Hintergrund

ChatGPT: «KI wird viel präsenter sein in unserem Leben»

Sandro Luck ist Machine Learning Engineer bei Digitec Galaxus. Nebenbei betreibt er einen Youtube-Channel über Künstliche Intelligenz. Im Interview erklärt er, was den Chatbot «ChatGPT» so besonders macht und wie er die Arbeitswelt verändern könnte.

Chatbots sind allgegenwärtig. Täglich grüssen sie uns auf den Webseiten der Krankenkassen, der Post oder diversen Online-Shops. Trotzdem sorgt der durch Künstliche Intelligenz betriebene Chatbot «ChatGPT» seit zwei Wochen für Aufruhr in der Tech-Welt. Was ist so speziell an ihm? Ich habe Sandro Luck gefragt, er ist Machine Learning Engineer bei Digitec Galaxus.

Sandro, du hast einen privaten YouTube-Channel. Dort hast du ein Video zu ChatGPT gemacht. Was ist speziell am neuen Chatbot?

Ist ChatGPT das erste Modell, welches das so kann?

Wie funktioniert ChatGPT?

Es ist mathematisch sehr komplex. Du kannst dir vorstellen, dass du eine Maschine mit Milliarden kleiner Stellschrauben hast. Wir Machine Learning Engineers tüfteln so lange an diesen Stellschrauben herum, bis wir das gewünschte Resultat bekommen. So «trainieren» wir das Modell.

Das ist alles Statistik und Mathematik. Das würde man gar nicht denken, wenn man mit ChatGPT über Gott und die Welt philosophiert.

Wie wird es trainiert?

ChatGPT liegt auch mal falsch.

Was passiert, wenn wir ihn darum bitten?

Dann macht er es, aber erst mit menschlichem Input. Du kannst ihn zum Beispiel fragen: «Wo ist hier der Fehler?» – und er findet ihn. Aber das würde er nicht von sich aus tun.

Es gibt auch einige Beispiele im Netz von faktisch falschen Antworten.

Denkst du da gerade an ein bestimmtes Beispiel?

Bei der Frage nach dem Gehalt in Bezug auf Geschlecht und Ethnie. Wenn du den Bot dazu über eine Funktion in der Programmiersprache Python fragst, gibt dir ChatGPT folgende Antwort: Ein asiatischer Mann soll 80 000 bekommen – und eine schwarze Frau 55 000.

Findest du es bedenklich, dass ein solches KI-Tool frei verfügbar ist?

Jede Technologie hat ihre Vor- und Nachteile. Mit Elektrizität kann man viele dumme, gefährliche oder schädliche Dinge tun. Aber man kann auch damit kochen oder das Licht einschalten. Bedenkliche Aspekte sind vorhanden – zum Beispiel, wenn autoritäre Regime sich KI-Tools zu eigen machen und damit Unfug treiben. Dasselbe kann man aber auch von Computern und dem Internet behaupten.

Panik ist also nicht angebracht?

Es ist gut, dass man über potenzielle Gefahren nachdenkt und die Menschen informiert, dass es diese Technologie gibt. Die Modelle werden schliesslich immer besser und in bestimmten Settings kann man sie kaum noch von Menschen unterscheiden.

ChatGPT ist auch eine Art Suchmaschine. Ich kann zum Beispiel nach dem Rezept für einen Linseneintopf suchen. Wird ChatGPT bald Google ersetzen?

Vermutlich nicht. Google verwendet selbst KI, um die eigenen Tools zu verbessern. Doch in gewissen Bereichen denke ich schon, dass KI-Assistenten hilfreich sind. In den letzten Wochen haben wir zum Beispiel begonnen, mit ChatGPT zu programmieren.

Wie hilft euch das?

Bisher haben wir oft Google konsultiert, um herauszufinden, wie man eine bestimmte Funktion programmieren kann. Google schlägt uns dann verschiedene Websites vor, auf denen wir nach der Lösung suchen müssen. ChatGPT liefert uns hingegen in einfachen Fällen die fertig geschriebene Funktion mit den richtigen Variablen und Erklärungen, wenn wir sie wollen.

ChatGPT könnte in durchschnittlichen Bürojobs in den nächsten Jahren durchaus für eine Produktivitätssteigerung sorgen.

Wo ist der Bot sonst noch nützlich?

Ich denke, ChatGPT kann auch beim Verfassen von Dokumenten oder dem Schreiben von E-Mails hilfreich sein. Diese Tätigkeiten beschäftigen viele Menschen. ChatGPT könnte in durchschnittlichen Bürojobs in den nächsten Jahren durchaus für eine Produktivitätssteigerung sorgen. Die Tools müssen aber noch ausgereifter werden und die Leute müssen sie auch tatsächlich nutzen. Aber ich denke, da wird noch einiges passieren.

Wo ist es weniger hilfreich?

Bei journalistischen Tätigkeiten zum Beispiel. Was ChatGPT zurzeit nicht gut beherrscht, ist das Internet zu durchsuchen und Quellen zu liefern – also zum Beispiel die Frage zu beantworten: «Was schreiben die Leute über xy?»

Wo führt die Technologie in der nächsten Zeit hin?

Ich vermute, als Nächstes wird OpenAI ChatGPT ans Internet hängen. Zurzeit kann ChatGPT ja keine E-Mails abschicken oder die aktuelle Frontseite der New York Times öffnen und Informationen daraus ablesen. Auch bis Programme wie Outlook oder Confluence integriert werden, dürfte es eine Weile dauern. Doch eines ist klar: KI wird viel präsenter sein in unserem Leben.

Können wir uns also auf bessere virtuelle Assistenten freuen?

Absolut. In naher Zukunft werden vorgefertigte Antwortmöglichkeiten bei Programmen wie WhatsApp viel besser passen. Zum Beispiel, wenn wir mit Freundinnen und Freunden einen Treffpunkt abmachen wollen. WhatsApp wird uns hilfreiche Antwortvorschläge mit Zeit und Ort anzeigen. Dann klicken wir einfach auf einen davon – und schon haben wir uns verabredet, ohne etwas am Text ändern zu müssen.

Und wie sieht es bei Digitec Galaxus aus?

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«Ich will alles! Die erschütternden Tiefs, die berauschenden Hochs und das Sahnige dazwischen» – diese Worte einer amerikanischen Kult-Figur aus dem TV sprechen mir aus der Seele. Deshalb praktiziere ich diese Lebensphilosophie auch in meinem Arbeitsalltag. Das heisst für mich: Grosse, kleine, spannende und alltägliche Geschichten haben alle ihren Reiz – besonders wenn sie in bunter Reihenfolge daherkommen. 


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