

Was taugen die Geschlechtskrankheiten-Tests für zu Hause?

Sex ist toll, Geschlechtskrankheiten weniger. Darüber Bescheid zu wissen aber wichtig. Damit du nach einem wilden Wochenende nicht jedes Mal zum Arzt rennen musst, gibt’s STI-Tests für zu Hause.
Sexuell übertragbare Krankheiten. Ein Tabuthema. Niemand redet gerne über seine letzte Tripper-Infektion. Die wird mit Inkonsequenz und Promiskuität assoziiert. Auf dieses vermeintliche Stigma können die meisten verzichten. Schon das Testen beim Arzt nach einem Risikokontakt kann deshalb Scham auslösen. Seit einiger Zeit gibt es bei Galaxus Selbstentnahme-Kits von Home Sampling, die zu Hause genutzt werden können. Weder ein Arzt noch sonst jemand muss hierfür zugegen sein. Günstiger sind sie auch. Aber funktionieren sie wirklich so einfach?

Einmal Abstrich von allem, bitte
Die kleine, unauffällige Kartonbox wird vom Pöstler in meinem Milchkasten deponiert. Nichts deutet auf ihren Inhalt hin. Dieser setzt sich aus drei Entnahme-Sets – bestehend aus einem Röhrchen gefüllt mit etwas Flüssigkeit und einem Tupfer – für je einen Vaginal-, Anal- und Rachenabstrich, Anleitungen, einem Aufragsformular und einer Rücksendeetikette zusammen. Ich habe mir einen Combo-Test bestellt, um alles auszuprobieren, es gibt aber auch einzelne Entnahme-Sets. Je nachdem, an welchen Schleimhäuten der Risikokontakt stattgefunden hat, wählst du entsprechend. Dieser Kontakt muss etwa zehn Tage zurückliegen, damit die Krankheit überhaupt nachweisbar ist. Die Geschlechtskrankheiten (STI), auf die getestet wird, sind Chlamydia trachomatis (Chlamydien), Neisseria gonorrhoeae (Tripper) und Mycoplasma genitalium (Mykoplasmen).

Während ich als Frau für den Combo-Test drei Abstriche einzeln durchführen muss, besteht der Combo-Test für Männer aus zwei Abstrichen und einer sogenannten Erststrahl-Urinprobe. Warum? Das erklärt mir Gabi Riesenkamp vom medizinischen Labor Invenimus, das die eingeschickten Proben auswertet, als ich mir dort ein paar Tage später das Analyseverfahren anschaue. «Bei Frauen ist der Vaginalabstrich einer Urinprobe vorzuziehen, da die Schleimhäute der Vagina von den STI-Erregern gegenüber der Harnröhre bevorzugt werden. Bei den Männern bleibt nur die Harnröhre. Bei ihnen liefert der Erststrahlurin zuverlässige Resultate, da mit dem Urin vorhandene Bakterien aus der Harnröhre hinausgeschwemmt und somit nachgewiesen werden können.»

Klare Anweisungen
Also alles einzeln. Die Anleitungen sind klar. Beim Rachentest beispielsweise darf ich mindestens eine Stunde davor nichts mehr gegessen oder getrunken haben und sollte wenn möglich Zähne und Zunge nicht berühren. «Da der Rachenabstrich mit grösster Wahrscheinlichkeit einen Würgereflex auslöst, ist es sinnvoller, keinen allzu vollen Magen zu haben», sagt Riesenkamp. Ich bereite das Entnahmeset vor. Ich schraube das Röhrchen auf, platziere es sicher und packe den Tupfer aus, ohne die Spitze zu berühren. Mit dieser streiche ich ein paar Mal über die Mandeln und stecke das Stäbchen mit der Spitze voran in die Flüssigkeit im Röhrchen. An der rot markierten Sollbruchstelle kürze ich das Stäbchen und schraube die Probe fest zu. Nun noch anschreiben und fertig.

Alle drei Tests gehen zusammen mit dem Antragsformular zurück in die Box, die ich mit der Rücksendeetikette versehe und in einen gelben Postbriefkasten werfe. Nun heisst es auf die Ergebnisse warten. Innerhalb von drei Tagen sollte ich sie bekommen. Ich erhalte die erlösende E-Mail schon am nächsten Vormittag. Und das, obwohl im Labor in Kloten neben sexuell übertragbarer Infekte sämtliche anderen Laboranalysen durchgeführt werden. Corona-Nasen-Rachen- und Bluttests kommen noch obendrauf. So schnell habe ich nicht mit einer Auswertung gerechnet. «Wir versuchen, die eingegangenen Proben noch am selben Tag zu testen, um die Leute nicht unnötig auf die Folter zu spannen», sagt Riesenkamp.

