Hintergrund

25 Jahre Dungeon Keeper: So entstand es, darum ist eine Fortsetzung ausgeschlossen

PC Games
23.5.2022

Trotz chaotischer Entwicklung wurde es am Ende richtig böse: Mit Dungeon Keeper erschufen Peter Molyneux und Bullfrog Productions eines der ungewöhnlichsten Strategiespiele aller Zeiten. Wir blicken zurück auf die bewegte Geschichte der Kerker-Simulation.


Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games». Hier findest du den Original-Artikel von Autor Olaf Bleich, Benedikt Plass-Flessenkämper und Redaktionsleiter Lukas Schmid


Bullfrog Productions und Electronic Arts

Bullfrog Productions gehörte Anfang der 90er zu den Rockstars der Spieleentwickler-Szene. Gegründet 1987 von Peter Molyneux und Les Edgar, erarbeitete sich das kleine Team rasant einen guten Ruf für innovative Produkte. Bereits das dritte Spiel der Briten eroberte den Massenmarkt: Populous.

Das 1989 veröffentlichte Strategiespiel begründete das Genre der «Götter-Simulationen» und verkaufte sich bis heute über vier Millionen Mal. Es wurde damals von Electronic Arts vertrieben, die früh das Potenzial hinter Bullfrog und deren Ideen erkannten. Auf Druck von EA hin folgten auf Populous das Strategiespiel Powermonger (1990) und schließlich Populous 2: Trials of the Olympian Gods (1991).

Bullfrog wuchs zu Beginn der 90er enorm schnell und bezog größere Büroräume im Surrey Research Park in Guildford. Peter Molyneux selbst avancierte zum Videospiel-Promi, der als kreativer Kopf symbolisch für das Credo hinter Bullfrog Productions stand.

«Es war in erster Linie Peters Idee. Sie kam aus einer Gruppe (im Team), die viele kriegerische Brettspiele spielte, die dabei eine erstaunliche Dynamik entwickelten», erklärte Dungeon-Keeper-Programmierer und Bullfrog-Mitarbeiter Jonty Barnes gegenüber dem Magazin Retro Gamer.

Der Gedanke dahinter lautete: «Was wäre, wenn ich beziehungsweise der Spieler als böse Person in einem Dungeon leben würde? Und all diese Weltverbesser und Ritter ankämen, um das zu zerstören, was dir wichtig ist. Was wäre, wenn sie glaubten, dass sie das Richtige täten, obwohl sie eigentlich in deinem Reich in der Unterwelt nichts zu suchen hätten?», führte Barnes diesen Punkt aus.

Und während im November 1994 die Entwicklung von Dungeon Keeper offiziell begann, akquirierte Electronic Arts im Januar 1995 Bullfrog Productions für angeblich 44 Millionen US-Dollar. Diese Entwicklung hatte enorme Auswirkungen auf die Ausrichtung von Bullfrog. So erlaubte die Maßnahme eine massive Expansion, die Belegschaft wuchs innerhalb kürzester Zeit von 35 bis 60 auf über 150 Mitarbeiter an.

Peter Molyneux wurde zum Vizepräsidenten von Electronic Arts und führte obendrein EA Europa an. Ihm zur Seite stand Les Edgar, der als Vizepräsident von EA Europa unter Molyneux fungierte. Das Ergebnis: Bullfrog Productions verlor seine kreative Führung, weil Molyneux und Edgar nun selten vor Ort und stattdessen oft im EA-Hauptquartier weilten.

Mit diesem Wechsel in der Spitze begann eine fast dreijährige Entwickler-Odyssee, die unter anderem von Release-Verschiebungen, strittige Personalentscheidungen und vor allem viel Crunch geprägt war.

Erste Komplikationen

Lead Programmierer Simon Carter, Artist und Producer Mark Healey sowie Designer Barry Meade übernahmen jetzt die Verantwortung für die Weiterentwicklung von Dungeon Keeper. Als technische Grundlage für den ersten Prototyp verwendete man die Grafik-Engine des First-Person-Spiels Magic Carpet von 1994.

Wie baut man einen Kerker-Simulator?

In der Zwischenzeit arbeitete das Kernteam weiter an der Fertigstellung von Dungeon Keeper. Gerade die Simulation des Lebens innerhalb des Kerkergewölbes stellte Bullfrog damals aufgrund der limitierten Hardware-Leistung vor große Herausforderungen.

