Der Deus Ex Arm - Interview mit Familie Lockey
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Der Deus Ex Arm - Interview mit Familie Lockey

Die Geschichte der 10-jährigen Tilly Lockey, die eine Armprothese aus dem Game «Deus Ex: Mankind Divided» trägt, hat unsere Leser beschäftigt. Wir haben mit der Familie des ersten Mitglieds der «Human Revolution» Kontakt aufgenommen.

Sie ist zehn Jahre alt, Internet-Star und Bionik-Pionierin. Die 10-jährige Engländerin Tilly Lockey hat eine Meningitis-Infektion überlebt, aber dadurch beide Hände verloren. Sie erobert sich mit Hilfe einer Prothese aus dem 3D-Drucker den Alltag zurück. Die Prothese ist dem Arm des Game-Helden Adam Jensen aus der Serie «Deus Ex» nachempfunden.

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Im Zuge meiner Recherchen habe ich mit Open Bionics und Tillys Familie Kontakt aufgenommen. Ihr Vater Adam, der Gamer der Familie, ist mir Rede und Antwort gestanden.

Kennt Tilly Deus Ex überhaupt?

Tilly kennt Deus Ex hauptsächlich durch die Promotion ihres Armes. Sie liebt zwar Videogames, darf Deus Ex aber noch nicht spielen, dafür ist sie zu jung. Aber Adam Jensen kennt sie, weil sie mir beim Spielen zusieht. Lustigerweise heisse ich auch Adam, genau wie der «Spender» ihres Armes. Sie weiss also genau, wie Adam Jensen den Arm einsetzt und welche Verantwortung er sich bewusst sein muss.

Tilly spricht mit Reichen und Mächtigen über Bionik

Er benutzt seine Prothese dazu, die Menschen auf dieser Welt einander näher zu bringen. Da Tilly diese Message gut findet, war sie gerne bereit dafür, einen Adam-Jensen-Arm für Kinder zu tragen. Sie liebt die Story des Games und die Trailer faszinieren Tilly ungemein. Treffen mit dem Team hinter Deus Ex - Square Enix und Eidos Montréal haben gezeigt: Tilly passt ins Team wie die Faust aufs Auge.

Welche Funktionen hat ihr Arm?

Der Jensen-Arm wird über elektrokardiographische Sensoren auf ihrer Hautoberfläche gesteuert. Diese Sensoren messen Tillys Muskelbewegungen. Wenn sie die Muskeln anspannt, schliesst sich die Hand. Wenn sie sich entspannt, dann löst sich ihr Griff wieder. Wenn sie die Muskeln etwas mehr anspannt, dann gibt der Arm ihr ein Vibrationssignal zurück und sie kann die Position der Finger anpassen. Sie kann das Okay-Zeichen machen, die Finger rollen, die Faust ballen und ein Thumbs up machen.

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Hat der Arm irgendwelche coolen Effekte?

Tillys aktuelle Hand hat keine Lichteffekte oder dergleichen. Aber die Prothese ist nach wie vor ein Prototyp. Daher, man weiss ja nie. Wenn Tilly Lichteffekte oder dergleichen möchte, dann wird Open Bionics dem sicher nachkommen. Das ist übrigens einer der schönsten Aspekte an der Zusammenarbeit mit Open Bionics. Sie haben die Philosophie, dass alles möglich ist. Tilly kann ihre Wünsche anbringen und Open Bionics findet heraus, wie das geht. Meine Tochter spricht regelmässig mit Open Bionics über neue Features. Dabei reden sie nicht nur über Dinge, die die Hauptfunktionen des Arms verbessern oder ausbauen, sondern auch über Dinge, die einfach cool aussehen würden.

Wie reagiert Tilly auf den Arm? Hat die Tatsache, dass der Arm nicht menschlich aussieht, einen psychologischen Effekt auf sie?

Tilly liebt ihren Arm, keine Frage. Sie hat früher Prothesen gehabt, die wie echte Hände ausgesehen haben, aber sie mochte die nicht so sehr, weil sie sie immer noch eingeschränkt haben. Realistischer Silikonüberzug lässt auch den Preis in die Höhe schnellen. Aus dieser Sicht ist es fantastisch, dass funktionierende Hände aus dem 3D-Drucker kommen können. Tilly mag es, dass ihr Arm futuristisch und interessant aussieht. Sie sagt, dass sie gerne einzigartig aussieht und sieht im Arm sowohl ein nützliches Gerät als auch ein Mode-Accessoire. Ich denke, Prothesen haben sich in den vergangenen 30 Jahren so stark verändert, dass sie heute modischer sind denn je. Tilly war jüngst von den Paralympics fasziniert. Sie hat alle verschiedenen Prothesendesigns verglichen, die Vorzüge und Nachteile abgewogen.

Wie kam die Zusammenarbeit mit Open Bionics zustande?

