Hintergrund

WANTED: Modded Commodore 64

Martin Jud
8.3.2021

Der Commodore 64 gilt als meistverkaufter Heimcomputer der Welt. Sacha hat seinen in den 1980ern gehegt, gepflegt, gemoddet und dann verkauft. Heute vermisst er ihn, hätte ihn gerne wieder. Seine Story erzählt von Zeiten, in denen Spiele in Magazinen als Code abgedruckt werden und Mods zum Sieg verhelfen.

Ob er eine Chance hat, seinen C64 wieder zu finden?

Mich interessiert, was Sacha da vor bald 40 Jahren gebastelt hat. Was sein modifizierter Brotkasten, wie die Dinger im deutschsprachigen Raum genannt wurden, im Detail konnte. Was hat ein Jugendlicher damals mit seinem PC angestellt; so ganz ohne Internet, internen Drives oder Input Lags?

Gamen in den 80ern – erst in Graustufe, ohne Joystick und Englischkenntnisse

Ich schreibe Sacha an. Zu meinem Glück berichtet er gerne aus seiner Kindheit und Jugend. Heute arbeitet er passend zu seinem damaligen Hobby als Softwareentwickler. Ich will von ihm wissen, was sein erstes C64-Spiel war.

An den Namen des Spiels konnte sich Sacha erst gar nicht erinnern. Nach fast 40 Jahren blieb nur noch etwas mit Ice und ein Iglu hängen. Dank einer digitalisierten Welt, ist das Gedächtnis allerdings schnell aufgefrischt. Und weitere nostalgische Erinnerungen werden wach.

«Relativ früh zogen Joysticks in mein Kinderzimmer ein. Zuerst ein Quickshot II, später dann andere inklusive dem tollen Competition Pro in blauem Kunststoffgehäuse – mit präzisen und langlebigen Mikroschaltern. Die hielten auch den damals populären und Joystick-mordenden Summer und Winter Games stand.

Zocken ab Kassette: Spiel lädt… irgendwann

Zwischen 1982 und 1994 hat Hersteller Commodore International je nach Quelle 12,5 bis gar 30 Millionen Stück des C64 verkauft. Ein riesen Erfolg für einen Computer, der noch nicht mal eine Festplatte hatte. Wer ein Programm oder Game starten wollte, musste dies von einem externen Datenträger tun. Doch selbst ein Floppy Disk Drive war für die meisten Besitzer anfangs nur ein Traum.

Doch wie kam Sacha überhaupt in den Besitz von Software? Gab es auch andere Möglichkeiten als sich ein Tape mit entsprechendem Game im Laden zu kaufen?

«Ich verbrachte damals, ohne zu übertreiben, hunderte Stunden mit Abtippen von Programmen aus Heften. Die Redaktionen druckten seitenweise Hex-Codes* ab, welche nach hoffentlich korrekter Eingabe das lauffähige Programm ergaben. Eine andere Art an Software zu kommen, gab es für mich vorerst nicht.

*Zahlensystem von 0-9 plus A-F, mit 16 Werten anstelle des alltäglichen Zehnersystems

Endlich Floppy, sogar mit Lifehack

Dass sich viele C64-Liebhaber der Achtziger nicht von Beginn an ein Diskettenlaufwerk gönnten, lag an den Preisen. So kostete ein Commodore C64 im Jahr 1984 rund 620 Franken. Das Diskettenlaufwerk dazu schlug mit ca. 600 Schweizer Franken zu buche, wohingegen eine Datasette bereits für um die 80 Franken erhältlich war.

«Später konnte ich mir ein Floppy-Disk-Laufwerk leisten. Von Commodore VC 1541 genannt, heutzutage als Diskettenlaufwerk bekannt. Allerdings handelte es sich damals nicht um die kompakten 3,5-Zoll-Disketten, sondern um die wabbeligen in 5,25 Zoll. Sie fassten sagenhafte 165 Kilobytes – pro Seite – und waren meiner Datasette absolut überlegen. Es war eine kleine Geschwindigkeits-Revolution.

Das Brotkasten-Modding

In der zweiten Hälfte der 80er beginnt Sacha eine Lehre als Elektroniker. Da ist es für ihn naheliegend, sein im Betrieb erworbenes Wissen auch privat einzusetzen. Dank unzähliger Magazin-Lektüren der vergangenen Jahre weiss er bestens über seinen Commodore 64 Bescheid und greift zu Schraubenzieher und Lötkolben.

«Wenn ich mich richtig erinnere, war mein erster Mod ein Resettaster, welchen ich am linken Rand montiert habe. Löten konnte ich bereits und die paar Drähte waren anhand der Informationen meiner Magazine schnell und korrekt auf der Platine platziert. Heute undenkbar, aber damals waren die Platinen für Menschen noch grob genug, um daran eigenhändig Änderungen vornehmen zu können.

Mit dem Joystick-Rüttel-Mod das Spiel gewinnen

Vor Jahrzehnten waren, wie bereits von Sacha erwähnt, wortwörtlich sportliche Spiele wie der Klassiker Summer Games aktuell. Dabei ging es häufig nur darum, den Joystick möglichst schnell hin und her zu rütteln, um beispielsweise einen neuen Laufrekord zu erzielen. Findige Bastler unter den Spielern machten daher auch nicht Halt davor, ihre Steuerknüppel zu modifizieren.

«In der Zeitschrift Happy Computer wurde eine elektronische Schaltung zum Nachbauen vorgestellt, welche das Rütteln für einen übernahm. Platinen ätzen konnte ich damals noch nicht selber. So kaufte ich mir im heute längst geschlossenen Elektronik Shop in Biel eine Lochrasterplatine und alle benötigten Bauteile sowie isolierten Kupferdraht. Letzterer war dazu da, die Leiterbahnen, welche normalerweise aus Kupfer beschichteten Platinen geätzt werden, zu ersetzen.

Ich war dann wochenlang damit beschäftigt, die Bauteile auf die regelmässig gebohrte Lochrasterplatine zu löten und mittels Kupferdraht gemäss Schema zu verbinden. Wenn ich heute zurückschaue, kann ich es selber kaum glauben. In Erinnerung geblieben sind mir die zwei Taster am Platinenende mit rund einem Zentimeter Kantenlänge – einer schwarz, der andere rot.

Einmal fertig konnte ich damit eine gewisse Anzahl Joystick-Positionen speichern und dann mit dem anderen Taster abspielen. Die Geschwindigkeit wurde dabei mit einem Potentiometer eingestellt, das mit einem kleinen Uhrmacherschraubenzieher bedient wurde.

Leider habe ich diese Platine zusammen mit dem gesamten C64-System verkauft.»

Cheaten mit dem Action-Replay-Modul

Der Rüttel-Mod ist zwar praktisch, eignet sich aber nur für spezifische Games. Solche, die simpel in der Bedienung sind, aber dennoch oder gerade darum auch bei weniger Technik-Interessierten auf grosse Beliebtheit stossen. Mehr Freude bringt dem Cheater der frühen PC-Ära ein viel mächtigerer Mod.

Wenn dich die Nostalgie packt

Es wäre für ihn das Grösste, seinen C64 wieder in den Händen zu halten. «Ich hoffe, dass er noch irgendwo auf einem Schweizer Dachboden auf mich wartet.»


Hast du Sachas C64 gesehen oder gar in deiner Sammlung?
Dann melde dich bitte entweder direkt aufs Inserat oder bei der Redaktion: martin.jud@digitecgalaxus.ch

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