
Hintergrund
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von Siri Schubert
Der Zürcher Alain Luck gehört zu den besten Schweizer Stand-up-Paddlern. Im Interview erzählt er mir vom Wettkampfsport SUP, neuen Entwicklungen und Momenten, in denen er sich selbst auf einem grossen Board ganz klein fühlt.
Entspannt steht er an Land. Alain Luck hat seine Trainingseinheit schon hinter sich, als wir uns morgens in Zürich-Wollishofen zum Interview treffen. Am Boden liegt sein rotes Board, das etwas an ein Boot erinnert, und an der Strasse steht sein selbst ausgebauter Bus, mit dem er zu Rennen quer durch Europa fährt. Surfer-Style. Nur dass er mit Paddel auf seinem Board steht. Stand-up-Paddeln ist als Leistungssport noch relativ unbekannt. Ich weiss wenig über die Szene. Wir setzen uns ans Ufer und Alain erweitert meinen sportlichen Horizont.
Du kamst vom Rudern übers Windsurfen zum Stand-up-Paddeln. Jetzt hast du ein Board ohne Segel und ein Paddel ohne Boot. Was hat dich so fasziniert, dass du dabei geblieben bist?
«Nach dem Rudern wollte ich was machen, wo es nicht nur auf Flachwasser zwei Kilometer geradeaus geht. Windsurfen hat mir unglaublich viel Spass gemacht. Aber als Wettkampfsport war es nichts für mich, weil ich in Zürich wohne. Da gibt’s nicht so viel Wind. Als das Stand-up-Paddeln aufkam, war das ein logischer Wechsel. Plötzlich hatten alle Windsurfer als Flauten-Beschäftigung ein Board. Nach einer Weile habe ich gemerkt: Ich paddle nur noch und surfe gar nicht mehr.»
Seit einigen Jahren bist du ganz vorne dabei, warst Schweizermeister und hast die SUP Tour Schweiz gewonnen. Wie hat sich der Sport in der Zeit entwickelt?
«Früher waren wir nur etwa zehn bis fünfzehn Leute, die aber alle relativ schnell waren. Da gab es noch nicht so viele Freizeitsportler, die einfach mal mitgemacht haben. Am Ende sind wir alle Amateure, aber mittlerweile gibt es schon sehr viel mehr Leute, die auch ohne gross zu trainieren an den Rennen mitfahren. Das ist eine schöne Entwicklung.»
So kenne ich Stand-up-Paddeln. Als Freizeitsport, mit aufblasbaren Boards und in gemächlichem Tempo. Wie geht es im Wettkampfsport zu und was gibt es für Disziplinen?
«Die Distanz ist bei Langstreckenrennen meistens zwischen 8 und 20 Kilometern, dafür brauche ich ungefähr ein bis zwei Stunden. Dann gibt es noch kürzere Rennen, sogenannte 'technical races' mit viel mehr Bojen und zum Teil noch einer kurzen Laufstrecke am Strand. Man startet an Land und läuft mit dem Board ins Wasser, umrundet einige Bojen und kommt wieder zur Laufstrecke, bevor es auf die nächste Runde geht. Das ist auch spannend für die Zuschauer.»
Welche Disziplin ist dir wichtiger?
«Die Langdistanz ist so ein bisschen die Königsdisziplin. Das Rennen zählt am meisten, deshalb trainieren wir vor allem dafür. Ich mag aber die Kurzdistanzrennen auch sehr, weil es technisch anspruchsvoll ist. Das macht mehr Spass als eine Stunde geradeaus zu paddeln. Wenn man zu fünft auf eine Boje zu paddelt und schauen muss, wie man als erster rum kommt...»
...oder auch nicht.
«Stürze kommen dabei schon mal vor und es dauert sicher fünfzehn Sekunden, bis man wieder auf dem Board ist. Aber es ist nicht unmöglich, das wieder aufzuholen.»
Gibt es so etwas wie Vorfahrtsregeln oder wird Board an Board gekämpft?
«Es wird schon Board an Board gekämpft. Ein bisschen abdrängen darf man den Gegner auch. Die Regel ist einfach so, dass man niemanden aktiv behindern, schubsen oder mit dem Paddel wegstossen darf.»
Was spielt das Material für eine Rolle? Du hast drei verschiedene Boards in deinem Bus.
