
Hintergrund
Einmal wie Daniel Düsentrieb sein: Wenn Kinder erfinderisch werden
von Michael Restin

Der Nationale Zukunftstag ist ein tolles Angebot, das von Kindern oft unterschätzt wird. Also kümmern sich die Eltern – die selbst gerne übersehen, dass ihre tagtägliche Haltung zur Arbeit viel wichtiger ist.
Während du das liest, sitze ich vielleicht gerade am Empfang eines Unispitals. Dort bekommt mein Kind einen Tag lang eine Zukunft gezeigt, die vermutlich nicht die seine sein wird. Was völlig in Ordnung ist, denn wer weiss mit 10, 11 oder 12 Jahren schon so genau, wo die berufliche Reise mal hingehen soll.
Der Nationale Zukunftstag ist der Versuch, jungen Menschen, die über die Superkraft verfügen, grösstenteils im Moment zu leben, eine Zukunft schmackhaft zu machen, die sie sich völlig anders ausmalen.
Einerseits, weil sich in typische Traumberufe schwer reinschnuppern lässt. Andererseits, weil das ambitionierte Ziel des Zukunftstags der Seitenwechsel ist: Mädchen und Buben sollen praxisnahe Einblicke in untypische Berufe erhalten. Natürlich wäre es cool, wenn die Jungs reihenweise in der Kita mit anpacken, während die Mädchen mit Leuchtwesten auf Baustellen stehen. Das ist die Theorie. Die Praxis sieht meist anders aus. Den Weg in die Zukunft ebnen die Eltern.
Alle lassen ihre Kontakte spielen, weil die eigenen Berufe vom Nachwuchs gerne für langweilig befunden werden. Teilweise ist das verständlich, wenn die Eltern hauptberuflich in Calls vor Bildschirmen sitzen und nebenberuflich ihren Kindern erklären, dass sie doch bitte nicht so viel auf Bildschirme schauen sollen. Auch wenn sich viele Unternehmen grosse Mühe geben und ein ausführliches Programm organisieren, ist ein Tag bei Mama oder Papa meist nicht das, was dem Nachwuchs vorschwebt.
Also wird gedealt und im Bekanntenkreis vorgefühlt. So geben alle ihr Bestes und helfen, soweit es ihnen möglich ist, Türen zu öffnen. In der Hoffnung, doch noch einen Platz fürs Kind zu finden, der zumindest einen Funken Vorfreude weckt. Es ist schade, aber leider wahr: Der Zukunftstag ist auch ein Vorgriff darauf, dass mit Vitamin B alles besser geht. Wer am Ende wo landet, ist nicht selten dem Netzwerk der Eltern geschuldet.
Eltern sollten den Zukunftstag nicht überbewerten, die Kinder tun es jedenfalls nicht. Es ist nicht verkehrt, ohne grosse Erwartungen irgendwo zu landen und einfach mal einen Tag lang Arbeitsrealität zu tanken. Nicht jeder Betrieb hat die Möglichkeit, sich für acht Stunden in eine Art Disneyland zu verwandeln. Vielleicht lernen die Kinder bei gepflegter Langeweile, was sie nicht wollen. Oder, dass sie sich beim nächsten Mal im Vorfeld doch etwas mehr Gedanken machen sollten.
Meinen ersten Schnuppertag verbinde ich mit dem süsslichen Geschmack von Couverts, die ich mit einem Schulkollegen zusammen im Akkord angeleckt und verschlossen habe. Klammern, heften, faxen – feinste 90er-Büroatmosphäre, über die die Zeit inzwischen zum Glück hinweggegangen ist. Hängengeblieben ist bei mir nur ein Gefühl. Genau wie während eines Praktikums in einer Lokalzeitungsredaktion, die sich maximal verdrossen dem eigenen Untergang entgegen tippte.
Zu lernen, dass etwas nicht das Richtige für einen und die Zukunft woanders ist, kann wertvoll sein. Genau wie die Erfahrung, völlig unverhofft für ein Thema begeistert zu werden. Wenn sich am Zukunftstag Menschen Zeit für den Nachwuchs nehmen, die für ihren Beruf brennen, kann der Funke auch mal überspringen. Und das sollte alle Eltern zum Nachdenken bringen. Denn wir prägen das ganze Jahr über das Bild der Kinder, was Arbeit ist – Lust oder Last?
Wer jeden Arbeitstag mit einem Seufzer beginnt und abends «total fertig» aufs Sofa fällt, muss sich nicht wundern, wenn sich diese Haltung überträgt. Ich gebe zu, dass ich auch nicht jeden Sonntagabend voller Vorfreude Purzelbäume schlage, weil’s morgen endlich wieder mit der Arbeitswoche losgeht. Aber grundsätzlich tue ich das, was ich mache, sehr gerne. Das weiterzugeben, finde ich wichtig.
Was wir Eltern am Nationalen Zukunftstag tun können: Denjenigen danken, die sich in den Unternehmen bereit erklären, den Kindern einen interessanten Tag zu bereiten. Was wir jeden Tag tun können: Den Kindern zeigen, dass Arbeit keine Zumutung sein muss und nicht nur finanziell, sondern ganz generell bereichernd sein kann.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.
Hier liest du eine subjektive Meinung der Redaktion. Sie entspricht nicht zwingend der Haltung des Unternehmens.
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