Ratgeber

Eine Woche in der Wildnis über der Baumgrenze: was du wirklich brauchst

David Lee
19.7.2018

Wer echte Outdoor-Ferien machen will, muss alles Nötige selbst mitnehmen. Da stellt sich die Frage, was denn eigentlich nötig ist. Insbesondere auf einer Wanderung in steilem Gelände. Hier die Übersicht, was du für eine Woche Bergwandern brauchst.

Ich bin kein Trekking- und Outdoor-Freak. Aber seit 2008 gehe ich jedes Jahr mit Freunden auf eine grosse Wanderung. Wir gwaggeln etwas mehr als eine Woche durch die Alpen und übernachten meistens draussen. Oft kommen wir tagelang an keinem Dorf mit Laden vorbei. So gelangen wir an sehr entlegene Orte. Das ist nicht nur ein schönes Naturlerlebnis, es ermöglicht uns auch, mal komplett abzuschalten. Handyempfang gibt es an diesen Stellen oft bis heute nicht.

Diese Art von Ferien bringt es aber auch mit sich, dass wir ganz viel Zeug in unseren Rucksäcken mitschleppen müssen. Wenn du an einem Tag 8 Stunden wanderst und je 1000 Höhenmeter rauf und runter steigst, dann spielt es schon eine Rolle, ob dein Rucksack 15 oder 18 Kilogramm wiegt. Mit anderen Worten: Wir überlegen uns ganz genau, was wir brauchen und was nicht. Jeder Fehler, egal ob du zu wenig oder zu viel mitnimmst, wirkt sich unangenehm aus.

Daher weiss ich mittlerweile sehr gut, welche Dinge du auf einer solchen Outdoor-Tour wirklich brauchst und welche nur «nice to have» sind. Von diesen 10 Jahren Erfahrung will ich dir etwas mit auf den Wanderweg geben.

Campieren versus biwakieren

Nun aber zur Ausrüstung.

Kleider

Was dafür mit muss: Winterkleider. Wenn du vor der Abreise noch bei 35 Grad im Schatten ein Bier trinkst, fällt es schwer zu glauben, dass lange Unterhosen, Mütze und Handschuhe auf jeden Fall dazu gehören. Doch schroffe Temperaturwechsel sind typisch für die Berge. In der Höhe kann es auch mitten im Sommer sehr kalt werden, wenn die Sonne weg ist. Einmal schneite es am Abend.

Selbstverständlich brauchst du etwas Pulloverartiges, das warm gibt, und darüber eine Jacke, die den Wind abhält. Ein guter Regenschutz ist natürlich Pflicht und kann als zusätzlicher Windstopper dienen. Am besten vorher noch mit einem Spray imprägnieren. Am Feuer hat der Regenschutz nichts zu suchen, da bekommt er nur Brandlöcher. Eine Rucksack-Regenhülle ist auch nie verkehrt, selbst wenn der Rucksack angeblich wasserdicht ist.

Schuhe: eine Warnung

Die Sohle hält nicht länger, wenn du die Schuhe kaum brauchst. Im Gegenteil wird das Material schneller spröde. Eine Sohle kann sich so schon nach fünf Jahren verabschieden. Ältere Schuhe solltest du also vor einer grossen Tour in abgelegenem Gebiet unbedingt vorher mehrere Stunden ausprobieren – natürlich in einer Umgebung, wo du bei einem Reparaturfall nicht komplett aufgeschmissen bist.

Gesundheit und Hygiene

In der Höhe ist die Sonneneinstrahlung extrem. Ist eigentlich klar, aber du vergisst es leicht, wenn es nicht so heiss ist. Neben starker Sonnencreme brauchst du auch einen UV-Lippenstift. Ich trage immer einen Sonnenhut, der rundum abdeckt. Damit sehe ich zwar bescheuert aus, aber das kümmert mich wenig. Spätestens beim Gang über ein Schneefeld ist auch eine Sonnenbrille unerlässlich, die seitlich einfallendes Licht abschirmt.

Natürlich haben wir immer eine Notfall-Apotheke dabei. Auch Medikamente wie NeoCitran und Schmerzmittel. Ein Dauerbrenner sind Blasen am Fuss. Die Compeed-Pflaster sind gut, aber noch besser ist, kritische Stellen an Zehen und Fersen mit einem Tape zu schützen, bevor die Haut kaputt ist. Zieh die Schuhe vor einem Abstieg straff an, dann rutscht der Fuss weniger.

Übernachten

Heute gibt es erstaunlich kleine und leichte Zelte, die trotzdem stabil sind. Das Zelt unten wiegt laut Hersteller nur 580 Gramm. Doch irgendwie traut keiner von uns so recht diesen hauchdünnen Zeltböden – eine Blache gegen Steine, Stacheln etc. kommt trotzdem mit. Und Flickzeug.

Wer eh eine Blache mitnimmt, kann sich auch überlegen, ohne Zelt draussen zu übernachten. Je nach Wetterprognose und Route reicht ein Biwaksack und ein Tarp, also ein Zeltdach mit Schnüren und Heringen. Als Zeltstangen verwendest du deine Wanderstöcke. Bei starkem Wind sind Tarps jedoch mühsam, da schläft es sich in einem Zelt wesentlich besser.

