

So performt der La Sportiva «Prodigio Pro» in abwechslungsreichem Gelände

Mit dem «Prodigio Pro» will der italienische Bergsporthersteller La Sportiva die Trailrunningszene aufmischen. Ist der Hype gerechtfertigt? Ich habe den neuen Laufschuh getestet.
Wenige Schuhe haben in letzter Zeit so hohe Erwartungen geweckt wie der Prodigio Pro aus dem Hause La Sportiva. Nachdem er bereits im vergangenen Jahr beim Ultratrail-Event UTMB vorgestellt wurde, kam er vor wenigen Wochen auf den Markt.
Mit einer neuen Mittelsohle und einem Obermaterial mit dem vielversprechenden Namen «Power Wire» soll er als Allrounder für fast alle Trails geeignet sein – von weichen Waldwegen bis hin zu technischem Terrain. Ob das stimmt?
Ein Test auf abwechslungsreichem, technischen Gelände
Um das herauszufinden, nehme ich den Prodigio Pro bei einem Downhill-Workshop der Trailrunning-Coaches von Up2Peak gründlich in die Mangel. Die Strecke auf dem Luzerner Hausberg Pilatus führt durch facettenreiches Gelände – perfekt also für einen Test.

Quelle: Up2Peak
Es geht von Kieswegen über gewundene, verwurzelte Trails und felsige Passagen. Von Graswegen über Geröll bis hin zu Schnee und Matsch. Kurz gesagt: Die Strecke hat alles, was das Läuferinnen-Herz begehrt. Und Schuhe herausfordert.
Beim Aufstieg legen wir, eine Gruppe von sechs Läuferinnen und zwei Coaches, rund 1000 Höhenmeter auf 4,5 Kilometern zurück, beim Downhill sind es 1800 Höhenmeter auf rund 11,5 Kilometern.
Später laufe ich – um den Test zu vervollständigen – mit dem Prodigio Pro die Halbmarathon-Distanz auf Feld- und Waldwegen sowie mehrfach zwischen zehn und 15 Kilometer in hügeligem Gelände. Ohne zu viel vorweg zu nehmen: Alles in allem performt der Schuh sehr gut und lässt nur wenig zu wünschen übrig.

Quelle: Up2Peak
Um zu verstehen, was den La Prodigio Pro bei unterschiedlichen Bedingungen so leistungsfähig macht, lohnt es sich, seine Eigenschaften genauer anzuschauen.
Ein Blick auf die Features
Mit seinem Vorgänger und Namensgeber, dem Prodigio hat der Prodigio Pro wenig gemeinsam. Vom Obermaterial bis zur Sohle ist fast alles neu.
Mit einem Gewicht von rund 240 Gramm (Damengrösse 40) ist er für einen Trailrunningschuh leicht. Und das, obwohl er mit 34 Millimetern Fersenhöhe und 28 Millimetern am Vorfuss eine recht hohe Dämpfung aufweist.
Die Sprengung von sechs Millimetern ist für Trailrunningschuhe akzeptabel, mehr dürfte es nach meinem Geschmack nicht sein, weil sonst das Vorfusslaufen erschwert wird. Beim Fersenlauf im Gelände steigt das Verletzungsrisiko durch Umknicken.

Quelle: Up2Peak
Die Aussensohle besteht aus der griffigsten Gummimischung von La Sportiva, der proprietären Frixion White, mit vier Millimeter tiefen Stollen.

Quelle: Siri Schubert
Sogenannter Superschaumstoff gibt der XFlow-Speed-Zwischensohle ihre speziellen Eigenschaften. Dabei handelt es sich um stickstoff-infundierten TPU (thermoplastisches Polyurethan) und EVA (Ethylen-Venylacetat), ein spezielles Schaumstoffgemisch, das Dämpfung, Reaktivität und Stabilität vereinen soll.
Das Obermaterial ist aus einem Kunststoffgeflecht, genannt Power Wire, gefertigt. Mich erinnert es ein bisschen an gestrickte Zahnseide. Es ist schnelltrocknend und atmungsaktiv, sodass es dir im Schuh nicht zu warm wird. Nach einem versehentlichen Tritt in den Bach oder einem Lauf durchs nasse Gras ist der Schuh schnell wieder trocken.

Quelle: Siri Schubert
Innen umgibt eine weiche, sockenähnliche Schicht deinen Fuss. Das ist sehr angenehm, weil nichts reibt oder scheuert. Die Ferse ist gut gepolstert und die Zunge mit der inneren Schicht verbunden. Sie ist ebenfalls gepolstert, damit die Schnürsenkel nicht einschneiden.

