Kritik

5 Serien der 90er-Jahre, die schlecht gealtert sind – und eine die immer noch genial ist

Wenn du in den 90er-Jahren TV-sozialisiert wurdest, kennst du sie: Al Bundy, Mitch Buchannon oder das A-Team. Die Helden deiner Kindheit würden heute aber wohl kaum die erste Staffel überleben. Oder doch?

Dieser Beitrag ist eine Schnapsidee, im wahrsten Sinne des Wortes, entstanden während eines lustigen Abends der Co-Autorenschaft. Bei diesem entstand die folgende Liste: TV-Serien, die in den 90er-Jahren über Röhrenbildschirme flimmerten und uns im Vor-Netflix-Zeitalter fesselten, die aber so schlecht gealtert sind, dass sie heute nur noch unter Schmerzen noch einmal konsumiert werden könnten.

Klar ist jetzt schon, dass zahlreiche Film- und Serien-Projekte auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Gut möglich also, dass dir und mir schon ziemlich bald der Nachschub an neuen Bildschirminhalten ausgehen könnte. Was passt also besser, als sich auf einige der Lieblinge aus Kinder- und Jugendtagen zu besinnen und sich eine ordentliche Ladung Nostalgie auf den heimischen Bildschirm zu holen?

Hier kommt nun also eine kleine, garantiert unvollständige Liste von 1980er und 90er TV-Serien, die sich fünf Redaktionsmitglieder nicht mehr geben können.

Und auch eine, die gealtert ist wie eine Flasche Chateau Lafite Rothschild 1982.

Baywatch

Oliver Fischer

Dass es die Erfolgsgeschichte überhaupt gibt, ist letztlich ihrem Hauptdarsteller Mitch Buchannon, rsp. dessen Schauspieler David Hasselhoff zu verdanken. Nachdem die erste Staffel nämlich floppte, wurde Baywatch bereits abgesetzt. Hasselhoff übernahm mit seiner eigenen Produktionsfirma die Rechte daran und produzierte fortan die jeweils 22 Episoden der Staffeln 2 bis 11.

Ebenfalls denkbar einfach waren die Casting-Kriterien für besagte Darstellerinnen und Darsteller: Frauen unter 25, schlank und grossbusig; Männer unter 30, durchtrainiert; Männer und Frauen weiss, aber braungebrannt. Während der Hashtag #oscarsowhite 2015 die Welt der Movie Academy erschütterte, sah in den 90er Jahren niemand ein Problem darin, die erfolgreichste TV-Serie der Welt mit über 90 Prozent weissen Schauspielerinnen und Schauspielern zu besetzen.

Was man Baywatch in seiner ganzen Trash-Ästhetik der 90er-Jahre zugute halten kann: Männer und Frauen wurden in vergleichbarem Masse als beliebig austauschbare, einzig der Fleischbeschau dienende Ware gecastet und nach ein bis drei Staffeln wieder ersetzt. Und wenn es um die Leistungen als Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer ging – denn darum drehte sich die Serie schliesslich – waren Frauen und Männer tatsächlich meistens ebenbürtig.

Für eine Serie, die so lahm geschrieben, so lausig produziert und so einheitlich gecastet ist, würde heute nicht mal mehr ein Pilot produziert. Völlig zu Recht. Eindrücklich hat das auch 2017 der mässig erfolgreiche und weniger als mässig gute Baywatch-Film bewiesen. Nicht mal als Persiflage und getragen von den beeindruckend breiten Schultern von Dwayne «Kassenmagnet» Johnson vermochte der Stoff die Massen noch zu begeistern belustigen.

Hör mal, wer da hämmert

Claudio Candinas

Man nehme einen talentfreien Heimwerker mit Geltungsdrang und einer ausgeprägten Leidenschaft für Hot Rods, bereichere sein Leben durch eine Frau, die fürs Familienglück auf ein Studium verzichtet hat, schenke dem Paar drei kerngesunde, (hyper)aktive Söhne und pflanze sie in ein Haus in good ol’ Motown Detroit.

Kann man das machen? Nein! Kann man darüber lachen? Die Einschaltquoten sagten zumindest von 1991 bis 1999 eindeutig Ja.

Auch wenn «Hör mal, wer da hämmert» zweifelsohne zu den erfolgreichsten Sitcoms der 90er gehört, erlaube ich mir die Frage, ob dieses Format gut gealtert sein könnte, mit Al Borlands berühmter Catch-Phrase zu beantworten: «Das glaube ich nicht, Tim…»

Eine schrecklich nette Familie

Martin Jungfer

Elf Staffeln und unfassbare 259 Episoden lang durfte ich ab 1992 im deutschen Fernsehen bei RTL das Treiben der Familie Bundy verfolgen. Aus dem eh schon harmlos klingenden Originaltitel «Married … with children» wurde in der deutschen Übersetzung «Eine schrecklich nette Familie». Das klang nach harmloser Unterhaltung, war aber beissende Satire bis an die Schmerzgrenze, oft genug darüber hinaus.

