Oliver Fischer
Meinung

Verschon mich bloss mit der x-ten magischen Kinderbuchserie

Oliver Fischer
22.11.2024

Erzählt eigentlich auch noch jemand eine Geschichte in einem eigenständigen Buch fertig? Beim Vorlesen von Kinderbüchern habe ich heute den Eindruck, dass nur noch lieblose Serien nach Vermarktungs-Schema X geschrieben werden. Eine Polemik.

Kürzlich fand in der Schule meiner Tochter die jährliche Erzählnacht statt. «Träumen» war das Motto und ich las Auszüge aus dem Buch «Anton Monsterjäger: Ein Traum auf der Flucht» vor. Vorlesen tue ich auch zuhause oft.

Die Lust aufs und Freude am Vorlesen habe ich von meiner Mutter mitbekommen, die mir und meinen Geschwistern in unserer Kindheit (fast) jeden Abend vor dem Schlafengehen Kinderbücher vorlas. «Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer», «Die lustigen Abenteuer vom Rösslein Hü» oder «Die unendliche Geschichte».

Serien gibts schon lange – Danke Enid Blyton

Einmal liebloses Schema F bitte

Auch der eingangs erwähnte «Anton Monsterjäger» ist übrigens eine Serie. Über einen Jungen, der an seinem 10. Geburtstag erfährt, dass er Magie in sich trägt und darum ein Monsterjäger sei. Dafür wechselt er dann auf eine besondere Schule für Monsterjäger und erlebt mit seinen zwei neuen besten Freunden, respektive einem Freund und einer Freundin, irgendwelche wilden Abenteuer. Kommt dir bekannt vor? Klingt verdächtig nach einem Harry-Potter-Szenario …

Leider scheint sich aber niemand mehr ernsthaft die Mühe zu machen, diese Szenarien in eigenständige Welten zu betten mit glaubwürdigen Charakteren, die mit Fortschritt der Geschichten und Serien so etwas wie eine Entwicklung durchmachen. Ein paar stereotype Kinder hier, ein paar 08/15-Erwachsene da, ein paar schräge Vögel und halb-magische Geschöpfe und fertig ist das langweilige Set-up für die Kinderbuch-Kuh, die zu Tode gemolken werden kann.

Es gibt doch so viele gute Einzelgeschichten

Ich weiss, ich positioniere mich jetzt gleich als mittelalten Menschen, der die eigene Kindheit (ein bisschen) verklärt. Aber ich vermisse Geschichten, die in einem Buch auserzählt sind. Figuren, Storylines und Welten, in die ich so richtig tief eintauchen kann. Und aus denen ich wieder rauskomme, wenn die Geschichte zu Ende ist. Ich denke an «Momo», «Die unendliche Geschichte», «Peter Pan», «Die rote Zora», «Krabat» oder «Herr der Diebe».

Wobei mit letzterem komme ich zu Cornelia Funke, die bis heute an ihrem umfassenden Gesamtwerk arbeitet – und mit den «Wilden Hühnern» auch eine Kinder-/Jugendbuch-Serie geschrieben und ihre Tintenwelt letztes Jahr zur Tetralogie ausgeweitet hat. Neben Funke bin ich ausserdem grosser Fan von Walter Moers Zamonien-Welt, in der inzwischen auch viele Geschichten spielen.

Natürlich bin ich mir völlig bewusst, dass es trotz meiner Abneigung gegenüber der von mir als uninspirierten Konzept-Serien empfundenen Erzeugnisse ganz viele Autorinnen und Autoren gibt, die grossartige Kinder- und Jugendliteratur schreiben.

Und weil der jüngste Band der «Schule der magischen Tiere» auch bald fertig vorgelesen sein wird, suche ich schon das nächste coole Buch, das ich meiner Tochter vorlesen könnte. Damit ich sie von meinen Altherren-Vorschlägen der gefühlten und tatsächlichen Klassiker verschonen kann, interessiert mich, welche Bücher – KEINE SERIEN BITTE – du mir für mich und meine bald 10-jährige Tochter empfehlen kannst.

Titelbild: Oliver Fischer

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Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.


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