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Meinung

Traut den Kindern E-Bikes zu, bevor es zu spät ist

Was die Regeln für E-Bikes angeht, ist die Schweiz vorsichtiger als der Rest Europas. Ringsherum dürfen Kinder früher legal aufsteigen, ohne dass die Welt zusammenbricht. Warum das bei uns nicht geht, verstehe ich nicht.

Neulich in Deutschland. Wir spazieren ein Flussufer entlang und treten zur Seite, weil eine Velogruppe überholen will. Eine Familie surrt vorbei. Vater, Mutter und Sohn, vielleicht 11 Jahre alt. Alle drei schlank, sportlich – und auf E-Bikes. «Warum darf der das?», fragt mein Sohn leicht empört und blickt dem Jungen hinterher. «Andere Länder, andere Regeln», antworte ich in dem Wissen, dass bei uns erst ab 16 Jahren bis 25 km/h unterstützt werden darf. Oder ab 14, mit Töffliprüfung.

Dass Österreich bei E-Bikes für Kinder liberal ist, wusste ich. Im regelversessenen Deutschland wundert es mich, dass sie einfach als Fahrrad gelten. Wie ist das in anderen Ländern? Ich schaue nach und staune bald nur noch darüber, dass die Gesetzgeber den Kindern bei uns mit Abstand am wenigsten zutrauen.

Ob Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien oder Portugal – überall heisst es freie Fahrt. Teilweise mit sinnvollen Ergänzungen wie Helm- oder Begleitpflicht für Kinder unter 12 Jahren. Nur Grossbritannien zieht die Grenze ebenfalls bei 14. Ein Angebot wie unten, bei Galaxus immerhin auf Verkaufsrang 39 unter den E-Bikes, ist deshalb nur für Auslandsreisen interessant.

Adore E-Bike für Kinder 24" Alu Kids Citybike KS-240 Heckmotor 30NM / 10,4Ah Eisblau Matt (30 cm)
E-Bike
CHF1114.–

Adore E-Bike für Kinder 24" Alu Kids Citybike KS-240 Heckmotor 30NM / 10,4Ah Eisblau Matt

30 cm

Mir ist klar, dass E-Bikes und Kinder auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Sicherheits-Experten raten ab. Natürlich. Das würde ich als Sicherheits-Experte auch tun. Kein Sechsjähriger sollte motorisiert zur Schule fahren. Keine Zehnjährige alleine auf die Hauptstrassen losgelassen werden. Kinder, deren Eltern das für eine gute Idee halten, schützt so schnell auch kein Gesetz vor ihren unvorsichtigen Erzeugern. Aber Jugendliche, denen nichts zugetraut wird, sind auch nicht zu beneiden.

Keine Debatte, keine Horror-Schlagzeilen

Ja, E-Bikes sind schwer – und schwerer zu beherrschen. Sie beschleunigen schneller und halten länger höhere Geschwindigkeiten. Und die Fähigkeit, den Verkehr richtig einzuschätzen, entwickelt sich erst im Laufe der Kindheit. Bei der einen etwas früher, bei dem anderen etwas später. Doch abseits der Städte und Dörfer wäre genug Platz, um auf Touren erste Erfahrungen zu sammeln. Es kommt auf den Rahmen an, und man sollte ihn so gestalten, dass das Umfeld und die Einschätzung der Eltern berücksichtigt werden.

Familie auf E-Bike-Tour: Mit welcher Regel fährt die Gesellschaft am besten?
Familie auf E-Bike-Tour: Mit welcher Regel fährt die Gesellschaft am besten?
Quelle: Sutterstock/JRP Studio

Mehrere hundert Millionen Menschen in Europa könnten ihren Nachwuchs mit dem E-Bike auf die Strasse schicken. Horror-Schlagzeilen zu Unfällen mit Kindern, die darauf zurückzuführen sind, finde ich nicht. Aufgeregte Debatten? Ebenfalls Fehlanzeige. Vermutlich regelt das der Markt, als Alltagsvelo sind E-Bikes für Kinder sowieso nicht gefragt.

