Hintergrund

«An der LAP wäre das Note 2»

Ein Bett beziehen. Wie schwer kann das schon sein? Sehr schwer, wie ich im 25hours Hotel Langstrasse in Zürich am eigenen Leib erfahren habe.

Ich habe in meinem Leben schon hunderte Male mein Bett frisch bezogen. Es ist eine Hassliebe. Umständlich und mühsam. Sobald es frisch bezogen ist, freue ich mich aber umso mehr auf mein Bett. Das Bett zu beziehen gehört zu den Tätigkeiten, über die man nicht nachdenkt. Man macht es einfach. Ein notwendiges Übel. Ich kann es nicht, ich tu es einfach.

Wie falsch ich mit dieser Annahme lag, hat mir Jamie Nimtz beim Tag der offenen Hoteltüren «Please Disturb» gezeigt. Jamie ist im letzten Lehrjahr als Hotelfachfrau im 25hours Hotel Langstrasse in Zürich. Betten beziehen ist ihr Beruf*. Die sympathische 18-Jährige soll mir beibringen, wie man Betten bezieht. Jetzt lache ich noch. Bald sollte nur noch Jamie lachen.

Die Verzweiflung ist mir anzusehen
Die Verzweiflung ist mir anzusehen

Sehr genau schaut sie mir auf die Finger, als ich das Laken aufklappe. Der erste Handgriff sitzt per Zufall. Danach passt nichts mehr. «Hier ist das Laken zerknittert. Nochmal machen.» Ich bin mir Fixleintücher gewohnt. Und ich nehm’s zuhause nicht so genau, das Bett zerknittert eh nach einer Nacht. «Nein, den Bettbezug fassen wir nie auf der Aussenseite an. Das ist unhygienisch», sagt Jamie und lässt mich die Decke nochmals auspacken und neu beziehen.

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen

«Das Kissen kannst du in der Mitte falten. Dann geht es ganz einfach in den Bezug rein». Schon wieder was gelernt. Ich schwitze. Vor Anstrengung. Vor Nervosität. Der nächste Fehler kommt und wird mit einem «Nein, nicht so» von Jamie abgestraft. Das grosse Kissen kommt ganz nach hinten, dann das kleine davor und nicht daneben. Sowieso sind die Ecken noch nicht richtig. Die Tagesdecke kommt beim Bett unten ran, nicht in der Mitte. Nach 15 Minuten ist das Bett gemacht. Die Zielvorgabe: 3 Minuten. «Bei der LAP wäre das Note 2», sagt Jamie gnadenlos. Sie muss es wissen.

Der Trick mit dem Kissen
Der Trick mit dem Kissen

Jamie steht die Lehrabschlussprüfung bald an. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass sie diese besteht. So wie sie mich geschult hat, könnte sie die Lehrabschlussprüfung als Expertin begleiten. Zuhause habe ich mein Bett nach unserem Treffen frisch bezogen und ein bisschen geschummelt. Ich habe die Aussenseite des Bezugs berührt. Sorry, Jamie. Ich wünsche dir viel Erfolg an der LAP!

*Das ist übertrieben. Es klingt einfach gut. In Tat und Wahrheit macht eine Hotelfachfrau noch viel mehr: Sie hält Gästezimmer sauber, hilft beim Frühstück und bei Banketten und empfängt Gäste an der Recéption.

Wenn du noch mehr Videos von mir sehen willst, bei denen ich hoffentlich besser aussehe als hier, dann folge etwas weiter unten meinem Autorenprofil. Sobald es Neues von mir gibt, kriegst du elektronische Post.

14 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


Wohnen
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Die Poesie des Alltags: Warum gelebtes Chaos schöner ist als Katalog-Ästhetik

    von Pia Seidel

  • Hintergrund

    Liebling, die Kinder sind gewachsen!

    von Ann-Kathrin Schäfer

  • Hintergrund

    «Henry Halfhead» angespielt: Dieses Schweizer Game ist nicht auf den Kopf gefallen

    von Philipp Rüegg

4 Kommentare

Avatar
later