Open Bionics hat einen Aufruf gestartet, mit dem sie nach Freiwilligen für 3D-gedruckte bionische Hände für Kinder gesucht haben. Tilly hat schon in der Vergangenheit anderen Firmen in ihrer Forschungsarbeit unterstützt, aber hatte noch keine Erfahrung mit 3D-gedruckten Prothesen gesammelt. Daher wollte sie unbedingt mit dabei sein. Open Bionics hat sie aus hunderten Bewerbern ausgesucht und hat uns das Video geschickt, in dem der Betrieb die Partnerschaft mit Deus Ex wie auch das Projekt erklärt haben. Unsere ganze Familie war vom Stil der bionischen Hand fasziniert. Tilly mag futuristische Mode und Stile, Videogames und Superhelden und deren Superkräfte. Daher passte der Jensen-Arm wirklich gut zu ihr. Sie konnte es kaum erwarten.

Wie lief die Zusammenarbeit ab?

Open Bionics hat uns einen 3D-Scanner nach Hause geschickt, den wir benutzt haben, um Tillys Arme zu vermessen. Diese Messungen haben wir den Technikern bei Open Bionics geschickt. Dann folgte ein Trip nach Bristol zum gegenseitigen kennenlernen. Nebst einer Führung durch das Unternehmen haben wir mit Tilly besprochen, welche Ansprüche sie an den bionischen Arm hat und wo die grössten Schwächen in ihren vorherigen Prothesen lagen. Auch die Vorzüge der Vorgängermodelle wurden thematisiert, denn alle Prothesen haben ihre eigenen Vorzüge und Nachteile, die Tilly nur zu gerne mit den Leuten von Open Bionics ausdiskutiert hat.

Danach hat Tilly zum ersten mal den Adam Jensen Arm für Erwachsene gesehen und ihr wurde die entscheidende Frage gestellt: Möchtest du einen solchen Arm in Kindergrösse? Die Antwort liess nicht lange auf sich warten und die ersten Tests fanden statt. Elektrokardiographische Sensoren wurden Tilly auf die Arme gepappt und sie konnte schnell eine bionische Hand bewegen. Es war zwar nur ein Demomodell, dass die Leute bei Open Bionics auf einem Tisch liegen hatten, aber es waren bereits erste Anpassungen möglich, die Tillys Muskulatur und Bewegungen berücksichtigt haben. So musste Tilly sich nicht zu sehr anstrengen um die Hand zu bewegen. Wir gingen nach Hause und beim zweiten Besuch war Tillys Arm fertig. Sie konnte es kaum erwarten, den Arm auszuprobieren.

Wie reagieren die Leute auf Tillys Arm?

Tilly hatte noch nicht die Gelegenheit, den Arm in der Schule zu tragen. Ihre Freunde wissen aber von ihrer Arbeit mit Open Bionics und finden das grossartig. Die Reaktion aus unserem Umfeld und von der breiten Öffentlichkeit war überwältigend positiv. Der Jensen Arm ist etwas ganz Spezielles und Tilly trägt den Arm mit Stolz. Sie will bemerkt werden und freut sich immer, über ihren Arm sprechen zu können. Sie ist viel selbstbewusster als sie es je war und hat viele Freunde gefunden, die sie unterstützen. Das war unser Plan als Familie, als sie die Amputationen hatte. Tilly ist sehr glücklich und ich glaube nicht, dass sie sich von irgendwelchen Unkenrufen beeindrucken lassen würde. Tilly hilft nicht nur einer Prothesenfirma dabei, den Weg in die Zukunft zu ebnen sondern sie ist auch zu einer Inspiration für Kinder mit Behinderung geworden, die auch von einer solchen Hand profitieren könnten. Tilly freut sich darauf, den Arm in der Schule zu tragen.

Nicht nur Werkzeug: Tilly sieht in ihrer Prothese auch ein Mode-Accessoire

Die Meinungen werden aber auseinandergehen. Tilly sieht in ihrem Arm auch ein Mode-Accessoire und findet, dass sie Glück hat, dass sie mit diesen Armen spielen darf. Am Ende des Tages ist es auch das, was zählt: Die Trägerin muss den Arm am Ende des Tages mögen. Wenn ihr der Arm zu mehr Selbstbewusstsein verhilft, dann ist das super. Sie ist nie gemobbt worden, weil sie die Amputationen hinter sich hat. Daher hoffen wir auch, das sie nicht wegen ihres bionischen Arms gehänselt wird. Für meine Tochter ist der Arm etwas wie ein paar Schuhe, ausser dass es halt heisst «Hey, schöne Hand» anstelle von schönen Schuhen.

Im kommenden Jahr kommt Tilly in die Secondary School [siebte Klasse - Red.] und das wird wohl etwas härter werden. Aber wenn Prothesen modischer werden, denke ich, dass das helfen wird. Die Modeindustrie könnte hier auch wirklich viel mithelfen, damit die Kinder in Zukunft ihre Prothesen mit mehr Selbstvertrauen tragen.

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Titelbild: Tilly Lockey will anderen Menschen Hoffnung machen

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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