In den USA sind etwas stärkere E-Bikes (Class 1 & 2 bis 20 Meilen pro Stunde, ca. 32 km/h) in vielen Staaten für Kinder erlaubt. Die Gefahr für den Nachwuchs, damit im Spital zu landen, ist im Vergleich zu normalen Velos laut dieser Studie um 11,5 Prozent höher. Allerdings stehen darin 3945 Verletzungen auf E-Bikes 2,05 Millionen Verletzungen bei «normalen» Velounfällen gegenüber. Das ist immer noch ein Problem. Aber ein vergleichsweise seltenes.

Liberale Regeln – mit einer Ausnahme

Bei uns in der Schweiz hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 13. Dezember 2024 die Regeln für den Langsamverkehr aktualisiert. Der Vorschlag, dem Tourismus zuliebe das Mindestalter für langsame E-Bikes auf zwölf Jahre unter Aufsicht einer Erwachsenen Person zu senken, wurde nicht berücksichtigt. Sie werden weiter als «Leicht-Motorfahrräder» einsortiert. Was ab dem 1. Juli 2025 neu gilt, hat mein Kollege Lorenz Keller hier zusammengefasst.

  • Hintergrund

    Neue Regeln für E-Scooter: Wer darf wie schnell und mit wem fahren?

    von Lorenz Keller

Sein Fazit: «Die Schweiz schränkt wenig ein, vieles bleibt erlaubt.» Und eines bleibt verboten. Unter 14 Jahren geht mit dem E-Bike gar nichts. Wie schade. In diesem Punkt ist die Schweiz längst nicht so liberal wie der Rest Europas – und das hat Folgen.

Die Jungen fahren Downhill, die Alten E-Bike

Wenn ich mit meinem (unmotorisierten) Mountainbike unterwegs bin, beobachte ich, was die Verkaufszahlen der vergangenen Jahre zeigen: Erwachsene haben massiv aufgerüstet, vor allem mittelalte Männer strampeln auf E-Mountainbikes an mir vorbei. Alleine oder in Gruppen, aber selten mit der Familie. Die Jüngeren steigen in Gondeln und fahren Downhill.

Für die gemeinsame E-Bike-Tour bleibt nur eines: Den Tourismus im benachbarten Ausland anzukurbeln. Ich fände es schlau, wenn Zwölfjährige bei uns diese Erfahrung machen dürften. Dabei geht es für mich nicht nur um die Fun-Frage in der Freizeit. Sondern auch um die Chance, das E-Bike langsam und von mir aus gerne in Begleitung als Alltagsgefährt zu etablieren.

Ein oder zwei Jahre Vorsprung vor anderen motorisierten Fahrzeugen wären schön. Und ein Fahrkurs in den Ferien der perfekte Einstieg. 14-Jährige haben nach absolvierter Töffliprüfung sonst meistens ganz anderes im Sinn: E-Scooter oder 120 Kilogramm schwere «Leicht-Motorfahrräder» wie dieses.

Die geltenden Regeln stellen vor allem sicher, dass E-Bikes was für die Alten bleiben. Dass nur aktive Kinder aufs Velo und immer mehr Jugendliche ganz absteigen. Der Bericht zur Mobilität von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen hält fest: «Die Nutzung des Velos ist über alle Zwecke gesehen seit 1994 stark und kontinuierlich zurückgegangen – dies in allen Altersgruppen.»

Der E-Bike-Anteil machte 2021 bei den Alltagsstrecken der 14- bis 20-Jährigen ganze sieben Promille aus. Wer so lange davon abgehalten wurde, den interessiert es dann auch nicht mehr. In diesem Punkt etwas mehr Risiko zuzulassen und die Regeln für E-Bikes anzupassen, hätte sich meiner Meinung nach gelohnt. Wie siehst du das?

E-Bikes für Kinder

Ab welchem Alter sollten sie erlaubt sein?

  • Es sollte keine Altersbeschränkung geben.
    27%
  • Ab 12 Jahren in Begleitung.
    42%
  • Ab 16 bzw. 14 mit Führerausweis Kategorie M.
    31%

Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.

Titelbild: Shutterstock / JRP Studio

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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