Quelle: Siri Schubert
Richtig begeistert bin ich von den integrierten Mini-Gamaschen in Form eines hochgezogenen Bündchens, die Steinchen, Staub und Tannennadeln zuverlässig fernhalten. Ungeplante Stopps, um nervige Eindringlinge aus den Schuhen zu entfernen, gehören damit der Vergangenheit an.
Passform: ein erster Eindruck
Der Schuh soll bei technischen Läufen ausreichend Halt bieten. Die Zehenbox ist weit geschnitten, doch durch das wenig dehnbare Obermaterial ist der Mittelfuss eng umschlungen. Wenn du einen schmalen oder mittelbreiten Fuss hast, kann das sehr angenehm sein.
Ich habe recht breite Treter und einen hohen Spann. Deshalb ist mir der Schuh gerade auf längeren Läufen etwas zu eng. Das kann auch daran liegen, dass ich das Frauenmodell getestet habe. Frauenmodelle sind meist etwas schmaler geschnitten. Das Herrenmodell findest du hier:

Die gepolsterte Zunge bringt mir deshalb nicht den gewünschten Komfort, sondern macht den Schuh noch enger. Da die Innensohle mit der Zwischensohle verklebt ist, kann ich sie nicht herausnehmen, um extra Platz zu schaffen. Die Schnürung lässt sich zwar einigermassen anpassen, aber um das letzte Loch für die Fersenschnürung zu nutzen, sind die Schnürsenkel für breite Füsse zu kurz. Wenn du einen hohen Spann oder breite Füsse hast, könnten die Schuhe für dich auch zu eng sein.

Quelle: Up2Peak
Was mir ebenfalls fehlt, ist eine Schnürsenkel-Garage, um Schlaufen und Enden sicher zu verstauen. Sie reduziert die Gefahr des Hängenbleibens und sorgt dafür, dass die einmal geschnürten Schleifen sich nicht wieder lösen.
Raus auf die Trails
Bei meinen Trainingsläufen geht es über Stock und Stein, Geröll und Fels. Und auf jedem Untergrund performt der Schuh. Die Aussensohle bietet hervorragenden Grip. Selbst auf matschigem Untergrund und nassen Steinen hält sie. Das gibt Sicherheit. Der Schuh ist dank der Aussensohle für fast jedes Trailrunning-Abenteuer oder Rennen geeignet.

Quelle: Up2Peak
Die Zwischensohle bietet gute Dämpfung, ohne sich zu schwammig anzufühlen. Mit einer Polsterung von 34 Millimetern im Fersenbereich ist sie auch für lange Läufe gut geeignet. Allerdings geht der Komfort zu Lasten des Bodengefühls: Wenn du – wie ich – einen sehr direkten Bodenkontakt schätzt und den Untergrund deutlich spüren möchtest, ist die Dämpfung etwas zu üppig.
Die Zwischensohle ist gerade im Vorfussbereich sehr flexibel. Das erleichtert das Laufen auf steinigem Boden, weil sich der Schuh dem Untergrund anpasst und so das Umknicken verhindert. Gleichzeitig hast du etwas weniger Stabilität als beispielsweise beim Vorgängermodell.
Der Schuh kommt ohne Carbon- oder Steinschutzplatte aus. Dadurch ist er nicht nur für Wettkämpfe, sondern auch für das tägliche Training geeignet. Mir fehlt die Platte bei meinen Testläufen nicht, denn durch die Polsterung drücken auch grössere Steine nicht schmerzhaft auf meine Fusssohle.
Fazit
Ein vielseitiger Laufschuh für abwechslungsreiche Trails
Dieser Schuh ist ein wahrer Allrounder für unterschiedliche Bedingungen und Ansprüche. Er eignet sich für technische Trails, aber auch für Trainingsläufe auf einfacheren Wegen.
Mit einer extrem griffigen Aussensohle ist der Schuh auch bei feuchtem Untergrund und auf steinigen Wegen geländegängig.
Die Zwischensohle ist etwas weicher als die des Vorgängers, des Prodigio. Während die Dämpfung mehr Komfort bietet, wäre mir eine etwas festere Sohle mit mehr Kontrolle lieber. Aber das ist Geschmacksache.
Die Passform ist für schmale und mittelbreite Füsse gut geeignet. Wenn du einen hohen Spann oder breite Füsse hast, könnte der Prodigio Pro zu eng sein.
Die Schnürsenkel sind etwas kurz geraten, weshalb du das extra Loch für die Fersenschnürung vielleicht nicht nutzen kannst. Zudem fehlt eine Schnürsenkel-Garage.
Das Obermaterial aus Kunststoff ist robust und abriebfest. Es saugt sich nicht mit Wasser voll. Da es wenig dehnbar ist, sorgt es für guten Halt.
Die integrierten Gamaschen aus weichem Strick sind meine Lieblinge. Nervige Steine und Nadeln im Schuh gehören der Vergangenheit an.
Insgesamt ist der Prodigio Pro ein Schuh, der hohe Ansprüche erfüllt. Er wird sicher bei vielen Trailrunning-Events und Ultraläufen zu sehen sein. Die Welt des Trailrunnings komplett auf den Kopf stellen wird er allerdings nicht.
Pro
- geeignet für unterschiedliche Bedingungen
- Aussensohle hat sehr guten Grip
- integrierte Mini-Gamaschen halten Steinchen fern
- Obermaterial ist robust und trocknet schnell
- gute Dämpfung, ohne schwammig zu werden
- leicht wie ein Wettkampfschuh, aber ohne Carbonplatte auch für tägliches Training geeignet
Contra
- schmaler Schnitt, nicht für alle geeignet
- keine Schnürsenkel-Garage
- hohe Dämpfung geht auf Kosten des Bodengefühls


Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.