Hintergrund

Pfeif auf Pessimismus: So wurde ich Schriftsteller

Thomas Meyer
26.5.2021

Als ich nach einem abgebrochenen Studium endlich wusste, was ich machen wollte, hörte ich nur, warum das nie klappen werde. Zum Glück habe ich mich nie von Schwarzmalerei beeindrucken lassen.

Waren sie nicht.

An dieser Stelle hätte ich den zahlreichen Unkenrufen doch noch Glauben schenken können. Ich hätte aus den Rückschlägen schliessen können, dass es tatsächlich enorm schwierig sei, in der Werbung Fuss zu fassen, und meine Bemühungen einstellen können. Ich hätte sogar mein Studium wieder aufnehmen können, als vernünftigen, sicheren Weg, so wie es mir auch geraten wurde.

Tat ich nicht.

Im Gegenteil, mich spornten die Warnungen der einen und die Zurückweisungen der anderen nur an: Soso, dachte ich, ihr meint also, das klappe nicht? Ich werde euch zeigen, dass das klappt.

Natürlich hörten die Rückschläge nicht auf. Hunderte meiner Werbeideen wurden intern oder beim Kunden versenkt, fertige Texte wurden nicht veröffentlicht oder so redigiert, dass ich Bauchschmerzen bekam. Obendrein war ich ständig mit Anfeindungen von Menschen konfrontiert, die nichts aus ihrem Leben machten und furchtbar wütend wurden, wenn sie einem begegneten, der es tat. Besonders subtil waren die spöttischen Vergleiche mit «richtigen Autoren».

Als ich mich 2007 selbständig machte, kam ein weiteres Problem hinzu: mein eklatanter Mangel an Geschäftssinn. Ich verkaufte mich grauenhaft schlecht und bekam für meine Arbeit oft zu wenig und manchmal überhaupt kein Geld. Mehrere Male hatte ich kaum mehr welches übrig. Ich erinnere mich gut an den Abend, an dem ich feststellte, dass mein gesamtes Vermögen sich auf 500 Franken belief.

Ich bin nicht Schriftsteller geworden, weil ich dazu geboren wurde. Ich hätte auch andere Dinge machen können. Ich wäre vermutlich kein schlechter Rechtsanwalt geworden. Ich hätte auch, wie ich es nach der Sanitäts-Rekrutenschule ernsthaft beabsichtigte, Rettungssanitäter werden können. Oder, was mich auch lange gereizt hat, zur Polizei gehen. Es hätte mich alles glücklich gemacht und anderen geholfen.

Schriftsteller geworden bin ich, weil mich das schlicht am meisten gedrängt hat, wie ein magischer Rückenwind, immer vorwärts, über alle Hindernisse hinweg, und weil ich immer daran geglaubt habe, dass es funktionieren wird. Wie, wusste ich oft nicht. Aber dass – daran hatte ich keinen Zweifel. So wie ich immer überzeugt war, dass ich eines Tages mit der richtigen Frau zusammensein würde. Wer diese Zuversicht hat, den oder die wird das Leben belohnen.

Wahr ist das Gegenteil: Jede und jeder darf glücklich sein, niemand ist zum Leiden verdammt, man darf und soll nach den Sternen greifen, und es ist nur gesund, sich seiner Fähigkeiten bewusst zu sein.

Was ist Deine Stärke? Was wolltest Du schon immer machen, hast es Dir aber bisher nicht zugetraut? Mit welchen Sätzen haben andere versucht, Dir Deine Träume auszureden? Oder wie hast Du es geschafft, sie wahrwerden zu lassen? Teile es in den Kommentaren!

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Der Schriftsteller Thomas Meyer wurde 1974 in Zürich geboren. Er arbeitete als Werbetexter, bis 2012 sein erster Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» erschien. Er ist Vater eines Sohnes und hat dadurch immer eine prima Ausrede, um Lego zu kaufen. Mehr von ihm: www.thomasmeyer.ch. 


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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