Die Nanny

Anika Schulz

Die Handlung von «Die Nanny» ist so simpel wie trashig: Die Nanny, Fran Fine, verliert ihre gesamte Lebensgrundlage, als ihr Lover und Chef (Never f*** the company!) sie mit ihrer Highschool-Rivalin betrügt und vor die Tür setzt. Zufällig ergattert sie einen Job als Kindermädchen bei dem verwitweten, stinkreichen und selbstverständlich wahnsinnig gutaussehenden Broadway-Produzenten Maxwell Sheffield und zieht in seine Luxus-Villa ein.

Das Ganze gipfelt darin, dass er ihr bei einem Beinahe-Flugzeugabsturz sogar seine Liebe gesteht, es kurz darauf jedoch wieder zurücknimmt. Heute würde man das eine toxische Beziehung nennen und Elemente von Gaslighting erkennen. Dennoch ignoriert Fran sämtliche red flags, baggert weiter und heiratet Mr. Sheffield. Am Ende der sechsten Staffel kommen die gemeinsamen Zwillinge zur Welt.

Das A-Team

Richie Müller

45 Minuten dauerte jeweils eine Folge – und das Fernsehzimmer in meinem Internat war zur Sendezeit stets rappelvoll. Die Serie «Das A-Team» hatte Kultstatus. Die vier Vietnamkriegsveteranen auf der Flucht vor der Militärpolizei übten damals eine grosse Anziehungskraft auf uns aus.

Der Plot? Denkbar simpel: Das A-Team half anderen Menschen in der Not. «Hannibal» war Chef der Truppe. Er nahm Aufträge an, welche die Freunde häufig in abgelegenen Gegenden führten. Die Gegner waren plumpe Schlägerbanden – im Auftrag eines zwielichtigen Geschäftsmannes.

Jede Folge endete jeweils in einem fulminanten Geballere, wobei die Waffen nie nachgeladen werden mussten. Menschen, Autos und anderes flogen szenenwirksam in Zeitlupe durch die Luft – mehrmals. Tote und Verletzte? Gab es nie. Wer sich heute eine Folge der Serie ansieht, kann die Magie von damals nicht mehr nachvollziehen. Zu billig, zu schlecht und zu plump wirkt das im Jahr 2023.

Und doch: Die NBC-Serie wurde von 1983 bis 1987 produziert. Sie gehörte damals zu den erfolgreichsten amerikanischen TV-Serien. Gemäss Wikipedia-Eintrag hatte die erste von fünf Staffeln im Schnitt 16,7 Millionen Zuschauer.

Zu guter Letzt entlassen wir euch aber nicht mit den Horror gewordenen Erinnerungen an unsere TV-Kindheit, sondern mit einem Glanzstück der TV-Geschichte:

Seinfeld

Oliver Fischer

Bei all den wirklich grandios schlecht gealterten Serien der 90er (und da gäbe es ja noch so viele mehr) gibt es auch eine – natürlich nicht nur eine –, die auch heute noch grandios ist. Aktuell wie damals, zeitlos zeitgeistig, witzig, politisch unkorrekt und (fast) ohne tumbe Plattitüden: «Seinfeld»!

Die Story über vier chaotische, neurotische, exzentrische Freunde in Manhattan um den relativ erfolgreichen Stand-Up-Comedian Jerry Seinfeld, der sich selbst spielt und Miterfinder der Serie ist, dreht sich quasi um nichts. Das wird in Staffel 4 in einer mehrteiligen Storyline sogar thematisiert, als Jerry und sein Kumpel George Costanza für NBC eine Pilotfolge für eine Serie produzieren mit dem Konzept «Eine Serie über nichts».

Zugegeben kann man Seinfeld durchaus den einen oder anderen berechtigten Vorwurf machen. So ist der Cast alles andere als divers: mehrheitlich männlich, Elaine und der endlose Kanon kurzzeitiger Freundinnen ausgenommen, und primär weiss.

Die ständige Suche nach der noch besseren Beziehung, der Unwille oder die Unfähigkeit einer geregelten Arbeit nach zu gehen – oder diese sogar gezielt zu vermeiden – oder die ständige Unverbindlichkeit als grosse Konstante im Leben der vier Hauptfiguren, wirken aus heutiger Sicht wie eine vorweggenommene Parodie auf die angeblich so bindungsunwillige, sprunghafte, immer-auf-der-Suche-nach-der-besseren-Gelegenheit-befindliche, arbeitsscheue Generation Z.

Du findest, auf dieser Liste fehlen weitere schlecht gealterte TV-Serien der 80er- und 90er-Jahre? Dann ab in die Kommentare damit. Oder du hast – neben Seinfeld – weitere Serien on lock, die du auch heute noch gerne schaust. Auch das wollen wir wissen.

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Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.


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