Hintergrund

Die Stolpersteine auf dem Weg zum Fotografie-Meister

David Lee
2.5.2019

Wie entwickelst du dich vom absoluten Noob zum Fotografie-Zenmeister? Ein Video gibt Aufschluss. Es ist nicht ganz ernst gemeint, zeigt aber die häufigsten Fallen.

Kürzlich bin ich auf ein Video gestossen, das die Entwicklungsstufen eines Fotografen in Form von Game-Levels beschreibt. Vom komplett Ahnungslosen über den Gelegenheitsknipser, den Hobbyfotografen bis zum Profi und am Ende zum Künstler. Der Beitrag ist offensichtlich nicht in jedem Detail ernst gemeint, bringt aber einige ernst zu nehmende Punkte ins Spiel, die auch für deine Entwicklung bedeutsam sein dürften.

Ich finde das Video super, weil es einen guten Überblick gibt über die grössten Fallen, die sich dir stellen, wenn du versuchst, besser oder erfolgreicher zu fotografieren.

Im Web rumhängen statt fotografieren

Das Internet ist eine tolle Informationsquelle, aber auch eine Quelle der Ablenkung. Sehr leicht passiert es, dass wir uns durch endlose Forumseinträge durch unzählige Youtube-Videos, Instagram-Accounts, Blogeinträge und Testberichte wühlen. Am Ende ist der Kopf zum Bersten voll. Aber jedes Wissen muss mit eigener Erfahrung verknüpft sein, damit es dir auch etwas nützt. Und vor allem: Unsere Freizeit ist nicht unendlich. Zu viel Zeit im Internet verbringen heisst, zu wenig Zeit mit Fotografieren verbringen.

Wer viel Information aufsaugt, glaubt irgendwann auch viel zu wissen. Aber eben: Ohne persönliche Erfahrung bleibt alles nur Halbwissen. Es nervt, wenn Nörgler und Besserwisser alles zerpflücken, ohne eine Ahnung zu haben, welche Arbeit hinter einem Foto steckt. Tappe nicht in diese Falle! Denn das bremst nicht nur deinen Fortschritt, sondern du verbreitest auch eine schlechte Stimmung. Wenn wir uns im «real life» so schlecht benehmen würden, würde das gemäss Video so aussehen:

Equipment als Selbstzweck

Eine gute Fotoausrüstung ist wichtig, und Wissen darüber ist auch wichtig. Aber das Bedürfnis nach mehr oder besserem Equipment sollte immer aus einem konkreten Vorhaben heraus entstehen. Zum Beispiel: Ich will wilde Tiere fotografieren. Dann brauche ich ein gutes Teleobjektiv und eine schnelle Kamera.

Oft aber beschäftigten sich Foto-Nerds einfach nur deswegen mit Neuheiten, weil es Neuheiten sind. So kannst du zwar deinen Sammeltrieb befriedigen, aber es bringt dich nicht in deinen Fotografie-Skills weiter.

Ohne Plan wild drauflos knipsen

Diese Phase hatte ich selbst jahrelang. Ich hatte die diffuse Vorstellung, ich müsse möglichst viele Fotos machen. Einerseits um Erfahrung zu sammeln, andererseits, weil ich dachte, es würde die Wahrscheinlichkeit auf ein gutes Foto erhöhen.

Der entscheidende Punkt, den ich dabei übersehen habe: Es bringt nichts, viele Fotos vom Gleichen zu machen. Wichtig ist, möglichst viele verschiedene Dinge auszuprobieren. Verschiedene Winkel und Perspektiven. Verschiedene Posen und Anordnungen. Unterschiedliche Beleuchtung, unterschiedliche Tageszeiten. Hochformat statt Querformat, Weitwinkel statt Standardausschnitt. Und so weiter.

Mit zunehmender Erfahrung kannst du immer besser abschätzen, was in einer speziellen Situation etwas bringen könnte und was nicht. Du musst dann nicht mehr immer alles ausprobieren.

Selbstmarketing betreiben statt an den Skills arbeiten

Wenn du besser wirst, werden deine Fotos weniger zufällig. Es gelingt dir, bestimmte Wirkungen zu erzielen. Das kannst du nutzen, um auf Plattformen wie Instagram einen beträchtlichen Wow-Effekt auszulösen. Damit läufst du aber auch Gefahr, in eine neue Falle zu tappen.

Du fragst dich nur noch: Wie erreiche ich noch mehr Likes? Noch mehr Follower? Das lenkt wiederum davon ab, besser zu werden. Einerseits ist Selbstmarketing ein Skill für sich, der nichts mit Fotografie zu tun hat. Andererseits ist Erfolg auf Instagram auch aus fotografischer Sicht trügerisch. Am erfolgreichsten sind bekannte Klischees. Denn auf Instagram prasseln so viele Eindrücke auf uns herein, dass wir gar nicht bereit sind, uns wirklich mit etwas auseinanderzusetzen. Was du nicht in einem Sekundenbruchteil verstehst, fliegt durchs Raster. Der Account Insta_Repeat führt dir beispielsweise die ständige Wiederholung von Outdoor-Klischees vor Augen.

Wenn du wirklich ambitioniert bist, musst du dich spätestens an dieser Stelle fragen, was eigentlich Erfolg bedeutet. Von 2000 Likes auf Instagram kannst du dir nichts kaufen. Es macht dich nicht zu etwas Besonderem, auch wenn es sich am Anfang vielleicht so anfühlt. Und schon gar nicht dient es als Grundlage, die Fotografie zu deinem Beruf zu machen.

Die Profi-Falle

Profi-Fotograf zu werden, ist wohl ein Traum von vielen. Was gibt es Schöneres, als das Hobby zum Beruf zu machen? Doch als Profi tust du nicht mehr das, was dir Spass macht. Sondern, was dir Geld bringt. Schlimmer noch: Wer zahlt, befiehlt nicht nur über das Was, sondern auch über das Wie. Unabhängig davon, ob die Geldgeber etwas von deinem Handwerk verstehen oder nicht.

Ein ehemaliger Profi-Fotograf, der nun einen anderen Beruf ausübt, hat mir kürzlich gesagt: «Ich bin echt froh, dass ich mich nicht mehr mit diesen Psychopathen aus der Werbebranche herumschlagen muss.»

Die höchste Stufe: ein mentaler Zen-Zustand

Nur ganz wenige Profis können es sich leisten, frei das zu tun, was sie wollen. Die haben wohl tatsächlich einen Traumjob. Alle anderen sollten unabhängig von finanziellen Zwängen und Interessen den Zustand anstreben, der im Video die höchste Entwicklungsstufe darstellt: Den Künstler. Der wird so beschrieben:

Du bist nicht unbedingt der Beste. Und auch nicht unbedingt der Bekannteste. Aber du tust, was dir gefällt, und du produzierst erstaunliche Ergebnisse. Gratuliere!

Ich bin jetzt ein Künstler. Ich gehe jetzt weisses Zeug fotografieren.

Weisses Zeug.
Weisses Zeug.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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