
Kritik
«Void Sails» im Test: Ein gelungenes Indie-Spiel, das genau meinen Nerv trifft
von Cassie Mammone
Ein Kurierfahrer, drei Städte und jede Menge Chaos: «Deliver at all Costs» ist ein visuell auffälliges Indie-Spiel mit absurden Missionen und skurriler Story. Doch kann der erste Eindruck auch langfristig tragen?
Die Reifen quietschen. Vor mir ein Lieferwagen, hinter mir ein hupender Typ mit Sonnenbrille, rechts eine Treppe, links ein Hydrant. Ich ziehe rüber: zu spät. Es kracht. Funken sprühen. Irgendwas explodiert. Und während mein zerbeulter Truck langsam über den Bürgersteig rutscht, denke ich mir: Willkommen auf St. Monique im Jahr 1959.
«Deliver at all Costs» ist kein AAA-Titel, sondern das Debüt von Studio Far Out Games, einem kleinen Team aus drei schwedischen Studenten, die mit ihrer absurden Vision von Lieferchaos die Indie-Szene aufmischen wollen. Das Spiel erinnert an einen wilden Mix aus «Crazy Taxi», «American Fugitive», den ersten beiden «GTA»-Teilen und einem Pixar-Film auf Adrenalin.
In «Deliver at all Costs» schlüpfe ich in die Rolle von Winston Green, einem hitzköpfigen Kurier mit mysteriöser Vergangenheit und einem Hang zur SelbstzerstörungZerstörung seiner Umgebung. Die Geschichte entfaltet sich in drei Akten und überrascht mit echten Twists. Zwischen absurden Missionen und charmanten Zwischensequenzen entwickelt sich ein Plot, der mehr Tiefe hat, als ich erwartet hätte – inklusive Verschwörungen, alten Feinden und einer Prise Sci-Fi.
In den Missionen transportiere ich beispielsweise lebende Schwertfische, tickende Bomben oder Heliumballons, die mein Fahrzeug abheben lassen. Die Zwischensequenzen sind charmant animierte Dialogszenen, meist mit stilsicherem Voice-over und satirischer Überzeichnung. Sie brechen das Chaos der Missionen auf und geben Winston ein überraschend greifbares Profil. Die Story ist so absurd, dass sie mein Interesse geweckt hat. Auch wenn sie lange Zeit nur oberflächlich dahin rieselt.
Jeder Akt von «Deliver at all Costs» ist nicht nur ein erzählerischer Abschnitt, sondern auch ein räumlich klar definierter Schauplatz, mit eigenem Charakter, eigenen Regeln und ganz eigenen Problemen. Alle drei Karten bieten mir keine komplett offene Spielwelt, sondern mehrere Zonen, die für unterschiedliche Stadtteile stehen. Bei jedem Zonenwechsel kommt ein kurzer Ladescreen.
St. Monique ist der Einstieg: eine tropische Insel mit Retro-Charme, Palmen und Neonlichtern. Hier lerne ich die Grundlagen des Lieferns – und bekomme erste kryptische Hinweise auf Winstons Vergangenheit. Die Missionen sind bereits hier verspielt und herrlich absurd.
Shellington ist das industrielle Herz des Spiels. Die Stadt ist rau, eng und gefährlich. Hier wird das Gameplay komplexer: Ich manövriere durch enge Gassen, weiche Explosionen aus und kämpfe gegen die Physik. Gleichzeitig verdichtet sich die Story – alte Feinde tauchen auf, und die Verschwörung nimmt Form an.
New Reed schließlich ist der urbane Showdown. Eine vertikale Großstadt voller Neon, Überwachung und Geheimnisse. Hier eskaliert alles: Die Missionen werden dramatischer, die Story emotionaler. Ich schleiche, flüchte, liefere – und bringe die Wahrheit ans Licht.
Die Grundmechanik ist einfach: Als Kurier fahre ich Lieferungen aus – entweder mit Fahrzeugen oder zu Fuß. Ziel ist es, Pakete möglichst heil innerhalb eines bestimmten Zeitfensters von A nach B zu bringen. Die Mittel, mit denen das geschieht, sind jedoch alles andere als gewöhnlich.
Die Welt wartet mit einem Verkehrsaufkommen und Hindernissen auf mich. Jeder Auftrag bringt neue Herausforderungen mit sich: blockierte Straßen, enge Durchgänge, Baustellen, Polizeikontrollen oder einfach die Tücke der eigenen Fahrzeugphysik. Die Steuerung ist bewusst überdreht.
Mein Truck schlingert, springt, explodiert. Und das mit einer Physik-Engine, die eher an Cartoon-Logik als an Realismus erinnert. Das macht Spaß, sorgt aber auch für Frustmomente, wenn ein Paket kurz vor dem Ziel durch einen unglücklichen Crash zerstört wird. Kurven wollen geplant, Ladungen gesichert und Routen improvisiert sein.
Zwischen den eigentlichen Lieferfahrten gibt es auch Abschnitte, in denen ich absteige, Gegenstände trage oder kleinere Aufgaben erfüllen muss. Manche Lieferungen verlangen Fingerspitzengefühl (zerbrechliche Ware), andere pure Geschwindigkeit oder taktische Umwege.
