Meyer und Arnaud Vaillant leider noch nicht verraten. Ich lege allerdings meine Hand dafür ins Feuer, dass 33 Gramm Luft selten so kostspielig gewesen sein werden.
Immer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.