Kritik

«Look Outside» ist der Horror-Geheimtipp des Jahres

Cassie Mammone
22.10.2025

Mach nicht denselben Fehler wie ich und verschlafe als Horror-Fan «Look Outside». Diese Indie-Perle hat sich sich rasend schnell an die Spitze meiner Spiel-des-Jahres-Liste katapultiert.

Ich liebe Horrorspiele. Die Mischung aus düsteren Geschichten, gruseligen Monstern und ich mit dem Controller in der Hand mittendrin.

Deswegen finde ich es schade, dass kein Survival-Horror-Spiel seit «Resident Evil 7» mich so richtig zum Zittern gebracht hat. Längst habe ich mich an das immer gleiche Spielprinzip des Genres gewöhnt.

Die ersehnte Erlösung kommt von einem Horrorspiel, das sich mit einem ungewohnten Genre paart: «Look Outside» setzt auf rundenbasierte Rollenspielkämpfe inmitten eines heruntergekommenen Apartmentkomplexes, der dem Untergang der Welt trotzt.

Schau nicht (!) nach draussen

In «Look Outside» wache ich eines Morgens auf und habe das Bedürfnis, nach draussen zu schauen. Ich sollte dem irreführenden Titel und dem Drang jedoch nicht nachgehen. Tue ich es dennoch, erleide ich ein frühzeitiges Ende.

Die Welt befindet sich im Ausnahmezustand. Irgendetwas ist am Himmel aufgetaucht, das alle Betrachtenden drastisch verändert. Das erfahre ich am eigenen Leib, sobald ich meine Wohnung nach den ersten Stunden verlasse. Einige Menschen sind… anders, merkwürdig. Es vergeht nicht viel Zeit, bis mich der erste meiner Nachbarn angreift. Und wieso hat er eigentlich ein Auge im Bauch?

Meine Aufgabe in all dem ist vergleichsweise simpel: Ich darf unter keinen Umständen nach draussen schauen und muss 15 Tage überleben, bis das ungewöhnliche Phänomen vorbei ist.

Ein zusätzlicher Auftrag lockt mich jeden Morgen aufs Neue aus meinem sicheren Apartment. Ich kann auch bestimmten Hinweisen nachgehen, die mir mehr über das Phänomen draussen verraten.

Genremischung bringt Frische (und Grusel)

In «Look Outside» erkunde ich ein riesiges Gebäude, ähnlich wie in bekannten Survival-Horror-Spielen. Obwohl ich anfangs allein bin und kaum etwas gegen den Schrecken in- und ausserhalb meiner Zimmerwände ausrichten kann, wage ich mich stetig vorwärts.

Anders als bei den actionlastigeren Genrevertretern setzt der Indie-Titel auf rundenbasierte Rollenspielkämpfe. Das geht mit einem entsprechenden Levelsystem einher und führt dazu, dass ich nicht fröhlich in die Gegner reinrenne, sondern sorgfältig abwäge, ob ich mein schwaches Männchen wirklich gegen ein riesiges Rattenmonster kämpfen lassen will.

Nach jedem gewonnen Kampf erhalte ich Erfahrungspunkte und steige nach einer gewissen Zeit im Level – sprich, ich werde stärker. Bei Survival-Horror-Spielen sind die Gegner meist auf mich zugeschnitten, so dass ich sie direkt bekämpfen kann. In «Look Outside» geben mir die meisten Wesen vor allem anfangs auf den Deckel.

Während ich mich in der Spielwelt fortbewege, sehe ich alle Monster auf meinem Bildschirm. Das heisst, dass ich ihnen gezielt aus dem Weg gehen kann – es sei denn, sie bemerken mich und sprinten mir hinterher.

Das verstärkt den Nervenkitzel. Immer wieder stehe ich vor dem inneren Konflikt, ob ich den nächsten Raum erkunden will. Einerseits finde ich vielleicht nützliche Gegenstände, Verbündete oder sogar einen Hinweis auf den Schrecken draussen. Andererseits wartet vielleicht einfach nur der Tod.

In meinen ersten Spielstunden fühle ich mich regelrecht eingeschüchtert. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich in einem Horrorspiel wieder Angst vor Kämpfen. Meine Spielfigur ist so schwach und zerbrechlich, dass ich am liebsten nichts und niemanden bekämpfen will. Vor allem nicht, weil hinter vielen Monstern mutierte Menschen stecken.

Moralische Lasten

Weil der Blick nach draussen Veränderungen verursacht, ist mir klar, dass hinter den Biestern gewöhnliche Menschen und Tiere stecken. Deswegen ist mir extrem unwohl bei dem Gedanken, meine Nachbarn auf Leben und Tod zu bekämpfen – vor allem, wenn es sich dabei um Kinder und andere schutzbedürftige Wesen handelt.

