
Hintergrund
Sharp Pocket Computer E-220: Oops, I did it again
von David Lee

Beim TI Voyage 200 aus dem Jahr 2002 verschwimmen die Grenzen zwischen einem Taschenrechner und einem PC.
Schon in den 80er-Jahren entwickelten sich Taschenrechner zu programmierbaren Mini-Computern. Ein Beispiel ist der Sharp PC-1403H. Den habe ich, wie viele meiner Generation, in der Mittelschule benutzt. Nachdem ich ihn aus der Mottenkiste geholt hatte, bin ich auf den Geschmack gekommen und habe mir den leistungsfähigeren Sharp PC E-200 zugelegt. Damit hatte ich allerdings immer noch nicht genug. Mit dem Erwerb eines Voyage 200 von Texas Instruments wurde ich endgültig zum Sammler von Vintage-Taschenrechnern.
Dieses Gerät ist wesentlich jünger – es stammt aus dem Jahr 2002. Im Prinzip handelt es sich immer noch um einen mit BASIC programmierbaren Taschenrechner mit einem nicht beleuchteten LCD. Er kann jedoch nicht nur Zeichen darstellen, sondern ist grafikfähig. Somit müsste sich der Voyage 200 besser zum Programmieren eigener Games eignen als meine beiden Sharp-Rechner.
Der TI Voyage 200 hat eine grafische Benutzeroberfläche, auf der man Apps auswählen und Menüs ansteuern kann. Als Prozessor verwendet er einen Motorola 68000. Dieser Chip wurde in fast allen würfelförmigen Macs, dem Amiga 500, dem Atari ST und dem Sega Mega Drive eingebaut. In den 80er-Jahren war der Prozessor modern. 2002 war er das definitiv nicht mehr – aber wahrscheinlich günstig zu haben und für einen Taschenrechner mehr als ausreichend.
Den Voyage 200 konnte man in unserem Shop noch bis 2014 kaufen. In diesem Jahr gingen allerdings nur noch zwei Exemplare weg, zu einem Preis von 279 Franken. Heute bekommt man ihn gebraucht für 50 Franken, mit etwas Glück auch für weniger.
Bislang bin ich weit davon entfernt, etwas Eigenes für das Gerät zu programmieren. Die Leistung wäre sicherlich ausreichend, aber der Voyage 200 funktioniert grundlegend anders als ich es von Sharp kenne. Ich finde mich damit bislang nur schwer zurecht.
Trotz der grafischen Oberfläche scheint mir die Bedienung erstaunlich unintuitiv – ohne Handbuch kapiere ich gar nichts. Dieses ist zum Glück «alte Schule», das heisst, es wird jeder Schritt ganz genau erklärt. Nur müsste ich mich da stundenlang reinknien. Im Internet Archive gibt es einen Online-Emulator des Voyage 200, falls du dir selbst einen Eindruck verschaffen willst.
Unklar ist mir bislang, ob der Voyage 200 Sound ausgeben kann. Es gibt Audio-Software für dieses Gerät, was darauf hindeutet, dass er es kann. Andere Hinweise, etwa im Handbuch, habe ich aber nicht gefunden, und mein Gerät bleibt bislang stumm. Vielleicht lässt sich über einen Adapter aus dem E/A-Ausgang Sound herauskitzeln. Ein wissenschaftlicher Rechner muss keinen Sound abspielen, aber für Games wäre das schon wichtig.
Was an Games auf dem Voyage 200 möglich ist, zeigt Super Mario 68K. Es soll auf allen Taschenrechnern von Texas Instruments mit dem Motorola-68000-Prozessor laufen. Dazu gibt es einen Level-Designer.
Aber wie installiert man überhaupt ein Game? Der Voyage 200 kommt mit einem USB-Adapter, sodass er sich direkt an einen PC oder Mac anschliessen lässt. Zum Übertragen von Daten braucht es eine eigene Anwendung namens TI-Connect. Leider erkennt diese auf den neuen Macs mit Apple-Silicon-Architektur den Voyage 200 nicht mehr. Ich muss den Computer von jemand anderem benutzen, wenn ich etwas auf dem Taschenrechner installieren will.

Bei Super Mario habe ich mir diese Mühe gemacht. Anschliessend musste ich googeln, wie ich das Spiel starte – nur um beim Übersichtsbildschirm steckenzubleiben. Irgendwann fand ich dann heraus: Ich muss die rechte Pfeiltaste drücken und dann die Hand-Taste. Nun kann ich immerhin spielen, bin aber saumässig schlecht. Das Spiel ist ordentlich gemacht, aber mit dem trägen, kontrastarmen LCD habe ich meine liebe Mühe. Nintendo hat für den ersten Game Boy ein Mario-Spiel mit vereinfachter und kontrastreicher Grafik gemacht (Super Mario Land) – und wenn ich das hier sehe, verstehe ich auch, warum. Den Sound vermisse ich auch. Aber die Tatsache, dass auf einem Taschenrechner ein Super Mario läuft, ist eigentlich schon Grund genug zur Freude.
Vielleicht schaffe ich doch mal noch eine Eigenkreation.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
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