Hintergrund

«Wir wollen nicht bekannt werden – nur ein nachhaltiges Produkt anbieten»

Pia Seidel
22.11.2020
Bilder: Thomas Kunz

Transparenz in der Herstellungskette von Textilien ist für die Gründer vom Label «Na'is» essenziell. Franziska und Damian Carnevale wissen alles über die Entstehung ihrer Produkte in Indien. Wie ihnen die Qualitätssicherung trotz der Distanz gelingt, erzählen sie im Gespräch.

Wie habt ihr euch kennengelernt?
Franziska Carnevale: Wir haben vier Jahre für dasselbe Textilunternehmen in der Schweiz gearbeitet. Als Damian nach Indien zog, besuchte ich ihn auf einer meiner Geschäftsreisen. Drei Monate später wurden wir ein Paar.

D: Die Leute sind oft überrascht, wenn sie erfahren, dass die Drucke ursprünglich von Hand gezeichnet wurden. Die meisten gehen davon aus, dass Franziska auf dem Computer illustriert. Das unterscheidet uns von anderen Marken und sorgt dafür, dass die Produkte nicht alle gleich aussehen.

Wie wird der Stoff bedruckt, wenn der Entwurf fertig ist?
D: Einige unserer Küchentücher entstehen zum Beispiel durch Block-Printing. Für dieses Holzdruckverfahren senden wir Franziskas Handzeichnung zu unserem Holzschnitzer Sri Ram nach Indien. Er schnitzt das Motiv und druckt es von Hand auf den Stoff.

F: Aquarellbilder entstehen hingegen mittels Digitaldruck. So lassen sich Wasserfarbverläufe besser darstellen und du erkennst den Unterschied auch haptisch. Bei diesem Verfahren ist der Stoff weicher, weil sich die Farbe mit dem Textil verbindet. Für Muster ohne Farbverläufe wenden wir den Siebdruck an. Bei dieser Methode bin ich eingeschränkt, weil nur bis zu acht Farben möglich sind.

Wie läuft die Zusammenarbeit als Paar?
F: Wir verbringen gern viel Zeit miteinander, auch wenn wir vielleicht nicht mehr so viel zusammen ausgehen. Es hilft, dass wir beide selbstständig sind. Dein Partner versteht, wenn du am Samstagabend noch einmal ins Atelier statt ins Restaurant gehst.

D: Es gibt natürlich auch Meinungsverschiedenheiten. Es kommt aber selten vor, dass der eine ins Kino möchte und der andere lieber arbeitet. Wir klären Konflikte schnell und vergessen sie dann auch wieder.

F: Einmal waren zum Beispiel 2000 Produkte falsch ausgezeichnet. Wir gingen selbst ins Lager, um neue Etiketten anzubringen. Es war uns wichtiger, eine partnerschaftliche Beziehung zu pflegen, als dem Lieferanten die Kosten zu verrechnen und ihn in eine finanzielle Schieflage zu bringen.

F: Die wenige Zeit einzuteilen, ist für mich die grösse Hürde. Vom Design-Prozess über die Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und dem Team bis hin zu administrativen Aufgaben – alles muss gemacht werden. Jeder Kunde, der kommt, möchte die Arbeit am liebsten gestern haben. Dann musst du auch irgendwann Platz haben, Neues zu entwickeln. Als Selbstständige habe ich glücklicherweise die Freiheit, am Abend etwas fertig zu machen.

D: Manchmal ist dabei allerdings die Abgrenzung schwierig. Solange die Arbeit Freude macht, arbeiten wir gerne mehr. Unser Antrieb ist sowohl das Team als auch unsere Produzenten in Indien. Wir wollen, dass es ihnen gut geht und, dass sie gerne für uns tätig sind. Wir brauchen sie und umgekehrt. Ohne sie gäbe es kein Beyond Textiles.

Könnt ihr euch vorstellen, jemals wieder Angestellte zu sein?
D: Es ist ein sehr kompetitives Umfeld. Du musst dazu bereit sein, ein wenig mehr als andere zu leisten. Im Gegenzug bekommst du viele Freiheiten. Wenn du damit Erfolg hast, ist das ein schönes Gefühl. Klar gibt es den Spruch: «Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite.» Dieser Gedanke schwingt ab und zu mit.

Was motiviert euch dennoch?
F: Dass wir seit zehn Jahren so frei und flexibel arbeiten können. Das macht uns etwas gelassener. Es freut uns auch, unsere Produkte zufällig bei jemandem zu sehen. Vor allem, wenn du weisst, wie viele Arbeitsschritte und Hände ein Produkt zurückgelegt hat. Wir machen ja auch viele Sachen für Externe, auf denen unser Name nicht drauf steht.

Stört es dich nicht, dass dein Name als Designerin bei externen Aufträgen anonym bleibt?
F: Modedesign war mir schon immer zu extrovertiert. Im Textildesign fühle ich mich wohler, weil du mitwirken kannst und dabei anonym bleibst. Wenn dein Stoff in einer Chanel-Kollektion vorkommt, wird niemand erfahren, dass du ihn entwickelt hast.

Ist das denn schon einmal vorgekommen?
F: Ja, vor einigen Jahren. Ich habe damals für eine italienische Firma Stoffe entworfen. Einer meiner Entwürfe ging plötzlich in Produktion. Als ich wissen wollte, wer ihn bestellt hat, hiess es, dass ihn Karl Lagerfeld ausgesucht hat. Damals gab es keine grosse Aufregung. Hätte ich nicht nachgefragt, hätte es mir auch niemand gesagt.

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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