

Ghost in the Shell – Cyberpunk auf Grossleinwand
In Zukunft können Menschen beliebig umgebaut werden. Die Bionik ist so weit fortgeschritten, dass der Verlust der eigenen Augen etwas ist, das höchstens eine Mittagspause lang beschäftigt. In dieser Welt ist Major Mira Killian die erste, an der nur noch das Gehirn menschlich ist. Es ist die Welt des Kinofilms «Ghost in the Shell». Ich habe den Film vorab gesehen und sage dir, ob sich der Gang ins Kino lohnt.
Als Beispiel für die herausragende Animation und die Stilsicherheit des Films wird oft die sogenannte «Shelling Sequence» angeführt. In diesen drei Minuten wird das Gehirn Kusanagis – das einzige an ihr, das noch aus Fleisch und Blut besteht – in ihren neuen Körper verpflanzt.
Kurz: Die Realverfilmung mit Scarlett Johansson als Major in der Hauptrolle tritt in grosse Fussstapfen. Die Frage, ob «Ghost in the Shell» diese Fussstapfen füllen kann, ist nicht so leicht zu beantworten. Der 2017er-Film macht viel richtig. Darunter auch die Frage, warum eine Kaukasierin die Rolle einer Frau spielt, die eigentlich Asiatin sein müsste. Aber die Dinge, die der Film versemmelt, versemmelt er mindestens eben so gut.
Die neueste Neuerfindung
Dann folgte die Fernsehserie mit dem Titel «Ghost in the Shell: Stand Alone Complex», in der nebst der Verbrecherjagd die mit künstlicher Intelligenz versehenen Panzer namens Tachikoma versuchen, Rechte zu erlangen. Dazu Videogames, mehr Manga und allerlei Merchandise. Mehr Filme. Mehr Serien. Darunter «Ghost in the Shell: Arise» und «Ghost in the Shell: The New Movie».
Daher ist es immer wieder spannend zu sehen, was Autoren aus der Grundidee machen. Manche dieser Neuinterpretationen finde ich besser wie «Stand Alone Complex» und andere schlechter, darunter «The New Movie».
Im Zuge dieses Artikels möchte ich auf einige Kernelemente des ganzen Mythos rund um Cyberbrains – also menschliche Gehirne mit direktem Zugang zu Technologie – eingehen und so dem Film mit Scarlett Johansson etwas kulturellen Kontext geben.
Respekt für das, was vorher gekommen ist
«Ghost in the Shell» (2017) beginnt mit einer Texteinblendung. Unter Filmenthusiasten ist diese Technik, dem Zuschauer irgendwelchen Kontext ins Gesicht zu schmettern, verpönt. Das geht eleganter. Auch in «Ghost in the Shell». Diese zwei, drei wichtigen Informationen von wegen Robotik und anderem hätten die Autoren auch locker einer Figur in den Mund legen können, genau wie sie es bei den Begriffserklärungen für «Ghost» und «Shell» gemacht haben.
- Ghost: Der menschliche Geist, manchmal auch für das Gehirn als Organ verwendet
- Shell: Der Körper.
Im 1995er-Film sieht das so aus.
Die Szene ist bis ins Detail nachgebildet und beweist schon früh, dass der Film seine Ursprünge versteht, auch wenn die Szene ganz anderen Inhalt hat. Paramount Pictures hat die Szene, wohl um Fans und Kritiker zu beruhigen, schon mal vorab auf ihrem offiziellen Youtube-Kanal veröffentlicht.
Es ist wirklich erfrischend zu sehen, dass sich die Macher des Films nicht nur auf die Grundidee verlassen haben, sondern auch das Erbe der Comics und der Animationen miteinbezogen haben. Und in diesen Schlüsselszenen versteht der Film seine Ursprünge voll und ganz.
Ein Körper hat Gewicht
Etwas weniger versteht der Film sich in allem, was nicht direkt mit Motoko Kusanagis Arbeitgeber Sektion 9 zu tun hat. Vor allem das Setting hat der Film etwas versemmelt. Vor allem, wenn es um eine zentrale Frage, der nach dem Körper, geht. Denn in allen Medien wird im Subtext klar gemacht, dass Kusanagis Körper schwer ist. Weit schwerer als es ein Mensch sein sollte. Wenn sie vom Dach springt, dann birst der Boden unter ihren Füssen.
Kusanagi ist schwer. Sehr schwer sogarDie Story mit einem kleinen Meta-Aspekt
Wo die animierten Filme und Serien bisher eine Art Gedankenanstoss zum Thema Menschlichkeit waren, ist der Film eher ein persönliches Drama des Majors. Denn diese Story der Mira Killian hat es in sich und liefert eine Erklärung für einen Hauptkritikpunkt des Castings der Scarlett Johansson.
Die Kritik, die nach Bekanntwerden der Rollenbesetzung laut wurde, war die, dass Scarlett Johansson eine Kaukasierin ist, Motoko Kusanagi aber eine Japanerin. Der Film löst dies auf eine ganz perfide und clevere Weise. Auch wenn ich persönlich dafür bin, dass mehr Frauen und Minderheiten in Hauptrollen zu sehen sind, finde ich die Art und Weise, wie der Film den Punkt in der Geschichte aufgenommen hat, clever und irgendwie beschäftigend. Fast so, wie der Originalfilm.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.
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