Aus Spoilergründen behalte ich die genauen Geschichten, die ich erlebt habe, für mich. Ich hatte aber nicht nur einmal ein schweres Herz. Ein Beispiel will ich dennoch mit dir teilen, mit einer entsprechenden Spoilerwarnung für einen kleinen Spielabschnitt in den folgenden beiden Absätzen.

In einer Wohnung des Apartmentkomplexes höre ich ständig Babyschreie. Sie sind beunruhigend und grotesk. Wenn ich die Wohnung erkunde und bis zum Babybettchen komme, erfahre ich auch, wieso: Beim «Baby» handelt es sich um eine mutierte Ratte. Sie ist jedoch zutraulich und folgt mir.

Ich kann dem bemitleidenswerten Geschöpf nicht widerstehen und schliesse es sogar ein wenig ins Herz. Deswegen fliege ich aus allen Wolken, als ich in einem Raum lande, in dem ein Monster ein Opfer von mir verlangt. Ich kann einen meiner beiden Arme opfern (und dabei einen gravierenden Nachteil in den Kämpfen erhalten) oder das Rattenbaby. Schon lange habe ich nicht mehr so viel herumprobiert, um eine alternative Lösung in einem Videospiel zu finden.

Aus Angst vor bevorstehenden Monsterkämpfen habe ich mich für meine Arme und gegen das Rattenbaby entschieden. Eine Entscheidung, die mich bis heute verfolgt.

Der Apartmentkomplex als Erkundungsparadies

Warum ich mich trotz hohem Schwierigkeitsgrad und der Last moralischer Entscheidungen immer weiter durch das Erlebnis quäle, ist einfach: Der Apartmentkomplex, in dem ich die 15 Tage totschlagen soll, ist unglaublich faszinierend, genauso wie seine Bewohnerinnen und Bewohner.

Das übernatürliche Phänomen draussen verändert auch das Gebäude. Manche Stockwerke werden zu unendlichen Labyrinthen, während Wohnungen und das gesamte Kellergeschoss durch Monster komplett verunstaltet werden. So sehr ich teilweise Angst davor habe, mich an ekligen Biestern vorbeizuschleichen, locken mich Belohnungen in Form interessanter Geschichten immer wieder aufs Neue.

Ich muss meine Angst für meinen Erkundungsdrang überwinden und das liebe ich.

Auch die Musik trifft den Nagel auf den Kopf und schwankt zwischen ekligen Umgebungsgeräuschen und wahren Retro-Knallern. Obwohl ich kein Fan von Pixeloptik bin, ist es bewundernswert, wie stilisiert gut getroffen das gesamte Spiel ist.

Kurz gesagt: «Look Outside» spielt sich nicht nur gut, sondern schaut und hört sich auch wunderbar an.

«Look Outside» ist am 21. März 2025 für PC über Steam erschienen und läuft gut auf dem Steam Deck.

Fazit

«Look Outside» ist meine Spiele-Überraschung des Jahres.

Ich habe nicht erwartet, dass rundenbasierte Kämpfe, Rollenspielelemente und Horror so gut zusammenpassen. Der Mix führt dazu, dass ich vor allem anfangs vor jeder Begegnung Angst habe. Der Schauplatz, der sich durch ein unerklärliches Phänomen verändert, ist jedoch so interessant, dass ich einfach mehr davon sehen muss.

Mein einziger Kritikpunkt hängt aber ebenfalls mit dem Genre zusammen. Während das Levelsystem anfangs meine Angst vor Monstern erhöht, renne ich gegen Ende der 15-Tage-Frist wie ein Bulldozer durch das Apartmentgebäude. Ich erledige alle normalen Viecher in wenigen Schlägen und konfrontiere eigentlich furchterregende Bossgegner auf der Jagd nach weiteren Belohnungen und Achievements.

Für mich ist das aber in Ordnung, weil ich neben Horror- auch rundenbasierte Rollenspiele liebe. Der Nervenkitzel macht meiner Grind-Freude Platz – und negiert mein anfänglich angespanntes Erlebnis keinesfalls.

Pro

  • viel Erkundungsfreiheit
  • schaurige Monsterdesigns
  • fesselndes Rollenspiel-Kampfsystem
  • coole Retro-Aufmachung in Klang und Design
  • Levelsystem nimmt mit zunehmendem Spielfortschritt etwas vom Grusel

Contra

  • Levelsystem nimmt mit zunehmendem Spielfortschritt etwas vom Grusel

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Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.


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