«Es gibt Flachwasser-Boards, die vorne eher spitz und schlank geschnitten sind. Sie gleichen schon fast einem Rennkajak und sind dafür gemacht, bei ruhigen Bedingungen möglichst schnell geradeaus zu kommen. Bis zu etwa kniehohen Wellen funktionieren sie einigermassen, bei höherem Wellengang und auf dem Meer sind sie dann nicht mehr zu paddeln. Dafür gibt es andere Arten, die eher wie ein Surfboard gemacht sind.»
Du bist auch international unterwegs, steigst in deinen Bus und fährst quer durch Europa an die Rennen. Kannst du das durch Sponsoren und Preisgelder finanzieren?
«Die Schweizer Rennen kann ich mit dem Preisgeld mehr oder weniger finanzieren. Das reicht für Benzingeld, Anmeldung, Mittagessen. Bei den europäischen Rennen zahle ich gnadenlos drauf. Da gibt es zwar schon ordentlich Preisgeld zu holen, aber halt nur für die ersten fünf.»
Und wie schneidest du da ab?
«Das ist einfach eine komplett andere Welt. In der Schweiz gibt es vielleicht fünf Leute, die ähnlich schnell sind. Dann fährst du ein Rennen in Europa und 50 sind so schnell wie du. Meistens bin ich irgendwo zwischen Platz 20 und 35 gelandet. Da kommt aus jedem Land noch einer, der mindestens genauso schnell ist.»
Dann lohnt es sich für dich hoffentlich, weil die Szene so nett ist.
«Die europäische Tour ist wirklich ganz cool. Einige sind mehrere Wochen unterwegs und fahren von Rennen zu Rennen. Da ist man schon wie eine kleine Familie und geht man auch mal zusammen trainieren oder essen. Die meisten reisen alleine, deshalb kommt man schnell in Kontakt. Es macht irrsinnig viel Spass.»
Gerade bist du bei der 11 City Tour in den Niederlanden Achter geworden. Ein Etappenrennen, in dem es an nur fünf Tagen über 220 Kilometer geht, war auch für dich etwas Neues. Was hat es dir ausser Muskelkater und der guten Platzierung gebracht?
«Den Muskelkater hatte ich am dritten Tag zum Glück überwunden. Ich habe viel über meine Ernährung gelernt. Am ersten Tag habe ich vor allem nach dem Rennen zu wenig gegessen, das musste ich auf der nächsten Etappe teuer bezahlen. Danach gab es dann abends jeweils drei Mahlzeiten, um die ganze Energie wieder aufzuladen. Anfangs habe ich auch versucht, mich beim Paddeln hauptsächlich flüssig zu ernähren. Dann habe ich gemerkt, dass ich zusätzlich noch eine gewisse Menge an fester Nahrung benötige. Gegen Ende der Woche wurde alles besser, das war spannend zu sehen. Ein Vorteil, den ich mit nach Hause nehme, ist sicher mental: Wenn man fünf Tage lang so paddeln kann, dann ist wohl jedes 'normale' Rennen kein Problem mehr.»
Du fährst ja nicht nur 'normale' Rennen, sondern warst schon bei allen möglichen Bedingungen unterwegs. Was war deine krasseste Erfahrung?
«Auf dem Meer unterwegs zu sein, das macht dich sehr bescheiden. Solange das Wasser flach ist, hast du das Gefühl, das geht ja locker. Und dann bist du da draussen und das Meer zeigt dir schon, wer der Chef ist. Downwinden zu lernen war hart.»
Downwinden heisst…?
«Man ist nicht am Strand und surft eine Welle die bricht, sondern paddelt draussen auf dem Wasser mit dem Wind und der Welle mit. Man versucht also, Wellen abzureiten, die nicht wirklich brechen. Ich bin auch im Winter viel in der Bretagne unterwegs und da sind die Wellen schon relativ gross. Die Küsten sind felsig und die Wellen schlagen zurück aufs Meer. Man schwimmt dann ziemlich viel und kommt gefühlt ein bisschen kleiner nach Hause, als man losgegangen ist.»
Alain wurde am 2. Februar 1988 geboren und paddelt nicht nur im Renntempo über Schweizer Seen. Als Instruktor und sportlicher Leiter bei Supkultur gibt er sein Knowhow und seine Leidenschaft weiter. «Nebenbei» strebt er den Master in Geschichte und Islamwissenschaften an. Seine sportlichen Ziele führen ihn vermehrt in die Ferne: Im Winter tritt er zur WM im chinesischen Hainan an – falls auch sein Board am Stück dort ankommt.
Instagram: @alainluck // Facebook: @alainlucksup // Blog: alainluck.ch
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.