«Deliver at all Costs» lebt vom Moment – von der nächsten verrückten Lieferung, dem nächsten Crash, dem nächsten «Was zur Hölle war das gerade?». Das funktioniert eine ganze Weile sehr gut. Die Missionen sind abwechslungsreich genug, um mich bei Laune zu halten. Vor allem, wenn ich das Spiel in kurzen Sessions zocke. Das Problem ist: So skurril manche Aufträge auch sind, am Ende ist es gefühlt doch immer dasselbe. Ich muss irgendetwas transportieren. Das wird irgendwann doch langweilig.
Ohne die Missionen kann die Spielwelt das Chaos und mein Interesse nicht beibehalten. Ich erkunde die Gegend, aber beispielsweise ein GTA-Feeling aus den ersten Teilen fehlt mir komplett. Nur einmal kam nach einer wilden Fahrt die Polizei, vor der ich mich schnell in einem Mülleimer verstecken konnte. Witzigerweise stieg ich direkt vor deren Augen in mein ausgeklügeltes Versteck.
Optisch wirkt «Deliver at all Costs» wie eine Mischung aus Diorama und Retro-Animationsfilm. Die isometrische Perspektive verleiht der Welt einen Miniatur-Charme, der perfekt zum überdrehten Spielprinzip passt. Häuser, Autos, Explosionen, alles wirkt stilisiert, aber detailverliebt. Besonders gelungen: die kleinen Animationen am Straßenrand, von flüchtenden oder wütenden Passanten bis zu flatternden Werbeplakaten.
Der Soundtrack ist eine wilde Mischung aus Jazz, Rockabilly und Sci-Fi-Synths: mal treibend, mal verspielt, aber immer stimmig. Die Soundeffekte sind überzeichnet, aber effektiv: quietschende Reifen, scheppernde Kollisionen, panische Rufe. Die Sprachausgabe ist bewusst klischeehaft. Gerade das macht sie charmant.
Technisch läuft das Spiel auf meinem PC stabil. Ich habe keine Abstürze erlebt, und auch die Ladezeiten zwischen den Stadtteilen sind kurz. Trotzdem nerven sie mich. Sie kommen einfach zu häufig vor, wenn ich bei einem Auftrag zwischen mehreren Stadtteilen hin und her fahren muss. Die Spielwelt wirkt aufgeräumt, die Menüs funktional. Manche Animationen wirken allerdings steif und die Kamera kann bei engen Manövern fummelig werden.
Für die Steuerung bin ich von Tastatur und Maus auf meinen Playstation-Controller gewechselt. Das fühlte sich direkt besser an. Die Steuerung ist zwar auf dem Gamepad gut abgestimmt, aber kein präzises Werkzeug. Ich bin allerdings auf beide Arten im ständigen Kampf gegen Trägheit, Drehmoment und Schwerkraft. Das ist nämlich Absicht. Mein Truck fühlt sich oft an wie ein Gummiball auf Rädern. Wer Kontrolle erwartet, wird frustriert sein. Wer Chaos erwartet, bekommt genau das.
«Deliver at all Costs» wurde mir von Konami für den PC zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist seit dem 22. Mai für den PC, Playstation 5 und Xbox Series verfügbar.
«Deliver at all Costs» ist ein mutiges Indie-Debüt, das sich nicht scheut, laut, chaotisch und herrlich überdreht zu sein. Die Mischung aus Retro-Ästhetik, physikbasiertem Slapstick und satirischer Story macht das Spiel zu einem echten Erlebnis – zumindest für eine Weile. Wenn die Reifen quietschen, Pakete explodieren und Passanten schreiend zur Seite springen, entfaltet das Spiel seine absurd-komische Energie in voller Wucht.
Die drei Akte, verteilt auf ebenso viele Städte, sorgen anfangs für Struktur und visuelle Abwechslung. Jede Zone hat ihren eigenen Rhythmus, eigene Regeln, ihre eigenen Gemeinheiten. Auch die Story überrascht mit Verschwörungsmotiven, Retro-Sci-Fi-Flair und liebevoll animierten Zwischensequenzen. Doch hinter der schrillen Oberfläche steckt ein Spielprinzip, das sich rasch wiederholt: Irgendetwas muss von A nach B transportiert werden. Möglichst schnell, möglichst spektakulär.
Dafür wirkt die Welt zu leer, um das Spiel länger zu tragen. Wenn ich nicht gerade liefere, gibt es kaum Gründe, die Straßen zu erkunden. Die versprochene Offenheit bleibt im Detail Stückwerk. Die Steuerung ist gewollt chaotisch. Das passt zur Idee des Spiels, wird allerdings nicht jedem gefallen. Für mich sorgte es häufiger für Frust.
Trotzdem: Studio Far Out Games beweist Mut, Stilbewusstsein und ein gutes Gespür für absurden Humor. «Deliver at all Costs» ist kein perfektes Spiel, aber ein erinnerungswürdiges. Für kurze Sessions voller Krach, Kollision und Komik funktioniert es hervorragend. Wer allerdings nach Tiefe, Langzeitmotivation oder echter Open-World-Freiheit sucht, wird hier nur bedingt fündig. Insgesamt hast du das Spiel zwischen sieben bis zwölf Stunden durchgespielt.
Pro
Contra
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