

Bei dieser Black-Diamond-Jacke lohnt sich ein Blick auf die Details

Die Black Diamond Highline Stretch Shell soll wasserdicht bleiben, ohne dass du ihre Beschichtung auffrischen musst. Nicht dank aggressiver Chemikalien, sondern durch ein umweltfreundliches Verfahren.
Bevor ich zum Modell von Black Diamond komme, ein paar Dinge vorweg: Eine neue Outdoorjacke ist immer super. Du entfernst mindestens fünf verschiedene Label, die perfekte Eigenschaften versprechen, und fühlst dich rundum geschützt. Wasser perlt einfach ab. Ein paar Monate später stehst du im Regen. Dieselbe Jacke hängt wie ein nasser Sack an dir herunter und du weisst nicht mehr, ob Schweiss von innen oder Wasser von aussen deine Kleidung am Körper kleben lässt. Die DWR-Imprägnierung hat nachgelassen. DWR steht für «Durable Water Repellency». Diese Schicht hält das Wasser aus dem Gewebe. Saugt es sich voll, ist die Jacke weder dicht noch atmungsaktiv. Du kannst sie waschen und neu imprägnieren. Je nach Art der Beschichtung findest du die Pflegehinweise beim Hersteller.

Was alles in deiner Jacke steckt, solltest du schon beim Kauf beachten. In den vergangenen Jahren haben die Outdoor-Firmen das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt. Das ist schön, das ist logisch. Und ich nehme es allen Beschäftigten in der Branche ab, dass ihnen die Umwelt am Herzen liegt. Trotzdem gibt es hier einen schwer aufzulösenden Konflikt: Wenn wir uns in die Natur begeben, stecken wir meist in diversen Kunststoffschichten, die uns vor Wind und Wetter schützen. Dazu kommen Chemikalien. Stichwort PFC: Diese Verbindungen gelten als umwelt- und gesundheitsschädlich und sind ein Mittel der Wahl, um Stoffen wasser- und schmutzabweisende Eigenschaften zu verpassen.
Inzwischen gibt es Alternativen, was die Imprägnierung angeht. Wer durch die Hallen derweltgrössten Branchenschau ISPO in München läuft, bekommt den Eindruck, Kunststoff und Chemikalien seien Geschichte. Natürlich werben alle mit Nachhaltigkeit. Natürlich nutzen auch wir bei Galaxus dieses Schlagwort fast schon inflationär. Und natürlich betreffen die Innovationen häufig nur Teilaspekte des Materials und der Herstellung. Aber es sind Schritte in die richtige Richtung. Manche davon werden ausgezeichnet.

Die Black Diamond Highline Stretch Shell hat 2019 den «Outstanding Outdoor Award» in der Kategorie «Rain Apparel» erhalten und wurde 2020 vom Outside Magazine als «Gear of the year» ausgezeichnet. Warum das so ist, schauen wir uns jetzt an.
Die Jacke
Die Highline Stretch Shell ist eine dreilagige Jacke, die zum Teil auf Bewährtes von Black Diamond setzt. Sie ist gerade geschnitten und bietet dank elastischem Nylon viel Bewegungsfreiheit, die du beim Wandern, Bergsteigen oder Klettern zu schätzen weisst. Tatsächlich vermittelt diese Bergjacke nicht das Plastikgefühl mancher Regenjacken, obwohl sie mit ungefähr 360 Gramm nicht viel dicker und schwerer ist.

Eine Brusttasche, zwei Seitentaschen, vor Feuchtigkeit geschützte Reissverschlüsse, Belüftung unter den Armen und eine mit dem Kletterhelm kompatible Kapuze gehören zur Grundausstattung in dieser Kategorie. Die Nähte sind vollständig bandversiegelt, was der Wasserfestigkeit zugute kommt. Diese wird mit 20.000 mm Wassersäule angegeben. Solche Werte und Normen sind immer ein wenig abstrakt.
Nach der europäischen Norm EN 343:2003 («Schutzkleidung gegen Regen») ist ein Produkt mit einer Wassersäule ab 800 mm «wasserdicht (Klasse 2)» und ab 1.300 mm «wasserdicht (Klasse 3)». Die Eidgenössische Materialprüfanstalt (EMPA) in St. Gallen in der Schweiz geht davon aus, dass ein Funktionsmaterial ab einer Wassersäule von 4.000 mm wasserdicht ist.
Du kannst also in der EU trocken und in der Schweiz nicht ganz dicht sein. Auch der Versuch, Wassersäulen in die Praxis zu übersetzen, liefert nur grobe Anhaltspunkte.
Beim Sitzen auf feuchtem Untergrund wird ein Druck aufgebaut, der ca. 2.000 mm Wassersäule entspricht. Beim Knien in der Hocke drücken schon ca. 4.800 mm Wassersäule auf die Bekleidung. Materialien wie Gore-Tex, Texapore O2 oder Sympatex haben eine Wassersäule von 10.000 mm bis zu 30.000 mm.
Schlussendlich werden dir Normen egal sein, wenn du im Regen stehst. Dann zählt nicht erste, zweite oder dritte Klasse, sondern nur nass oder trocken. Ob du trocken bleibst, hängt vom Wasserdruck, dem Zustand deiner Jacke und den Details der Verarbeitung ab. Bist du mit Gepäck unterwegs, muss die Beschichtung der Reibung und dem Druck an den Riemen des Rucksacks standhalten. Sind die Reissverschlüsse nicht geschützt oder die Nähte ein Schwachpunkt, dringt trotzdem Feuchtigkeit durch. Ist die DWR-Imprägnierung nicht mehr intakt, ist die Angabe zur Wassersäule wertlos.

