Hintergrund

«Der Farbenblind-Modus in Games ist meistens scheisse»

Martin Jud
23.1.2019
Bilder: Thomas Kunz

Männer sind viel öfter von einer Farbsehschwäche betroffen als Frauen. Und einige wissen wohl nicht mal, dass sie darunter leiden. Was es genau mit dem Phänomen auf sich hat, wie es sich damit lebt und welche Hürden in der technischen Welt sowie im Gaming-Bereich bestehen, klären wir im Interview mit Nicolas Franken.

Der 25-jährige Nicolas Franken ist gelernter Mediamatiker, studiert an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur, und ist gerade daran, die Bachelor-Arbeit für den Studiengang «Multimediaproducer» zu schreiben. Die gewählte Thematik: «Farbfehlsichtigkeit im Web».

Wir sitzen in der hauseigenen Café-Bar namens «Pause». Sie besticht von der Einrichtung her mit sehr viel Grünzeug – man fühlt sich wie in einem kleinen Urwald abseits des stressigen Alltages. Quasi der perfekte Ort, um dem Phänomen Farbsehschwäche auf den Grund zu gehen.

Sag mal; der Tisch, an welchem wir sitzen, welche Farbe hat er?
Nicolas Franken: Naja, also für mich sieht er weiss aus. Zumindest da, wo die Sonne drauf scheint.

Und hier, wo es Schatten hat?
Da ist er grau. Wobei, so wie du mich anschaust, wird er wohl eher einen Grünton haben. Vielleicht mintgrün?

Nicolas, wann hast du bemerkt, dass du Farben anders wahrnimmst als deine Mitmenschen?
Bis Ende November 2018 ging ich davon aus, dass ich eine schwache Rot-Grün-Sehschwäche habe. Bemerkt hat es mein Lehrer in der 6. Klasse. Er erklärte uns im Deutschunterricht die vier Fälle und benutzte für jeden Fall am Whiteboard eine andere Markerfarbe. Versehentlich habe ich den rot gekennzeichneten Fall als grün bezeichnet.

*Wenige Wochen nach dem Interview scheint die Diagnose bereits wieder ein anderes Bild zu zeichnen: Ein zwischenzeitlich gemachter Hardy-Rand-Rittler Pseudoisochromatic Test, weist nun darauf hin, dass Nicolas eine leichte bis mittlere Rotblindheit respektive Protanomalie anstelle einer Deuteranomalie hat.

Weiss man, wie viel Prozent der Bevölkerung eine Farbsehschwäche haben?
In Sachen Rot-Grün-Sehschwäche sind bei Männern um die acht bis neun Prozent betroffen. Bei Frauen sind es unter einem Prozent. Dies hängt damit zusammen, dass die Sehschwäche vererbt wird und der Defekt in der Genetik auf dem X-Chromosom liegt. Da Frauen über zwei X-Chromosome verfügen, wird ein Defekt auf dem einen Chromosom meist durch das zweite ausgeglichen.

Wie wirkt sich der genetische Defekt auf das Auge aus?
Wir verfügen auf der Netzhaut über Sinneszellen respektive Zapfen, welche es uns ermöglichen, Farben zu unterscheiden. Von diesen Zapfen gibt es drei Stück; rotempfindliche L-Zapfen, grünempfindliche M-Zapfen und blauempfindliche S-Zapfen. Bei Menschen mit einer Farbsehschwäche sind weniger Zapfen vorhanden als bei Normalsichtigen.

Du hast Mediamatiker gelernt. Gab es bei der Ausbildung Probleme mit der Farbsehschwäche?
Ich arbeite mit den Farben, welche mir genehm sind, und so wirkt was ich tue dennoch stimmig. Ich hatte daher nie Probleme. Allerdings habe ich mich bereits während der Ausbildung dazu entschieden, mich nicht in den Webdesign-Bereich zu vertiefen. Warum sollte ich mir etwas antun, wo ich ein Handicap habe?

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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