Nur mit dem Schlafsack unter freiem Himmel übernachten ist keine gute Idee. In der Nacht wird der Boden vom Tau feucht, dein Schlafsack wird nass und gibt nicht mehr genügend warm. Beim Übernachten im Freien obligatorisch: Eine leichte und stabile Luftmatratze, um die Bodenkälte abzuhalten und Unebenheiten etwas auszugleichen. Und eine Stirnlampe. Wenn du ausschliesslich in Hütten übernachtest, genügt ein Schlafsack, der dann noch etwas leichter sein darf.

Essen und Trinken

Wenn wir draussen übernachten, kochen wir im Freien – entweder mit dem Benzinkocher oder über dem Feuer.

Pfannen auf dem Feuer dürfen keine Kunststoffelemente enthalten. Zum Anfassen eignet sich ein Paar alte Gartenhandschuhe, ein Grillrost sorgt für eine stabile Unterlage. Das Geschirr sollte aus Kunststoff sein – robust aber nicht schwer. Faltbecher und Faltschüsseln brauchen weniger Platz im Rucksack.

Nicht immer findet sich ein Schlaf- und Essplatz nahe am Wasser. Für den Wassertransport vom nächsten Bach eignen sich wasserdichte multifunktionale Säcke. Ein selbststehender Wassersack wird zur Waschschüssel. Das Wasser kochen wir ab und machen Tee daraus.

Der «Göffel» vereint Gabel und Löffel. Auf Englisch spork (spoon + fork). Viel Platz und Gewicht sparst du mit dieser Kombo aber nicht. Ich habe mir einen Göffel gekauft und benutze ihn seit Jahren, aber ehrlich gesagt ist es für mich ein typisches Beispiel für sinnlose Überoptimierung.

Wenn die Möglichkeit für ein Feuer besteht, ist natürlich Grillieren angesagt. Das Fleisch hält im Rucksack zumindest in den Bergen erstaunlich lange. Alle Bedenken, dass wir uns mit tagelang mitgeschlepptem Gammelfleisch den Magen verderben könnten, haben sich als unbegründet erwiesen. Und letztlich bildet ja das Grillieren auch einen gewissen Schutz gegen Krankheitserreger.

Zur Grillade gehören auch Zucchetti, Maiskolben, Kartoffeln in Alufolien etc. Auch wenn diese Dinge nicht gerade leicht sind. Apropos nicht gerade leicht: Einmal pro Wanderung gibts Fondue. Meist wenn wir in grosser Höhe übernachten. Der Käse liegt zwar nicht nur im Rucksack, sondern auch im Magen schwer auf und das Brot braucht viel Platz, aber Fondue gibt warm und unbestätigten Gerüchten zufolge auch gute Laune.

Der Outdoor-Kaffee besteht aus Instant-Kaffeepulver und je nach Geschmack Zucker und Milchpulver. Kondensmilch ist zu sperrig und schwer und richtet eine klebrige Schweinerei im Rucksack an, weil die Tuben nie dicht halten. Pulver muss in einem dichten Zip-Beutel (zur Sicherheit besser zwei) verschlossen sein. Wirklich dichte Plastikgefässe à la Tupperware gehen auch, brauchen aber im Rucksack viel Platz.

Unterwegs gibts natürlich Wasser. Wo weit und breit kein Vieh weidet, kannst du bedenkenlos aus einem Bergbach trinken. Anderenfalls benutzt du Tabletten oder Tropfen, die Schädlinge innert 30 Minuten abtöten.

Dieses Jahr haben wir die ganze Woche keinen Lebensmittelladen gesehen. Doch nutzten wir die Gelegenheit, uns in Bergrestaurants die Bäuche vollzuschlagen, in Hütten Schokolade nachzutanken. Auf fast jeder Alp gibts Käse. Die Vorräte reichten jedenfalls locker.

Sonstiges

Wir benützen noch immer keine Navigationsgeräte, sondern ausgedruckte und eingeschweisste Karten. Die sind leicht, wetterfest, brauchen keinen Akku und sind grösser als jeder Bildschirm. Einziger Nachteil: sie zeigen dir nicht an, wo du gerade bist.

Wanderstöcke sind kein Muss, aber ich würde nie mehr ohne sie auf eine längere Wanderung gehen. Gekauft habe ich sie, weil ich infolge einer alten Knieverletzung ständig Schmerzen beim Abstieg hatte. Mit den Stöcken kann ich die Knie entlasten. Auch beim Aufstieg wird die Anstrengung auf mehr Muskeln verteilt.

Ich muss unbedingt eine Kamera dabei haben. Das trifft sicher nicht auf jedermann zu, ich bin halt ein Foto-Freak. Beim Fotografieren per Smartphone ist heutzutage weniger die Bildqualität das Problem, sondern der Akku. Wenn du noch eine Powerbank mitschleppen musst, kannst du auch gleich eine Kompaktkamera nehmen.

Nichtraucher müssen daran denken, Feuerzeuge mitzunehmen. Mehrere. Die Dinger gehen in der Höhe oft kaputt. Kerzenstummel helfen, ein Feuer hinzukriegen, wenn es nass ist.

Ein bisschen Raum für individuelle Macken

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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