Auf dem Papier macht die Highline Stretch Shell alles richtig, um dauerhaft wasserdicht zu sein. Auch was die Atmungsaktivität angeht, weist sie mit 20,000g/m2/24h einen guten Wert auf. Diese Moisture Vapor Transmission Rate gibt an, wieviel Wasserdampf durch einen Quadratmeter des Materials in 24 Stunden verdunsten kann. Noch so ein objektiver Laborwert, den du in der Pfeife rauchen kannst, weil das Leben sich nicht standardisieren lässt.
Die härteste Prüfung, der ich die Jacke bislang ausgesetzt habe, hat sie bestanden: Beim Test des X Speed Pedelec hat mich ein heftiges Sommergewitter überrascht. 45 km/h auf der Landstrasse, peitschender Regen – ich sah wie ein nasser Lappen aus, aber die Schutzschicht hielt dicht. Und wirklich interessant ist, wie diese Wasserfestigkeit erreicht wird.

Die Geschichte einer Beschichtung
Die Innovation, der die Jacke ihre Auszeichnungen verdankt, stammt von einer Firma namens Green Theme Technologies. Kurz: GTT. Das Unternehmen gibt es seit 2013 und es geht auf Experimente in der Küche von Dr. Gary Selwyn zurück. Der erfahrene Chemiker ist vor sieben Jahren auf der Suche nach einem Verfahren, um Textilien ohne schädliche Chemikalien und Wasserverschwendung zu imprägnieren. Und er hat Erfolg.
Sein Trick: Jede Faser des Gewebes wird einzeln beschichtet. Um das zu verstehen, muss ich ins Detail gehen. Aus Monomeren, also reaktionsfähigen Molekülen, entstehen in seinem Verfahren Polymerketten, die die Fasern des Materials umgeben und sich dauerhaft mit ihnen verbinden. So bleibt das Gewebe wasserdicht und atmungsaktiv. Die Ausgangslösung, die aufgetragen wird, kommt ohne Wasser aus. Kein Tropfen wird dafür verschwendet oder verschmutzt. Sie wird unter Druck ins Gewebe gebracht, bevor bei Hitzezufuhr die thermische Aushärtung stattfindet. Wenn dich das Verfahren im Detail interessiert, kannst du hier mehr darüber lesen.

Unter dem Strich ist das eine umweltfreundlichere Lösung, die nicht nur mit herkömmlichen PFC-Beschichtungen mithalten kann, sondern ihnen sogar überlegen ist. Das Ergebnis ist wasserdichter, dauerhafter und geschmeidiger. Mit dem EMPEL-Verfahren des Dr. Gary Selwyn beschichtet, soll sogar Wolle dauerhaft wasserdicht gemacht werden können.
Um solche Eigenschaften möglichst praxisnah feststellen und vergleichen zu können, kommt unter anderem eine fast schon antike Methode zum Einsatz: Die Beregnungsprüfung nach Bundesmann. Zumindest findet sich zu Dr. Bundesmann ein erster Literaturhinweis aus dem Jahr 1935 mit dem Titel «Eine neue Apparatur zur Gebrauchswertprüfung wasserabstossend imprägnierter Textilien».
Dass sie sich bis heute gehalten hat, könnte daran liegen, dass der Versuchsaufbau ziemlich praxisnah ist. Die verschiedenen Stoffproben werden in einer Beregnungskammer auf Becher gespannt. Von unten reibt ein Wischer daran, was die Bewegung im Gebrauch simulieren soll. Das Ganze dreht sich und ist so konstruiert, dass gleich viel Wasser auf alle Becher fällt. Am Ende wird geprüft, wie viel Wasser den Stoff durchdrungen hat und wie viel er aufgenommen hat. Und bei diesem Test deklassiert das EMPEL-Verfahren von GTT die Konkurrenz. Dr. Selwyn ist nicht der begnadetste Youtuber, aber in seinem Kanal kannst du es dir erklären lassen.
Fazit
Die Black Diamond Highline Stretch Shell bringt alles mit, um dich in extremen Wetterlagen zu schützen. Das geht nicht auf Kosten des Komforts. Dank Stretch-Material trägt sie sich sehr bequem und schränkt deine Beweglichkeit nicht ein. Ihr Innenleben ist auch bei Hautkontakt angenehm seidig. Aussen ist sie ebenfalls so geschmeidig, dass ich sie nicht nur bei Regen und in den Bergen gerne anziehe.
Von einer sehr guten zu einer ausgezeichneten Jacke wird sie durch die Technik von GTT. Ein umweltfreundliches Verfahren mit überlegener Performance – zwei Faktoren, die vielen Outdoor-Menschen Freude bereiten sollten.



Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.