Leichte Zweifel
Nicht nur die Geschwindigkeit überzeugt, auch an der «DIY-Probenentnahme» gibt’s nichts zu bemängeln. Die Beschreibungen mit Text und Bild sind sehr klar. Dennoch bleibt ein Gefühl von Unsicherheit, ob ich das auch wirklich alles richtig gemacht habe. Habe ich den Tupfer lang genug meinen Schleimhäuten ausgesetzt? Wie tief sind fünf Zentimeter genau? Riesenkamp beruhigt mich, als ich ihr von meinen Zweifeln erzähle. «Ein Test wird nicht so schnell unbrauchbar. Wenn du dich so gut wie möglich an die Vorgaben zu halten versuchst, werden unsere Geräte ein sicheres Ergebnis ausspucken. Falls in einer Probe zu wenig Zellmaterial vorhanden ist, wird dies während der Analytik erkannt. Dann wird mit der Einsenderin, dem Einsender Kontakt aufgenommen und gegebenenfalls nochmals ein Entnahme-Set zugestellt.»

Auch anderen Leuten scheint es so wie mir zu gehen. «Das Home Sampling wird gut genutzt, aber die Mehrheit kommt noch immer lieber bei uns vorbei», so Riesenkamp. Das liege zu einem Teil auch daran, dass viele Kunden eine «psychologische Reinigung» bräuchten. «Sie wollen mit jemandem über ihre Probleme reden. Mit jemandem, der nicht urteilt, ihnen nicht zu nahe steht und von Gesetzes wegen nicht plaudern darf.» Wer das nicht brauche oder möglichst wenig Aufwand für einen Test aufbringen wolle, der bestelle eher nach Hause.

Eine Blutprobe beendet den Test
Der Test auf HIV, Hepatitis B, Hepatitis C und Lues (Syphilis) muss im Labor gemacht werden, da eine venöse Blutentnahme nötig ist. Immerhin braucht’s dafür keine Voranmeldung, deshalb darf auch ich gleich einen machen. Innert Minuten ist das Blut abgezapft, obwohl sich sonst die meisten medizinischen Angestellten über meine Venen beklagen. Als Riesenkamp die Nadel entfernt, tritt nicht einmal Blut aus. Und eine kurze Plauderei über schwache Männermägen liegt auch noch drin.

Meine dunkelrote Blutprobe wandert direkt nach hinten ins Labor zu Silvia Hahner, die die Analytik leitet. Sie zeigt mir, wie das Serum in der Zentrifuge von meinem Vollblut getrennt wird. Nur Ersteres wird für den Antikörpertest benötigt. Auch der Rest läuft beinahe vollautomatisch in grossen Geräten ab, die von den Mitarbeitern aber stets gecheckt werden. Sie zeigt mir auch, wo und wie meine eingesendeten Abstriche getestet wurden. In einem grossen schwarzen Gerät mittels der PCR-Methode, bei der die DNA aus der Probe vervielfältigt und dann untersucht wird.

Die Auswertung von sexuell übertragbaren Krankheiten macht nur einen kleinen Teil der rund 200 Aufträge pro Tag aus. Am meisten wird Eisen getestet, danach folgt momentan das Coronavirus, an dritter Stelle liegt die Schilddrüse. «Hashimoto, eine chronische Entzündung der Schilddrüse, ist zur Volkskrankheit mutiert. Es wird vermutet, dass unter anderem eine zu hohe Jodaufnahme dafür verantwortlich sein kann», sagt Hahner. Das steckt in herkömmlichem Speisesalz, dem wichtigsten Produkt in meiner Küche. Vielleicht wär ein solcher Test bei mir auch einmal sinnvoll.

Erst einmal reicht mir eine Abklärung der häufigsten Geschlechtskrankheiten. Noch am selben Tag bekomme ich die Auswertung meines Bluttests. Ich bin wieder durchgecheckt. Sowohl die Probeentnahme zu Hause wie auch die im Labor verlaufen problemlos. Da ich nicht zu den Menschen gehöre, die viel Wert auf «psychologische Reinigung» legen, sondern meine Fragen am liebsten mit mir selber kläre, tendiere ich beim Abstrich zum «Home Sampling». Vor allem, da ich jetzt weiss, dass ich dem Ergebnis vertrauen kann, da ich die Anleitung nicht komplett ignoriere. Das mache ich nur beim Möbelaufbau.


Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.