Neben der eigentlichen Spielmechanik war auch die Präsentation mitentscheidend für den Erfolg von Dungeon Keeper. Mark Healey zeichnete und entwickelte jede Figur im Spiel und war laut eigener Aussage über einen Großteil der Entwicklungszeit der einzige Artist im Team.

Humor spielte eine große Rolle bei der Spielerfahrung. Und so war es auch Healey, der auf die Idee kam, dass der Maus-Cursor wie eine Dämonenhand aussehen sollte. Spieler konnten so nicht nur ihre Monster hochheben, sondern sie auch ohrfeigen, sodass Imps etwa schneller arbeiteten. Diese Verquickung des klassischen User-Interfaces und der Interaktion mit dem Szenario selbst war einzigartig und trug viel zur Atmosphäre des Spiels bei.

Aus dem Büro verbannt

In Peter Molyneux selbst wuchs zu dieser Zeit die Unzufriedenheit über seine aktuelle Position, die es verhinderte, dass er dauerhaft an den Bullfrog-Projekten weiterarbeitete. "Es war verrückt – etwa zur Hälfte der Entwicklung kündigte Peter an, dass er Bullfrog beziehungsweise Electronic Arts verlassen würde, aber dass er noch Dungeon Keeper fertigstellen wolle", erinnerte sich Mark Healey.

Als Reaktion verbot ihm Electronic Arts, die Bullfrog-Büroräume zu betreten. Also arbeitete Molyneux mit unter anderem Simon und Dean Carter und anderen Kollegen aus dem Homeoffice heraus. Die Arbeitsweise erinnerte zu diesem Zeitpunkt eher an junge Entwicklerstudios.

Das Dungeon-Herz ist der wichtigste Teil eures Kerkers. Wird es zerstört, ist die Runde verloren. Dieses Konzept stand bereits früh in der Entwicklung von Dungeon Keeper fest.

Die Kollegen schrieben tagsüber am Spiel weiter, probierten es nachts aus, tranken Bier und spielten einander Streiche. Andy Robson, der damals als Tester an Dungeon Keeper arbeitete, erinnerte sich beispielsweise daran, wie er Peter Molyneux' Tamagotchi in einem unbeobachteten Moment stahl und es in einer Tasse Tee versenkte.

Nach den Spielrunden gab es ausschweifende Diskussionen über die Spielmechanik. Falls jemand zu leicht gewinnen konnte, änderte man tags darauf einige Parameter und passte das Spiel an. Jonty Barnes blickte mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf diese Zeit zurück:

«Diese Abläufe machten die Intensität und die Strategie der Entwicklung von Dungeon Keeper aus. Wir arbeiteten über einen langen Zeitraum sechs bis sieben Tage die Woche. Aber uns fiel das gar nicht auf, weil uns das Projekt so wichtig war.»

Das Spiel nahm über das Jahr 1996 immer mehr Form an und immer neue Informationen, aber auch Gerüchte machten sich breit. Der Hype um Dungeon Keeper wuchs. Im September 1996 präsentierte man das aktuelle Produkt auf der Spielemesse ECTS in London. Trotzdem folgte eine weitere Verschiebung des Erscheinungstermins – diesmal von Dezember 1996 auf März 1997.

Hektischer Endspurt

Auch wenn das Spiel bereits über weite Strecken stand, so wurde Dungeon Keeper doch erst in den letzten Monaten wirklich fertiggestellt. Aspekte wie der Soundtrack von Russell Shaw oder die charakteristische Sprachausgabe für den Mentor durch Richard Ridings kamen erst spät in der Entwicklung dazu.

Dungeon Keeper 3? Sehr unwahrscheinlich!

Auf einen dritten Teil warten wir bislang vergebens. Dungeons Keeper 3 befand sich nach der Fertigstellung des zweiten Teils in der Konzept- und in einer frühen Entwicklungsphase. Dies kündigte Bullfrog in einem kurzen Posting an. Viel mehr wurde aber aus dem Spiel nicht, da es bereits einen Monat später eingestellt wurde.

Wird es aber jemals Dungeon Keeper 3 geben? Wir schätzen diese Chancen eher gering ein. Das Strategie-Genre spielt im Portfolio von Electronic Arts keine größere Rolle mehr und nach den enttäuschenden letzten Gehversuchen scheint die Lizenz vorerst im EA-Archiv zu schlummern. In diesem Sinne: Schlaf gut, Horny ... und vielleicht bis irgendwann mal.

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